"Fit for 55"-Paket – EU-Kommission geht Herausforderungen zum Klimaschutz an

EU-Kommission präsentiert Vorschläge zum Klimaschutz – Ziel: Europa soll bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent der Welt werden – Zukunft gehört der emissionsfreien Mobilität

Berlaymont Gebäude

Am 14. Juli 2021 hat die Europäische Kommission das "Fit for 55"-Paket präsentiert und 12 Vorschläge angenommen, um die Politik der EU in den Bereichen Klima, Energie, Landnutzung, Verkehr und Steuern so zu gestalten, dass die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden. Mit dem vorgelegten Plan kommt die EU-Kommission ihren Zielen – Europa als erster klimaneutraler Kontinent der Welt bis 2050 und die Verwirklichung des europäischen "Green Deals" – einen entscheidenden Schritt näher. Das "Fit for 55"-Paket beinhaltet die nötigen Rechtsinstrumente für die Verwirklichung der im Europäischen Klimagesetz vereinbarten Ziele und eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschaft und Gesellschaft, um eine gerechte, "grüne" und florierende Zukunft zu gewährleisten.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Wollen der nächsten Generation einen gesunden Planeten hinterlassen"

Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte bei der Präsentation: "Die Wirtschaft der fossilen Brennstoffe stößt an ihre Grenzen. Wir wollen der nächsten Generation sowohl einen gesunden Planeten hinterlassen als auch gute Arbeitsplätze und Wachstum, das unsere Natur nicht schädigt. Der europäische "Green Deal" ist unsere Wachstumsstrategie in Richtung dekarbonisierte Wirtschaft. Europa hat als erster Kontinent angekündigt, bis 2050 klimaneutral zu sein, und nun sind wir ebenfalls die Ersten, die einen konkreten Plan vorlegen. Europa lässt seinen Worten zur Klimapolitik Taten folgen durch Innovation, Investitionen und Sozialmaßnahmen."

Der für den europäischen "Green Deal" zuständige Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, ergänzte: "Dieses ist die alles entscheidende Dekade im Kampf gegen die Klima- und die Biodiversitätskrise. Die Europäische Union hat ehrgeizige Ziele gesteckt, und heute legen wir Vorschläge vor, wie wir sie erreichen können. Der Weg zu einer 'grünen' und gesunden Zukunft für alle erfordert erhebliche Anstrengungen in allen Sektoren und in allen EU-Mitgliedstaaten. Zusammen werden unsere Vorschläge Ansporn für die notwendigen Veränderungen sein, allen Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen so rasch wie möglich erschließen und die sozial schwächsten Haushalte unterstützen. Europas Übergang wird fair, grün und wettbewerbsfähig sein.

Europaministerin Karoline Edtstadler zeigte sich erfreut über die Maßnahmen der EU-Kommission: "Klimaschutz ist eine der großen Herausforderungen, die wir nur gemeinsam in der EU bewältigen können. Ich bin froh, dass es mit dem 'Fit for 55'-Paket einen ersten konkreten Vorschlag der EU-Kommission gibt, um die Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Das Paket ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung des 'Green Deals' und der ambitionierten EU-Klimaziele. Jetzt gilt es, die Vorschläge der EU-Kommission zu prüfen. Wichtig ist es, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen sicherzustellen und auf Innovationen zu setzen.

Mobilität, Energieeffizienz sowie nachhaltige Forst- und Landwirtschaft im Fokus

Im Rahmen des "Fit for 55"-Pakets sieht die EU-Kommission Einsparungen der Netto-Treibhausgasemissionen in den nächsten 10 Jahren durch folgende Maßnahmen vor:

  • Emissionshandel für neue Sektoren und strengere Auflagen im Rahmen des bestehenden Emissionshandelssystems der EU
  • Verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien
  • Mehr Energieeffizienz
  • Schnellere Einführung emissionsarmer Verkehrsträger und der entsprechenden Infrastruktur und Kraftstoffe
  • Angleichung der Steuerpolitik an die Ziele des europäischen "Green Deal"
  • Maßnahmen zur Prävention der Verlagerung von CO2-Emissionen
  • Instrumente zur Erhaltung und Vergrößerung natürlicher CO2-Senken

Die Maßnahmen des "Fit for 55"-Pakets im Detail

  • Durch das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS), mit dem CO2 in der EU bepreist wird, und der Senkung von Obergrenzen für die Emissionen in einzelnen Wirtschaftszweigen, konnten in den letzten 16 Jahren Emissionen aus der Stromerzeugung und in den energieintensiven Industriezweigen um 42,8 Prozent gesenkt werden. Die nun präsentierten Vorschläge sehen weitere jährliche Kürzungen der Obergrenzen für alle Emissionen vor. Die kostenlosen Emissionszertifikate für den Luftverkehr sollen schrittweise abgeschafft und mit dem internationalen System zur Reduzierung von CO2 in der Luftfahrt (CORISA) angeglichen werden. Des Weiteren sollen die Schifffahrtsemissionen erstmals in das EU-EHS mit einbezogen sowie ein separates neues Emissionshandelssystem im Straßenverkehr und Gebäudesektor eingeführt werden.
  • Die EU-Mitgliedstaaten sollen ihre gesamten Einnahmen aus dem Emissionshandel für klima- und energiebezogene Projekte bereitstellen und dadurch die Klimaausgaben des EU-Haushalts ergänzen. Um mögliche Auswirkungen auf benachteiligte Privathaushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmende abzufedern, soll ein bestimmter Teil der Einnahmen aus dem neuen Emissionshandelssystem für den Straßenverkehr und den Gebäudesektor bereitgestellt werden.
  • Mit der Lastenteilungsverordnung werden den EU-Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ausgangs- und Wirtschaftslagen, neue strengere Emissionsreduktionsziele für Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und kleine Unternehmen zugewiesen.
  • Die EU-Kommission hat in der Verordnung über Landnutzung, Forst- und Landwirtschaft ein EU-Gesamtziel für den CO2-Abbau im Umfang von 310 Millionen Tonnen CO2-Emissionen bis 2030 festgelegt. Zugewiesene nationale Zielvorgaben sollen sicherstellen, dass die EU-Mitgliedstaaten ihren Teil zum Gesamtziel beitragen und dadurch bis zum Jahr 2035 Klimaneutralität in den Sektoren Landnutzung, Forst- und Landwirtschaft erreicht wird. Hinzu sollen durch die so genannte EU-Waldstrategie Forstwirtschaftsbetriebe unterstützt werden, um den Schutz und Erhalt von Wäldern in der EU sicherzustellen. Die EU plant, bis 2030 3 Milliarden Bäume zu pflanzen, um die Nutzung von Biomasse und den Erhalt der biologischen Vielfalt zu gewährleisten.
  • In der Richtlinie über erneuerbare Energie legt die EU-Kommission fest, dass die Zielvorgabe für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen bis 2030 auf 40 Prozent erhöht wird. Um dieses Ziel zu erreichen werden spezifische Vorgaben für die Nutzung erneuerbarer Energien in den Sektoren Verkehr, Heizung und Kühlung, Gebäude und Industrie eingeführt.
  • Die neue Energieeffizienz-Richtlinie sieht ein verbindliches Jahresziel für die Senkung des Energieverbrauchs in der EU vor. Mit der Vorgabe sollen die nationalen Beiträge erhöht und Energieeinsparungsverpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten verdoppelt werden. Unter anderem soll der öffentliche Sektor jährlich 3 Prozent seines Gebäudestands renovieren und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen sowie den Energieverbrauch und die Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler senken.
  • Um dem CO2-Ausstoß im Straßenverkehr entgegenzuwirken, sollen alle zugelassenen Neuwagen ab 2035 emissionsfrei sein. Die Verordnung zu CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen (PKW) und leichte Nutzfahrzeuge soll den Übergang zur emissionsfreien Mobilität beschleunigen, da die durchschnittlichen jährlichen Emissionen neuer Fahrzeuge ab 2030 55 Prozent und ab 2035 100 Prozent niedriger sein müssen als im Jahr 2021. Hinzu soll die überarbeitete Verordnung über Infrastruktur für alternative Kraftstoffe ein verlässliches und EU-weites Netz an Tank- und Ladestationen für emissionsfreie Fahrzeuge sicherstellen. Dabei sollen die EU-Mitgliedstaaten den Ausbau der Lade- und Tankkapazitäten – alle 60 Kilometer Ladestationen für elektrische Fahrzeuge und alle 150 Kilometer Möglichkeiten zur Betankung mit Wasserstoff – vorantreiben.
  • Nach dem Vorschlag der EU-Kommission müssen in Zukunft Flugzeuge und Schiffe in großen Häfen, beziehungsweise Flughäfen, Zugang zu sauberem Strom haben. Dabei sollen, im Rahmen der Initiativen "ReFuelEU Aviation" und "FuelEU Maritime", nachhaltige Flugzeug- und Schiffskraftstoffe gefördert sowie eine Obergrenze für den Energieverbrauch von Schiffen, die europäische Häfen anlaufen, festgelegt werden.
  • Durch die überarbeitete Energiebesteuerungsrichtlinie sollen negative Auswirkungen des Energiesteuerwettbewerbs verringert werden; dies soll den EU-Mitgliedstaaten zu Einnahmen aus Ökostrom verhelfen. Auf diesem Weg könnten saubere Technologien gefördert und überholte Steuerbefreiungen sowie ermäßigte Steuersätze abgeschafft werden, die zurzeit die Nutzung fossiler Brennstoffe fördern.
  • Um einen weltweiten Emissionsrückgang zu fördern, sieht die EU-Kommission die Einführung von CO2-Preisen für den Import bestimmter Produkte vor. Dadurch wird einer Verlagerung von CO2-Emissionen entgegengewirkt. Drittstaaten sowie internationale Partner sollen dadurch motiviert werden, Schritte in dieselbe Richtung zu unternehmen.

Finanzierung durch neuen "Klima-Sozialfonds"

Die Kosten des "Fit for 55"-Pakets zur Bekämpfung und Anpassung an den Klimawandel sollen gerecht verteilt werden, da Privathaushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmende unter stärkeren finanziellen Druck geraten könnten. Mit der CO2-Bepreisung werden wiederum Einnahmen erzielt, die in Innovation, Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze refinanziert werden sollen. Durch den neuen "Klima-Sozialfonds" – finanziert durch den EU-Haushalt – erhalten die EU-Mitgliedstaaten eigene Mittel, die sie Bürgerinnen und Bürgern für Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz-und Kühlsysteme und saubere Mobilität zu Verfügung stellen können. Für den Zeitraum von 2025 bis 2032 sollen dadurch 72,2 Milliarden Euro plus Mittel in derselben Höhe von den EU-Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Dementsprechend könnte der Fonds Finanzmittel über 144,4 Milliarden Euro für einen sozialverträglichen und "grünen" Übergang mobilisieren. Österreich soll rund 644 Millionen Euro aus dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Klima-Sozialfonds erhalten. Bei der Berechnung der Gelder wurden laut EU-Kommission unter anderem die Faktoren Bruttonationaleinkommen (BNE), der Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung, die in ländlichen Gebieten lebt, sowie die CO2-Emissionen aus der Brennstoffverbrennung von Privathaushalten berücksichtigt.

Die EU-Kommission möchte mit dem "Fit for 55"-Paket die zentralen Herausforderungen des "grünen" Wandels angehen und durch ihre vorgeschlagenen Maßnahmen Vorteile und Chancen nutzen. Der geringere Energieverbrauch soll so EU-weit zu einem gesünderen Leben, neuen Arbeitsplätzen und Technologien, geringeren Kosten sowie einer nachhaltigeren Zukunft für künftige Generationen beitragen.

Hintergrund

Am 11. Dezember 2019 hat die Europäische Kommission den europäischen "Green Deal" vorgestellt, welcher das Ziel der Klimaneutralität Europas bis 2050 festlegt. Mit dem Europäischen Klimagesetz, das im Juli 2021 in Kraft getreten ist, hat sich die EU zur Reduzierung der Netto-Treibhausgasemission um mindestens 55 Prozent bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 verpflichtet. Dieses Ziel wurde als Beitrag der EU im Rahmen des "Übereinkommens von Paris" im Dezember 2020 dem Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) mitgeteilt.

Die am 14. Juli 2021 präsentierten Vorschläge im Rahmen des "Fit for 55"-Pakets beruhen auf einer ausführlichen Folgeabschätzung sowie bereits bewährten und geltenden EU-Rechtsvorschriften im Klima- und Energiebereich.

Um den "grünen" Wandel zu fördern, ist der Mehrjährige Finanzrahmen für 2021 bis 2027 und das Wiederaufbauprogramm "NextGenerationEU" – mit insgesamt fast 2 Billionen Euro – speziell auf Klimaschutzmaßnahmen zugeschnitten. Allein 37 Prozent der Aufbau- und Resilienzfazilität in Höhe von 723,8 Milliarden Euro werden als Teil von "NextGenerationEU" für den Klimaschutz bereitgestellt.

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