EU-Erweiterung und Nachbarschaftspolitik

Worum geht es bei der EU-Erweiterung?

Die Erweiterung der EU um neue Mitgliedstaaten trägt zur Festigung von Frieden, Stabilität und Demokratie auf dem europäischen Kontinent bei.

Durch den Erweiterungsprozess werden politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen in den Bewerberstaaten vorangetrieben. Bewerberstaaten müssen strenge Auflagen erfüllen, darunter die sogenannten Kopenhagener Kriterien (Beitrittskriterien). Hierzu zählen unter anderem institutionelle Stabilität als Garant für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Minderheitenrechte sowie eine funktionierende Marktwirtschaft. Der beitrittswillige Staat muss auch in administrativer Hinsicht fähig sein, den Verpflichtungen nachzukommen, die sich aus einer EU-Mitgliedschaft ergeben. Umgekehrt muss auch die EU in der Lage sein, neue Mitglieder aufzunehmen zu können.

Zuletzt trat Kroatien 2013 der EU bei. Die EU besteht – nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs (Brexit) – zurzeit aus 27 Mitgliedstaaten. Derzeit befinden sich 10 Staaten in unterschiedlichen Stadien des Beitrittsprozesses. Neben den 6 Staaten des Westbalkans (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien) sind das die Ukraine, Moldau, Georgien sowie die Türkei.

Wie wird ein Staat Mitglied der EU?

Jeder europäische Staat, der die Werte der EU achtet, kann einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen. Über die Aufnahme eines Bewerberstaates entscheidet der Rat der Europäischen Union einstimmig (vorher wird die Europäische Kommission angehört, das Europäische Parlament gibt seine Zustimmung). Der unterzeichnete Beitrittsvertrag muss im Anschluss neben dem Bewerberstaat auch von allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert werden.

Zwischen dem Antrag auf EU-Mitgliedschaft und einem Beschluss des Rates zur Aufnahme eines neuen Mitglieds liegt der meistens viele Jahre dauernde Beitrittsprozess, der eine Reihe von Zwischenschritten umfasst: Verleihung des Kandidatenstatus, Eröffnung der Beitrittsverhandlungen, jeweils separate Verhandlung der 31 Verhandlungskapitel (aufgegliedert nach Politikbereichen) und schließlich der Abschluss der Verhandlungen.

2020 wurde der Beitrittsprozess teilweise reformiert: Die Verhandlungskapitel werden seitdem in 6 sogenannte Cluster zusammengefasst und der Fokus auf besonders wesentliche Reformen gelegt. Damit soll der Beitrittskandidat in wichtigen Themen wie Rechtsstaatlichkeit schneller an die Europäische Union angeglichen und wirtschaftliches Wachstum gefördert werden. Der neue Beitrittsprozess beinhaltet jedoch auch größere Sanktionierungsmöglichkeiten: Wenn Beitrittsgespräche stagnieren, können die Verhandlungen eingefroren werden. Beitrittsländer, die vor dem neuen Prozess die Verhandlungen zum Beitritt begonnen haben, können sich aussuchen, ob sie die Beitrittsverhandlungen weiter im alten oder im neuen System führen möchten.

Wie lange der Beitrittsprozess eines Bewerberstaates dauert, hängt jeweils von seinen eigenen Reformfortschritten und seinem Reformtempo ab. Die Europäische Kommission überprüft und bewertet jedes Jahr die Fortschritte der Beitrittsländer und gibt Empfehlungen für weitere Schritte ab. Gleichzeitig ist auch die Position der Mitgliedstaaten der EU relevant. Denn für sämtliche Zwischenschritte braucht es einstimmige Beschlüsse des Rates. Damit ist sichergestellt, dass die Aufnahme eines neuen Mitglieds nicht gegen den Willen eines Mitgliedsstaates der EU erfolgen kann.

Westbalkan

Die EU unterstützt eine künftige EU-Mitgliedschaft der 6 Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, die sich jeweils in unterschiedlichen Stadien des Beitrittsprozesses befinden.

Am weitesten fortgeschritten ist Montenegro, das bereits seit 2012 Beitrittsverhandlungen mit der EU führt. Serbien verhandelt seit 2014 über einen möglichen Beitritt, Albanien und Nordmazedonien seit 2022. Bosnien und Herzegowina hat 2022 den Status als Beitrittskandidat verliehen bekommen und befindet sich damit auf einer Vorstufe vor dem offiziellen Start von Beitrittsverhandlungen. Kosovo hat 2022 einen Antrag auf Beitritt zur EU gestellt, jedoch noch keinen Kandidatenstatus erhalten. Mit allen 6 Westbalkan-Staaten hat die EU sogenannte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen geschlossen. Diese Abkommen dienen dazu, das jeweilige Land bereits vor Beginn des formalen Beitrittsprozesses näher an die EU heranzuführen. Österreich unterstützt aktiv die Annäherung der Westbalkan-Staaten an die EU und setzt sich dabei für eine graduelle Integration ein. Das bedeutet, dass die Beitrittsländer Schritt für Schritt in EU-Politikfelder integriert werden sollen, sobald sie den notwendigen Vorbereitungsstand in diesem Bereich erreicht haben. Damit werden für die verschiedenen Staaten außerdem Anreize gesetzt, um Reformen frühzeitig umzusetzen.

Ukraine, Moldau und Georgien

Die 3 Staaten Ukraine, Moldau und Georgien haben 2022 – nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine – Anträge auf Beitritt zur EU gestellt. Mit der Ukraine und Moldau wurden im Frühjahr 2024 schließlich die ersten Regierungskonferenzen abgehalten. Beide Staaten befinden sich damit nun am Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der EU. Georgien hat mittlerweile den Status als Beitrittskandidat erhalten, führt jedoch noch keine Beitrittsverhandlungen.

Türkei

Die Türkei hat seit 1999 Kandidatenstatus. Die Beitrittsverhandlungen wurden bereits 2005 eröffnet. Angesichts der demokratiepolitischen Entwicklungen in der Türkei (unter anderem gravierende Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten) hat der Rat im Juni 2018 festgestellt, dass sich die Türkei immer weiter von der EU entfernt hat und die Beitrittsverhandlungen daher faktisch zum Stillstand gekommen sind. In Österreich sprechen sich alle Parlamentsparteien für den förmlichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus.

Wie sieht die Nachbarschaftspolitik der EU aus?

Die Europäische Nachbarschaftspolitik wurde im Zuge der EU-Erweiterung 2004 als neuer Politikrahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn am Mittelmeer mit dem Ziel ins Leben gerufen, Stabilität, Wohlstand und Sicherheit an den Außengrenzen der erweiterten EU zu fördern. Dabei sollen die Partnerstaaten bei ihren Reformvorhaben, insbesondere bei der Schaffung und Festigung von rechtsstaatlichen und demokratischen Strukturen sowie marktwirtschaftlichen Prinzipien, bei der Förderung der Menschenrechte und des Dialogs mit der Zivilgesellschaft unterstützt werden.

Die Nachbarschaftspolitik der EU richtet sich an 6 Nachbarn der EU im Osten (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau, Ukraine), die zur sogenannten Östlichen Partnerschaft zählen, sowie 10 im Süden (Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, palästinensische Gebiete, Syrien, Tunesien), die Südliche Nachbarschaft.

Im Jahr 2015 wurde die Europäische Nachbarschaftspolitik überarbeitet, um den durch gewaltsame Konflikte und Krisen hervorgerufenen neuen Herausforderungen Rechnung zu tragen. Die Stabilisierung der Nachbarstaaten durch Unterstützung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung stellt eine der wichtigsten europapolitischen Prioritäten dar.

Grundlage für die Zusammenarbeit der EU mit den jeweiligen Partnerstaaten bilden bilaterale Assoziierungs- beziehungsweise Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Die Abkommen sehen die Vertiefung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit in einem breiten Spektrum von Bereichen vor, wie beispielsweise Justiz, Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Geldwäsche, organisierter Kriminalität, aber auch Industriepolitik, Tourismus, Gesundheit, Umwelt, Bildung, Kultur, Forschung und Innovation. Wichtiger Bestandteil der Assoziierungsabkommen ist überdies die Schaffung einer Freihandelszone; damit verbunden ist eine weitreichende Annäherung der Rechtsvorschriften der Partnerstaaten an das Recht der EU.

Die Reformvorhaben der Partnerstaaten werden durch finanzielle Leistungen sowie durch politische und technische Zusammenarbeit unterstützt. Die finanzielle Unterstützung erfolgt in erster Linie durch das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (NDICI – Global Europe). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit von Twinning- (Verwaltungspartnerschaften) und TAIEX-Programmen (kurzfristige Entsendung von Experten), die die Reformprozesse und den Institutionenaufbau in den Partnerländern unterstützen.

Weiterführende Informationen

Erweiterung

Nachbarschaftspolitik