"European Chips Act": Europäisches Chip-Gesetz in Kraft getreten

Die 3 Säulen des europäischen Chip-Gesetzes sollen Versorgungssicherheit, Widerstandsfähigkeit und die technologische Führungsrolle der EU bei Halbleitertechnologien fördern – Ziel: Verdopplung des Weltmarktanteils der EU bis 2030 auf 20 Prozent

Ein Mikrochip vor einer Flagge der Europäischen Union

Nach der Annahme durch das Europäische Parlament im Juli 2023 ist das europäische Chip-Gesetz am 21. September 2023 in Kraft getreten. Mit dem umfassenden Maßnahmenpaket soll die Versorgungssicherheit, Resilienz und technologische Führungsrolle der EU im Bereich Halbleitertechnologien und -anwendungen gesichert werden. Vor diesem Hintergrund soll das europäische Chip-Gesetz die Fertigung in der EU stärken, das europäische Design-Ökosystem fördern sowie die Expansion und Innovation in der gesamten Wertschöpfungskette vorantreiben. Die Kommission strebt an, den gegenwärtigen globalen Marktanteil der EU in diesem Sektor bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln.

Vizepräsidentin Jourová: "Europa muss sich in diesem Wettlauf behaupten"

"Es gibt einen globalen Wettlauf um eine führende Rolle bei der Chip-Herstellung, und Europa muss sich in diesem Wettlauf behaupten. Wir verfügen in der EU über viel Talent und eine großartige Forschung, aber es gelingt uns nicht, diese Stärken auf die Produktion und die Einführung der Technologie zu übertragen. Mit dem Chip-Gesetz werden Investitionen und Forschungseinrichtungen unterstützt, damit Europa zu einem Innovationsmotor werden kann, der sich auf dem Weltmarkt behauptet", erklärte die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová.

Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar, Thierry Breton, ergänzte: "Mit dem heutigen Inkrafttreten des europäischen Chip-Gesetzes macht Europa einen entscheidenden Schritt auf dem Weg, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Investiert wird bereits, und nun kommen erhebliche öffentliche Mittel und ein solider Rechtsrahmen hinzu. Wir werden zu einem florierenden Industriestandort auf den Märkten der Zukunft, sodass wir in der Lage sein werden, uns und die Welt mit ausgereiften, hochmodernen Halbleitern zu versorgen. Halbleiter sind wesentliche Bausteine der Technik, die unsere Zukunft, unsere Wirtschaft und unsere Verteidigungsgrundlagen prägen wird."

Die 3 Säulen des europäischen Chip-Gesetzes

Das europäische Chip-Gesetz basiert auf 3 Säulen:

  1. Die erste Säule – die Initiative "Chips für Europa" – soll die technologische Führungsrolle Europas stärken, indem der Wissenstransfer vom Labor bis zur Fertigung erleichtert, die Lücke zwischen der Forschung und Innovation und der Anwendung in der Industrie überbrückt sowie die industrielle Einführung innovativer Technik durch europäische Unternehmen gefördert wird. Dabei soll die Initiative "Chips für Europa" vor allem über ein "Gemeinsames Unternehmen für Chips" – eine öffentlich-private Partnerschaft unter Beteiligung der Union, der EU-Mitgliedstaaten und des Privatsektors – durchgeführt werden. Die EU unterstützt die Initiative mit EU-Mitteln in Höhe von 3,3 Milliarden Euro, die voraussichtlich durch Mittel der Mitgliedstaaten ergänzt werden. Konkret werden mit diesen Investitionen Maßnahmen wie die Einrichtung fortschrittlicher Pilotproduktionslinien zur Beschleunigung von Innovation und Technologieentwicklung, die Entwicklung einer Cloud-basierten Designplattform, die Einrichtung von Kompetenzzentren, die Entwicklung von Quantenchips sowie die Schaffung eines Chips-Fonds zur Erleichterung des Zugangs zu Fremd- und Eigenkapital unterstützt.
  2. Mit der zweiten Säule des europäischen Chip-Gesetzes sollen Anreize für öffentliche und private Investitionen in Fertigungsanlagen für Chiphersteller und ihre Zulieferer geschaffen werden. Die zweite Säule soll dabei einen Rahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit setzen, indem sie Investitionen anzieht und die Produktionskapazitäten in der Halbleiterherstellung erhöht. Hierzu zählen unter anderem ein Rahmen für integrierte Produktionsanlagen und offene EU-Gießereien, welche zur Versorgungssicherheit und zu einem widerstandsfähigen Ökosystem im Interesse der EU beitragen sollen.
  3. Ein Koordinierungsmechanismus zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission bildet die dritte Säule, um die Zusammenarbeit mit und zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu verbessern, die Versorgung mit Halbleitern zu überwachen, die Nachfrage abzuschätzen, Engpässe vorherzusehen und erforderlichenfalls eine Krisenstufe zu aktivieren. In einem ersten Schritt wurde am 18. April 2023 ein Halbleiter-Warnsystem eingerichtet. Über dieses System können alle Interessenträger Störungen in der Halbleiter-Lieferkette melden.

Nächste Schritte

Ebenfalls am 21. September 2023 ist die Verordnung über das "Gemeinsame Unternehmen für Chips" in Kraft getreten, wodurch der wichtigste Teil der Initiative "Chips für Europa" anlaufen kann. Des Weiteren wird mit dem Inkrafttreten des europäischen Chip-Gesetzes auch der Chip-Fonds und das neu eingerichtete Europäische Halbleitergremium, das die wichtigste Plattform für die Abstimmung zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern sein wird, seine Tätigkeit aufnehmen.

Hintergrund: Halbleiter-Chips und das "European Chips Act" der EU

Halbleiter-Chips sind für eine breite Palette technologischer und digitaler Produkte wie Autos, Haushaltsgeräte und Elektronik von wesentlicher Bedeutung. Ein Mobiltelefon enthält beispielsweise rund 160 verschiedene Chips, Hybrid-Elektroautos bis zu 3.500. Mikrochips sind zudem entscheidend für Technologien, die den digitalen Wandel vorantreiben, wie künstliche Intelligenz (KI), Low-Power-Computing, 5G/6G-Kommunikation sowie das Internet der Dinge (IoT) und Edge-, Cloud- und High-Performance-Computing-Plattformen.

Aufgrund geostrategischer Probleme und Störungen der Lieferkette steht die europäische Industrie derzeit vor Herausforderungen bei der Versorgung mit Halbleitern. An der Lieferkette für die Produktion von Mikrochips sind Lieferanten aus Staaten weltweit beteiligt. Im Durchschnitt haben beinahe 80 Prozent der Zulieferer für europäische Unternehmen, die in der Halbleiterindustrie tätig sind, ihren Hauptsitz außerhalb der EU. Das macht die Lieferkette nicht nur sehr komplex, sondern auch angreifbar – besonders deutlich wurde dies nach dem Beginn der Covid-19-Pandemie, aber auch durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine oder aufgrund klimabedingter Veränderungen mit Auswirkungen auf Produktionsanlagen.

Erstmals wurde eine gemeinsame europäische Strategie für den Halbleitersektor von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2021 erwähnt. Im Februar 2022 veröffentlichte die Kommission zusammen mit dem Chip-Gesetz eine gezielte Befragung von Interessenträgern, um detaillierte Informationen über die Nachfrage nach Chips zu sammeln und um besser zu verstehen, wie sich die Chipknappheit auf die europäische Industrie auswirkt. Im Februar 2022 schlug die Kommission das europäische Chip-Gesetz vor. Im April 2023 erzielten das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten eine politische Einigung über das europäische Chip-Gesetz. Die angenommenen Maßnahmen sollen Europa dabei helfen, seine Ziele für die digitale Dekade 2030 zu erreichen, und ein "grüneres", inklusiveres und digitaleres Europa fördern.

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