Gipfel EU-Ukraine in Kiew/Kyjiw: Treffen mit Symbolwirkung

Erstes Gipfeltreffen EU-Ukraine seit Kriegsbeginn vor knapp einem Jahr – Gemeinsame Erklärung betont Unterstützung für die Ukraine, "solange es nötig ist" – Europäische Perspektive des Landes an Einhaltung der Beitrittskriterien und Umsetzung von Reformen geknüpft – Zehntes Sanktionspaket gegen Russland in Vorbereitung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky hält eine Rede am EU-Ukraine Gipfel

Erstmals seit Beginn des Angriffskriegs Russlands vor knapp einem Jahr fand am 3. Februar 2023 ein Gipfeltreffen EU-Ukraine statt. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und vor dem Hintergrund von mehreren Luftalarmen trafen in Kiew/Kyjiw Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, sowie Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen. Auf der Agenda des 24. Gipfeltreffens EU-Ukraine – zuletzt hatte ein solches am 12. Oktober 2021 ebenfalls in der ukrainischen Hauptstadt stattgefunden – standen unter anderem der weitere Weg der Ukraine in Richtung EU, die Reaktion der Union auf den Angriffskrieg Russlands und die weltweite Lage in puncto Ernährungssicherheit. Zudem auf der Tagesordnung: Initiativen der Ukraine für gerechten Frieden und Rechenschaftspflicht, die Zusammenarbeit in Fragen des Wiederaufbaus und der Soforthilfe sowie bei Energie und Konnektivität.

Gemeinsame Erklärung: Europäische Beitrittsperspektive an die Umsetzung von Reformen geknüpft

In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigte die EU am 3. Februar 2023 ihre Entschlossenheit, die europäische Integration des Landes – das seit Juni 2022 offiziell Beitrittskandidat ist – zu unterstützen, ohne konkrete Zeitangaben zu machen. Denn die Fortschritte der Ukraine beim Weg in Richtung Europäische Union sind an die strikte Einhaltung der Beitrittsvoraussetzungen ("Kopenhagener Kriterien") und die Umsetzung der damit verbundenen Reformen geknüpft, was im Falle der Ukraine etwa die Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche, das Vorgehen gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen oder das Auswahlverfahren von Verfassungsrichterinnen und Richter betrifft. Ratspräsident Charles Michel betonte: "Ihre Zukunft liegt bei uns in unserer gemeinsamen Europäischen Union. Ihr Schicksal ist unser Schicksal." Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würdigte insbesondere die "Präzision, die Qualität und die Geschwindigkeit" bei den Bemühungen des Landes auf dem Weg in die EU und bezeichnete die Ukraine als "Teil der EU-Familie". Michel und von der Leyen bekräftigten zudem, dass die EU dem Land weiterhin zur Seite stehen werde, vor allem auch beim Wiederaufbau. "Die EU wird die Ukraine und das ukrainische Volk gegen den anhaltenden russischen Angriffskrieg unterstützen, solange es nötig ist", so der Wortlaut der gemeinsamen Erklärung.

Der ukrainische Präsident steht mit Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, sowie Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, mit überschlagenden Händen vor ukrainischen und EU-Flaggen

Europaministerin Karoline Edtstadler hob hervor, dass von dem Gipfeltreffen ein "starkes Signal" ausgehe, welches zeige, dass die EU fest an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung stehe. Auch wenn es im Beitrittsprozess "keine Abkürzung" gebe, werde die EU die Ukraine auf ihrem Weg in die Europäische Union unterstützen.

Besuch der Europäischen Kommission: Weitere Maßnahmen angekündigt

Bereits am Vortag des Gipfeltreffens, am 2. Februar 2023, waren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und 15 weitere Mitglieder der Europäischen Kommission zu Gesprächen mit der ukrainischen Regierung nach Kiew/Kyjiw gereist. Im Mittelpunkt standen dabei die weitere Unterstützung der Ukraine und deren Bemühungen um einen Beitritt zur Europäischen Union. Bis zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar 2023 soll ein neues Paket an Sanktionen gegen Russland beschlossen werden. Die EU hat bis dato bereits 9 Pakete restriktiver Maßnahmen gegen Russland erlassen, die sichtbare Auswirkungen auf das Regime und die Wirtschaft des Landes haben.

Gruppenfoto aller teilnehmenden Personen am EU-Ukraine Gipfel

Von der Leyen kündigte im Rahmen ihres Besuchs in Kiew/Kyjiw auch weitere Unterstützungen in Höhe von 450 Millionen Euro an, darunter 145 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und 305 Millionen Euro für die bilaterale Zusammenarbeit, um den schnellen Wiederaufbau der Infrastruktur zu unterstützen, die Widerstandsfähigkeit der Ukraine zu erhöhen und Reformen zu fördern. Zusätzlich zu den schon bereitgestellten 3.000 werden 2.400 weitere Stromgeneratoren sowie 35 Millionen LED-Lampen bereitgestellt. Am Rande des Treffens schlossen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal zudem eine strategische Partnerschaft für Biomethan, Wasserstoff und andere synthetische Gase. Beide Seiten bekräftigen darin ihre Verpflichtung, die Abhängigkeit von Einfuhren fossiler Brennstoffe, insbesondere von russischem Gas, zu verringern und auf Klimaneutralität hinzuarbeiten.

Zu den weiteren Unterstützungsleistungen zählen:

  • die Verlängerung der Handelserleichterungen über das Jahr 2023 hinaus, unter anderem die Aussetzung der Importzölle auf ukrainische Ausfuhren
  • die Verlängerung von auf freiwilliger Basis bereits durchgeführten Roaming-Maßnahmen um 6 Monate durch Telekom-Betreiber, um erschwingliche oder kostenlose Anrufe zwischen der EU und der Ukraine zu ermöglichen
  • die Beteiligung der Ukraine an wichtigen EU-Programmen, insbesondere die Unterzeichnung eines Abkommens zur Assoziierung der Ukraine an das Binnenmarktprogramm, das der Ukraine erleichterten Marktzugang und – über Calls – die Beteiligung am Förderprogramm für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie an Initiativen wie "Erasmus+ für junge Unternehmerinnen und Unternehmer" und dem "Enterprise Europe Network" ermöglicht
  • die Assoziierung der Ukraine an das Programm "Horizon Europe" sowie das Euratom-Programm für Forschung und Ausbildung als Unterstützung des ukrainischen Forschungs- und Innovationssystems
  • die hochwertige und nachhaltige Unterstützung der Ukraine beim Wiederaufbau ihrer Städte, unter anderem durch eine Initiative namens "Phoenix" im Rahmen des "Neuen Europäischen Bauhauses"
  • demnächst stattfindende Gespräche über die Beteiligung der Ukraine an weiteren EU-Programmen wie etwa der Fazilität "Connecting Europe" zum Ausbau der Energie-, Verkehrs- und digitalen Infrastruktur.

Überblick – Hilfe der EU für die Ukraine: Was wurde seit 24. Februar 2022 bereits geleistet?

Bis dato hat die Europäische Union die Ukraine unter anderem folgendermaßen unterstützt:

  • Unterstützung für aus der Ukraine Vertriebene: Wenige Tage nach Kriegsbeginn, am 4. März 2022, hat die EU die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz aktiviert, einen EU-Notfallmechanismus, der es Vertriebenen ermöglicht, EU-weit harmonisierte Rechte zu genießen. 4 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer profitieren von diesem Mechanismus.
  • Finanzielle, humanitäre und militärische Hilfe: Die auf Ebene der EU-Institutionen, der Mitgliedstaaten sowie der europäischen Finanzinstitutionen geleistete finanzielle, humanitäre und militärische Hilfe für die Ukraine beläuft sich bis dato auf insgesamt rund 50 Milliarden Euro, darunter:
    • 30 Milliarden Euro an finanzieller Hilfe, Budgethilfe, Soforthilfe und humanitärer Hilfe aus dem EU-Haushalt
    • von der EU und den EU-Mitgliedstaaten mobilisierte bilaterale finanzielle und humanitäre Hilfe im Wert von insgesamt 7,8 Milliarden Euro
    • über 82.000 Tonnen an Hilfe in Form von Sachleistungen im geschätzten Wert von über 500 Millionen Euro, die der Ukraine von den EU-Mitgliedstaaten und Partnern über das Katastrophenschutzverfahren der Union geliefert wurden;
    • militärische Unterstützung im Wert von 12 Milliarden Euro, wovon 3,6 Milliarden Euro im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität bereitgestellt werden. Zudem wurde die EU-Militärhilfemission eingeleitet.
  • Diplomatische Unterstützung: Die EU unterstützt die Ukraine in internationalen Foren, fordert nachdrücklich die anhaltende Solidarität mit der Ukraine ein und ruft Drittstaaten auf, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen. Die EU ist bereit, die Initiative der Ukraine für gerechten Frieden zu unterstützen.
  • Restriktive Maßnahmen: In Abstimmung mit ihren internationalen Partnern hat die EU bereits 9 Sanktionspakete gegen Russland einstimmig beschlossen, ein zehntes ist in Vorbereitung.
  • Globale Ernährungssicherheit: Infolge des Krieges sind die Exporte von ukrainischen Ernteerträgen stark beeinträchtigt. Um einen Beitrag zur Bewältigung der dadurch verschärften weltweiten Nahrungsmittelkrise zu leisten, hat die EU "Solidaritätskorridore" eingerichtet. Auf diese Weise konnten zwischen Mai und Dezember 2022 mehr als 23 Millionen Tonnen Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse aus der Ukraine ausgeführt werden – vor allem an Länder in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Asien.
Flaggen der europäischen Union und der Ukraine

Hintergrund: Beziehungen EU-Ukraine

Am 24. Februar 2022 hatte Russland die Invasion gestartet. Nur wenige Tage danach, am 28. Februar 2022, übermittelte die Ukraine den Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Der Europäische Rat beschloss knapp 4 Monate darauf, am 24. Juni 2022, der Ukraine den Status eines Bewerberlandes zuzuerkennen. Sobald die Ukraine die in der Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Antrag des Landes auf EU-Mitgliedschaft genannten Bedingungen erfüllt, wird die EU über weitere Schritte entscheiden. Die Europäische Kommission wird 2023 im Rahmen ihres regelmäßigen Erweiterungspakets (siehe auch Erweiterungspaket 2022) über die Erfüllung der Bedingungen durch die Ukraine Bericht erstatten. Neben dieser umfassenden regelmäßigen Berichterstattung wird die Kommission voraussichtlich im Frühjahr 2023 einen Überblick über den aktuellen Stand vorlegen.

Die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine beruhen auf einem Assoziierungsabkommen, das 2017 in Kraft getreten war. Der wirtschaftliche Teil des Assoziierungsabkommens ist eine vertiefte und umfassende Freihandelszone.

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