Grünes Licht des österreichischen Parlaments für Eigenmittelbeschluss – EU-Aufbauplan unterstützt wirtschaftliche Erholung nach Covid-19-Pandemie
Eigenmittelbeschluss als wichtiger Schritt in Richtung Umsetzung des EU-Aufbauplans – Österreich soll mindestens 3 Milliarden Euro erhalten und setzt Schwerpunkte vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Bildung und soziale Gerechtigkeit
Der sogenannte Eigenmittelbeschluss des Rates der EU hat am 19. Mai 2021 im österreichischen Nationalrat die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten. 143 von 171 abgegebenen Stimmen entfielen auf ein "Ja". Auch im österreichischen Bundesrat fand der EU-Eigenmittelbeschluss am 27. Mai 2021 die nötige Zustimmung.
Durch die Zustimmung zum Eigenmittelbeschluss ist der Weg frei für das insgesamt 750 Milliarden Euro schwere Aufbauinstrument "Next Generation EU" (NGEU), das die 27 EU-Mitgliedstaaten bei der Überwindung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie unterstützen soll. Denn der Eigenmittelbeschluss stellt nicht nur die Rechtsgrundlage für die Einnahmequellen des EU-Haushalts dar. Er enthält zudem eine rechtliche Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der EU in den Jahren 2021 bis 2026 Mittel auf den Kapitalmärkten aufzunehmen, die bis spätestens 2058 aus dem EU-Haushalt zu tilgen sind.
Der neue Eigenmittelbeschluss tritt rückwirkend ab 1. Jänner 2021 in Kraft, nachdem er von den Parlamenten aller Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.
Finanzminister Gernot Blümel betonte, dass Österreich sich "jeden Euro, der uns zusteht, abholen" werde. Es gehe beim Wiederaufbauinstrument um die Bewältigung der Corona-Krise und nicht um die Einrichtung einer permanenten Schuldenunion, unterstrich Blümel. Österreich als "kleine und offene Volkswirtschaft" würde zudem auch von den Investitionen in den Nachbarstaaten profitieren, so der Finanzminister. Auch Europaministerin Karoline Edtstadler zeigt sich überzeugt, dass der Eigenmittelbeschluss im Interesse der Bürger und Bürgerinnen sei. Denn um nachhaltig aus der Pandemie zu kommen und die Wirtschaft anzukurbeln, brauche es Solidarität und ein gemeinsames Vorgehen. Das alles stehe nicht im Widerspruch zu einem sparsamen Umgang mit Steuergeld. Für Edtstadler setzt Österreich im Rahmen des Wiederaufbauplans die richtigen Akzente.
EU-Eigenmittelbeschluss: Eigenmittel-Obergrenze für Finanzierung des EU-Haushalts steigt
Der Eigenmittelbeschluss des Rats der EU regelt die Bestimmungen über das System der Eigenmittel für die Periode des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021 bis 2027. Als Obergrenze der Eigenmittel, welche die Europäische Kommission in einem bestimmten Jahr von den Mitgliedstaaten als nationale Beiträge zur Finanzierung des EU-Haushalts abrufen kann, sind nun 1,40 Prozent statt bislang 1,20 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU vorgesehen. Damit wird sichergestellt, dass auch nach dem "Brexit" – und dem Ausscheiden eines wichtigen Nettozahlers aus der EU – ein ausreichend großer Spielraum für den jährlichen EU-Haushalt zur Verfügung steht. Der österreichische EU-Beitrag soll dadurch von durchschnittlich 2,9 Milliarden Euro auf durchschnittlich 3,8 Milliarden Euro ansteigen.
EU-Aufbau- und Resilienzfazilität: 672,5 Milliarden Euro für die wirtschaftliche Erholung
Die Aufbau- und Resilienzfazilität ist das Herzstück von "Next GenerationEU". In Summe stehen 672,5 Milliarden Euro für den wirtschaftlichen Wiederaufbau zur Verfügung. Bis zu 360 Milliarden Euro sollen für Darlehen und bis zu 312,5 Milliarden Euro für Zuschüsse an die Mitgliedstaaten verwendet werden. Die Unterstützung ist zeitlich befristet und an strikte Zielvorgaben des jeweiligen nationalen Aufbau- und Resilienzplans geknüpft.
Österreichs Aufbau- und Resilienzplan: 46 Prozent für Klimaschutz, 41 Prozent für Digitalisierung
Österreich hat am 30. April 2021 seinen nationalen Aufbau-und Resilienzplan (ARP) an die Europäische Kommission übermittelt. Darin werden Reform- und Investitionsvorhaben dargelegt, die zu einem nachhaltigen und inklusiven Wachstum beitragen. Entsprechend den Vorgaben der Europäischen Union sollen mindestens 37 Prozent der zustehenden Finanzmittel für die Erreichung der europäischen Klimaschutzziele verwendet werden; mindestens 20 Prozent für die digitale Transformation. Der österreichische Aufbau- und Resilienzplan geht deutlich über diese EU-Vorgaben hinaus und sieht 46 Prozent für Klimaschutzzwecke sowie 41 Prozent für Digitalisierungsmaßnahmen vor. Zudem berücksichtigt das Programm konsequent das sogenannte "Do no significant harm"-Prinzip, mit dem sichergestellt werden soll, dass keine der Maßnahmen der Verwirklichung der EU-Umweltzielen widerspricht.
In welchem Ausmaß Österreich finanziell von der Aufbau- und Resilienzfazilität profitiert, hängt von einem Aufteilungsschlüssel ab, der sich unter anderem an der Wirtschaftsentwicklung 2019 bis 2021 orientiert. Die endgültige Zuteilung wird erst im Juni 2022, auf Basis der dann vorliegenden Wirtschaftsdaten für die Jahre 2020 und 2021, festgelegt. Die österreichische Bundesregierung geht mit Stand 30. April 2021 von mindestens 3 Milliarden Euro aus.
Wirtschaftlicher Aufbau in Österreich soll möglichst nachhaltig, digital, wissensbasiert und gerecht erfolgen
Der österreichische Aufbau- und Resilienzplan sieht ein Gesamtvolumen von 4,5 Milliarden Euro für zukunftsorientierte Investitionen und Reformen in 4 Schwerpunkten (sogenannte "Komponenten") vor:
- Nachhaltiger Aufbau: Konkrete "grüne" Investitionen – eine Sanierungsoffensive, Maßnahmen gegen Energiearmut sowie Investitionen und Reformen zur schrittweisen Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs und zur Dekarbonisierung der Industrie – sollen in Österreich wichtige Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität 2040 darstellen. Zudem sollen die gesetzlichen Maßnahmen und Investitionen dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen, Abfälle zu vermeiden und die Biodiversität zu bewahren. Für "grüne" Investitionen sind in Summe rund 1,5 Milliarden Euro vorgesehen.
- Digitaler Aufbau: Die effektive digitale Anbindung ist ein Schlüsselelement für eine dynamische und flexible Wirtschaft, aber auch für umfassende gesellschaftliche Teilhabe. Daher erhält der Breitbandausbau – die flächendeckende Versorgung mit schneller Internetanbindung – im österreichischen ARP hohe Priorität. Eine Plattform zur Koordinierung aller Stakeholder wird eingerichtet und das novellierte Telekommunikationsgesetz wird den rechtlichen Rahmen für die Aktivitäten bilden. Digitalisierung soll aber auch in der öffentlichen Verwaltung und im Bildungsbereich "ankommen". An Schulen wird durch die Bereitstellung von digitalen Endgeräten die Basis für einen fairen und gleichen Zugang zu Bildung hergestellt. Weiters werden die Digitalisierung und ökologische Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gefördert. Insgesamt sind 1,8 Milliarden Euro an Investitionen geplant.
- Wissensbasierter Aufbau: Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung und damit zur ;Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen in Österreich einerseits dem Fachkräftemangel, andererseits aber auch der Arbeitslosigkeit entgegenwirken. An Schulen werden Kinder und Jugendliche von zusätzlichen Förderangeboten profitieren, um Pandemie-bedingte Lücken zu schließen. Forschung, Technologie und Innovation, insbesondere die strategische Entwicklung von Forschungsinfrastrukturen, sind eine wichtige Säule des wissensbasierten Aufbaus. Schwerpunkte sind etwa "Quantum Austria" (die Nutzung von Quantenwissenschaft für innovative Produkte und Services), der Bau des "Center for Precision Medicine" sowie die Beteiligung Österreichs an grenzüberschreitenden Innovationen, zum Beispiel im Rahmen der "Important Projects of Common European Interest" (IPCEI) in den Bereichen Mikroelektronik und Konnektivität sowie Wasserstoff. Insgesamt sieht der ARP rund 0,9 Milliarden Euro für diesen Bereich vor.
- Gerechter Aufbau: Im Hinblick auf die soziale Kohäsion und vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung sieht der österreichische ARP Maßnahmen in Höhe von rund 0,3 Milliarden Euro im Bereich des Gesundheitswesens, der Pflege, der resilienten Gemeinden und der Kinderbetreuung vor. Im Bereich der Gesundheit soll unter anderem durch den Ausbau der Primärversorgung und von "Community Nursing" (wohnortnahe Gesundheitsförderung, Betreuung und Prävention) das Gesundheitssystem gestärkt sowie eine Weiterentwicklung der Pflegevorsorge forciert werden. Mit den Mitteln des Aufbau-und Resilienzplans sollen zudem im Kunst- und Kulturbereich Schritte in Richtung Ökologisierung und Digitalisierung gesetzt und konkrete Sanierungsprojekte umgesetzt werden.
Weitere Informationen
- Nationalrat gibt grünes Licht für das EU-Wiederaufbauprogramm und den EU-Eigenmittelbeschluss, Parlamentskorrespondenz Nummer 593, 19. Mai 2021
- Bundesrat gibt grünes Licht für EU-Eigenmittelbeschluss, Parlamentskorrespondenz Nummer 631, 27. Mai 2021
- Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union, Nummer 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nummer L 424 vom 15. Dezember 2020 (Eigenmittelbeschluss 2021), Informationen auf der Website des österreichischen Parlaments
- Österreichischer Aufbau- und Resilienzplan 2020 bis 2026, Informationen auf der behördenübergreifenden Plattform oesterreich.gv.at
- Informationen zum Europäischen Aufbauplan, Website der Europäischen Kommission
- Infografik – Aufbau- und Resilienzfazilität, Website des Rates der Europäischen Union