Einfacher im europäischen Ausland leben, arbeiten und reisen: Digitalisierung der Koordinierung von Systemen sozialer Sicherheit

Kommission schlägt Maßnahmen für einen schnelleren und einfacheren grenzüberschreitenden Zugang zu Diensten der sozialen Sicherheit dank digitaler Instrumente vor – Ziel: Verringerung des Verwaltungsaufwands – Exekutiv-Vizepräsident Dombrovskis: "Dass Menschen in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben, arbeiten und studieren können, ist eine der wichtigsten Errungenschaften"

V. l. n. r.: Valdis Dombrovskis, Nicolas Schmit

Die Europäische Kommission hat am 6. September 2023 in einer speziellen Mitteilung konkrete Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgeschlagen. Dies betrifft Maßnahmen für einen schnelleren und einfacheren grenzüberschreitenden Zugang zu Diensten der sozialen Sicherheit dank des umfassenden Einsatzes digitaler Instrumente, um unter anderem den Verwaltungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in der EU zu verringern.

Nach Angaben der Kommission, gilt es den Informationsaustausch zwischen den nationalen Trägern der sozialen Sicherheit zu verbessern und die Anerkennung sowie Gewährung relevanter Leistungen über die Grenzen zu beschleunigen. Die Europäerinnen und Europäer sollen so einfacher im Ausland leben, arbeiten und reisen können, Unternehmen leichter in andere EU-Länder expandieren, und Behörden die soziale Sicherheit besser grenzüberschreitend koordinieren können.

Exekutiv-Vizepräsident Dombrovskis: "EU-Vorschriften stellen sicher, dass die Menschen ihre Ansprüche der sozialen Sicherheit nicht verlieren"

"Die Tatsache, dass die Menschen in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben, arbeiten und studieren können, ist eine der wichtigsten Errungenschaften und ein zentrales Element des EU-Binnenmarkts. EU-Vorschriften stellen sicher, dass die Menschen ihre Ansprüche der sozialen Sicherheit nicht verlieren und Unternehmen problemlos in anderen Ländern tätig sein können. Die Digitalisierung erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern die Anwendung dieser Vorschriften und reduziert den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Behörden", erklärte der für das Ressort "Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen" zuständige Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis.

Trotz früherer Initiativen zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs im Bereich der sozialen Sicherheit hätten Sozialversicherungsträger, Gesundheitsdienstleister und Arbeitsaufsichtsbehörden aufgrund der unzureichenden Interoperabilität der nationalen Systeme nach wie vor Schwierigkeiten beim Zugang zu Daten und bei deren Austausch, so die Kommission. Des Weiteren würden Kosten beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausstellung und Prüfung von Dokumenten zum Nachweis von Ansprüchen entstehen. In der Mitteilung der Kommission werden die bereits erzielten Fortschritte bei der Digitalisierung der Koordinierung der sozialen Sicherheit dargestellt, die laufenden Initiativen in diesem Bereich präsentiert und künftige Maßnahmen vorgeschlagen, um die Vorteile einer Digitalisierung vollumfänglich anzuwenden.

Digitalisierung zur Gänze nutzen

Die Kommission fordert die EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung folgender Maßnahmen auf:

  • Beschleunigung der Umsetzung des elektronischen Austauschs von Informationen der sozialen Sicherheit (EESSI) auf nationaler Ebene, damit dieser bis Ende des Jahres 2024 in ganz Europa voll funktionsfähig ist. Mit EESSI sollen der Austausch zwischen den nationalen Sozialversicherungsträgern digitalisiert, und umständliche sowie zeitraubende papiergestützte Verfahren überflüssig werden;
  • Vollständiges Online-Angebot weiterer Verfahren zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, um es für die Menschen zu vereinfachen, im Ausland zu leben und zu arbeiten, und um sicherzustellen, dass sie ihre Leistungsansprüche schnell gelten machen können. Die EU-Mitgliedstaaten können sich auf die Verordnung über das einheitliche digitale Zugangstor stützen, die die vollständige Digitalisierung einiger wichtiger Verwaltungsverfahren für Bürgerinnen sowie Bürger und Unternehmen bis spätestens 12. Dezember 2023 vorsieht;
  • Uneingeschränkte Beteiligung am Pilotprojekt zum Europäischen Sozialversicherungsausweis (ESSPASS), in dessen Rahmen Möglichkeiten zur einfacheren Ausstellung und Überprüfung von Sozialversicherungsansprüchen der Bürgerinnen und Bürger über die Grenzen hinweg ausgelotet werden sollen;
  • Hinarbeiten auf die Einführung der digitalen Brieftasche für die europäische digitale Identität (EUDI), die es den EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern ermöglichen soll, digitale Versionen von Anspruchsdokumenten wie beispielsweise der Europäischen Krankenversicherungskarte (EKVK) mitzuführen, sodass diese von Sozialversicherungsträgern, Arbeitsaufsichtsbehörden und Gesundheitsdienstleistern leichter sofort überprüfbar sind.

Die Kommission sieht vor, den EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Maßnahmen zu helfen, indem sie technische Unterstützung, unter anderem aus dem Instrument für technische Unterstützung, und finanzielle Mittel bereitstellt, beispielsweise aus dem Programm "Digitales Europa", InvestEU, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Europäischen Sozialfonds Plus.

Auch der Europäischen Arbeitsbehörde soll eine aktive Rolle zukommen, indem sie Beispiele für bewährte Verfahren sammeln und den regelmäßigen Austausch zwischen den nationalen Behörden erleichtern soll.

Nächste Schritte: Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Maßnahmen

Die Kommission bittet das Europäische Parlament und den Rat, den in der Mitteilung beschriebenen Ansatz zu unterstützen, und fordert die EU-Mitgliedstaaten und alle Interessenträgerinnen und -träger zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Maßnahmen auf. Die Kommission wird die Umsetzung der Mitteilung unterstützen und die Fortschritte bei jährlichen Treffen mit nationalen Vertreterinnen und Vertretern beobachten.

Die Digitalisierung der Koordinierung der sozialen Sicherheit ist auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen der gesetzgebenden Organe über die Überarbeitung der EU-Vorschriften für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit von großer Bedeutung. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, bald eine Einigung über die Modernisierung des Rechtsrahmens zu erzielen, und wird die beiden gesetzgebenden Organe weiterhin dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen.

Hintergrund: Recht auf EU-Freizügigkeit

Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten haben das Recht, in ein anderes EU-Land zu reisen, dort zu leben und zu arbeiten. Im Jahr 2021 lebten und/oder arbeiteten 16 Millionen Menschen aus der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)/der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und der Schweiz in einem anderen EU-Land, einem EWR/EFTA-Land oder der Schweiz. Die EU-Vorschriften (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und ihre Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009) sollen die Sozialversicherungsansprüche von Menschen, die innerhalb Europas mobil sind, beispielsweise in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Familienleistungen und Renten schützen und dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Ansprüche in der gesamten EU so schnell wie möglich geltend machen können.

Im Jahr 2021 besaßen rund 235 Millionen Menschen in Europa eine Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK), die es ihnen ermöglicht, sich medizinisch behandeln zu lassen, wenn sie im Ausland plötzlich erkranken. Außerdem wurden 6 Millionen Renten an Personen ausgezahlt, die in einem anderen Land leben. Darüber hinaus gingen bei den nationalen Verwaltungen 3,6 Millionen Anfragen zum Nachweis des Sozialversicherungsschutzes in Situationen mit grenzüberschreitendem Bezug ein.

Dank des elektronischen Austauschs von Informationen der sozialen Sicherheit (EESSI) haben die Sozialversicherungsträger in den Mitgliedstaaten seit 2019 16,5 Millionen Menschen, die in ein anderes EU-Land reisen, dort leben, studieren und/oder arbeiten, sicher und schnell abgewickelt. Monatlich werden 2,5 Millionen elektronische Nachrichten ausgetauscht.

Derzeit nehmen die Träger von 12 Mitgliedstaaten am ESSPASS-Pilotprojekt zur digitalen Ausstellung und Überprüfung von grenzüberschreitenden Anspruchsdokumenten wie dem so bezeichneten "portablen Dokument A1" und der Europäischen Krankenversicherungskarte teil.

Weitere Informationen