Europäisches Parlament und Rat erzielen Einigung: Ab 2035 Neuzulassung nur mehr für emissionsfreie PKW und leichte Nutzfahrzeuge

Ab 2035 nur noch Zulassung für Neuwagen, die mit klimaneutralen Kraftstoffen (eFuels) betrieben werden – Einigung ist Teil eines der umfassendsten Pakete zur Reduzierung der Nettotreibhausgase im Rahmen des "Fit for 55"-Pakets – Emissionsreduktion soll wesentlich dazu beitragen, dass Europa bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent wird 

Verkehr auf einer Autobahn

Das Europäische Parlament und der Rat haben am 27. Oktober 2022 eine vorläufige politische Einigung erzielt, wonach alle in Europa zugelassenen neuen Personenkraftwagen (PKW) und leichte Nutzfahrzeuge bis zum Jahr 2035 emissionsfrei sein werden.

Im Vorfeld hatten sich die für Umwelt zuständigen Ministerinnen und Minister beziehungsweise Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der 27 EU-Mitgliedstaaten beim Rat "Umwelt" am 28. und 29. Juni 2022 in Luxemburg auf eine Reihe von allgemeinen Ausrichtungen und Maßnahmen geeinigt, die Teil des "Fit for 55"-Pakets sind: Das EU-Endenergieeffizienzziel soll deutlich angehoben werden und zum ersten Mal verbindlich sein: Das bereits verpflichtende Ziel für erneuerbare Energien wird von 32 Prozent auf 40 Prozent angehoben, mit ambitionierten Sektorzielen für Wärme, Verkehr, Gebäude und Industrie.

Ab 2035 emissionsfreie PKW und leichte Nutzfahrzeuge als bedeutender Schritt auf dem Weg hin zu einer klimafreundlicheren Mobilität

Eine der wichtigsten Maßnahmen im Rahmen der neuen Rechtsvorschriften: Ab 2035 neu zugelassene Fahrzeuge dürfen kein Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr ausstoßen. Denn die Flottengrenzwerte bei PKW und leichten Nutzfahrzeugen sollen bis 2035 auf Null sinken. Bis 2030 sollen die Ziele für die Verringerung der CO2-Emissionen bei neuen PKW auf 55 Prozent und bei leichten Nutzfahrzeugen auf 50 Prozent angehoben werden.

Damit soll der Übergang zu einer emissionsfreien und emissionsarmen Mobilität beschleunigt werden. Dies ist umso bedeutsamer, als PKW und leichte Nutzfahrzeuge rund 15 Prozent aller EU-Emissionen von CO2 (dem Haupttreibhausgas) verursachen. Die Maßnahmen sollen zu weniger Umweltverschmutzung, besserer Luftqualität und damit einer Steigerung von Gesundheit und Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger beitragen. Höhere Produktions- und Verkaufszahlen für emissionsfreie Fahrzeuge führen zudem zu erschwinglicheren Modellen und weniger Energieverbrauch. Die Automobilindustrie der EU – die einen Anteil von über 7 Prozent an der Wirtschaftsleistung sowie von 6,6 Prozent aller Arbeitsplätze in der EU hat – kann durch Innovation sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung neue, nachhaltige Technologien bereitstellen.

Durch die damit zusammenhängende Überarbeitung der Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (auf Englisch: Alternative Fuel Infrastructure Regulation, kurz: AFIR) soll gewährleistet werden, dass Fahrzeuge in allen EU-Mitgliedstaaten aufgeladen oder betankt werden können. Verbrennermotoren sollen künftig etwa mit sogenannten "eFuels" betankt werden: Diese synthetisch hergestellten Kraftstoffe sind dann klimaneutral, wenn dafür ausschließlich erneuerbare Energien eingesetzt werden. Sie sind dann genauso CO2-frei im Betrieb, wie wenn ein eAuto mit Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien fährt. Für vor 2035 erworbene Fahrzeuge mit Verbrennermotor soll Bestandschutz gelten: Damit können diese Fahrzeuge auch ab 2035 noch gefahren werden.

Kommissions-Vizepräsident Timmermans: "Europa nimmt den Übergang zu emissionsfreier Mobilität bereitwillig an"

Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, betonte: "Die Einigung sendet ein starkes Signal an die Industrie sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher: Europa nimmt den Übergang zu emissionsfreier Mobilität bereitwillig an. Die europäischen Automobilhersteller zeigen bereits jetzt, dass sie sich der Herausforderung stellen wollen, und bringen mehr und mehr zunehmend erschwinglichere Elektroautos auf den Markt. Die Geschwindigkeit, mit der sich dieser Wandel in den letzten Jahren vollzogen hat, ist bemerkenswert. Es ist nicht verwunderlich, dass dieses Dossier das erste des gesamten 'Fit für 55'-Pakets ist, zu dem sich die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament endgültig einigen konnten."

Details zu den allgemeinen Ausrichtungen des Rates zu Emissionsreduktionen

Der Rat betonte in diesem Zusammenhang, dass die festgelegten allgemeinen Ausrichtungen eine wesentliche Rolle dabei spielen würden, die Treibhausgasemissionen in den wichtigsten Wirtschaftssektoren zu senken, und gleichzeitig zum übergeordneten EU-Ziel beitragen würden, die Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken.

  • Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS):
    Das EU-EHS ist 2005 zur Umsetzung des internationalen Klimaschutzabkommens von Kyoto eingeführt worden. Neben den EU-27 haben sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein dem EU-Emissionshandel angeschlossen (EU 30). Das EU-EHS ist ein CO2-Markt, der auf festen Emissionsobergrenzen und dem Handel mit Emissionszertifikaten für energieintensive Industriezweige und den Stromerzeugungssektor beruht.
    • Bestehender Emissionshandel (ETS I): Der Rat ist am 28. Juni 2022 übereingekommen, das von der Kommission vorgeschlagene übergeordnete Ziel beizubehalten, die Emissionen in den Sektoren, die unter das EU-EHS fallen, im Vergleich zu 2005 bis 2030 um 61 Prozent zu senken (bisher 43 Prozent).

      Der Rat kam am 28. Juni 2022 zudem überein, die kostenlosen Emissionszertifikate für besonders im internationalen Wettbewerb stehende Industrien und den Luftverkehr bis 2027 schrittweise auslaufen zu lassen und den betreffenden Vorschlag an das globale System zur Verrechnung und Reduzierung von Kohlenstoffdioxid für die internationale Luftfahrt (Englisch: "Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation", CORSIA) anzugleichen. Das EU-EHS soll für innereuropäische Flüge (einschließlich des Vereinigten Königreichs Großbritannien und der Schweiz) gelten, während CORSIA für EU-Unternehmen gelten soll, wenn sie außereuropäische Flüge in Drittländer beziehungsweise aus Drittländern durchführen, die an CORSIA teilnehmen. Einnahmen aus kostenlosen Zertifikaten sollen dazu genutzt werden, höhere Kosten im Zusammenhang mit dem Kauf nachhaltiger Flugkraftstoffe zu kompensieren. Für die besonders im internationalen Wettbewerb stehenden Industrien war bereits im März 2022 beim Rat "Wirtschaft und Finanzen" (kurz ECOFIN) die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) beschlossen worden.

      Zusätzlich sollen die Emissionen aus dem Seeverkehr ab 2024 in den Anwendungsbereich des EU-EHS einbezogen werden. In der allgemeinen Ausrichtung sind bestimmte Anpassungen für kleine Inseln, die Winterschifffahrt und die öffentliche Schifffahrt sowie operative Maßnahmen gegen die Gefahr der Verlagerung von CO2-Emissionen in EU-nahen Umladehäfen vorgesehen. Damit deckt der ETS-1 dann fast die Hälfte aller europäischen Treibhausgasemissionen und die größten Quellen für klimaschädliche Treibhausgase ab: im Energiesektor, in der energieintensiven Industrie sowie im See- und Luftverkehr.
    • Neuer Emissionshandel (ETS II):
      Des Weiteren kam der Rat überein, ein neues, gesondertes Emissionshandelssystem für den Gebäude- und den Straßenverkehrssektor einzurichten. Das neue System soll für die Lieferanten von Brennstoffen für den Verbrauch in Gebäuden und im Straßenverkehr gelten. Dieses neue System sieht ab 2027 europaweit CO2-Emissionsrechte für Kraft- und Brennstoffe vor, um damit die wesentlich klimafreundlicheren erneuerbaren Energien besserzustellen. Die dabei erfassten Emissionen sollten bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zu 2005 reduziert werden. Die Menge der Emissionsrechte soll dabei jährlich um 5,15 Prozent und ab 2028 um 5,43 Prozent jährlich zurückgehen. Kostenlose Emissionsrechte sind nicht vorgesehen.
  • Klima-Sozialfonds zur Unterstützung von Verbraucherinnen und Verbrauchern:
    Der Rat kam überein, einen Klima-Sozialfonds einzurichten, um schutzbedürftige Haushalte, Kleinstunternehmen sowie Verkehrsnutzerinnen und -nutzer zu unterstützen, die von der Schaffung des neuen Emissionshandelssystems für Gebäude und den Straßenverkehr besonders betroffen sind. Demnach sollen die EU-Mitgliedstaaten der Kommission einen "Klima-Sozialplan" vorlegen, der eine Reihe von Maßnahmen und Investitionen zur Bewältigung der Auswirkungen der Bepreisung von CO2-Emissionen auf schutzbedürftige Verbraucherinnen und Verbraucher enthält. Die Mitgliedstaaten sollen aus dem Fonds finanzielle Unterstützung für die in ihren Plänen dargelegten Maßnahmen und Investitionen in effizientere Gebäude und emissionsärmere Mobilität erhalten. Vorübergehend soll es dem Fonds auch möglich sein, direkte Einkommensbeihilfen für Haushalte zu finanzieren. Der Fonds soll für den Zeitraum von 2027 bis 2032 eingerichtet werden und Teil des EU-Haushalts sein. Die Finanzierung erfolgt, geht es nach dem Rat, aus dem Verkauf von EHS-Quoten für den Gebäude- und den Straßenverkehrssektor bis zu einem Höchstbetrag von 59 Milliarden Euro.
  • Lastenteilungsverordnung:
    Für die nicht unter das EHS fallenden Sektoren – wie der inländische Seeverkehr, die Landwirtschaft, die Abfallwirtschaft und kleine Industrien – hat der Rat das Ziel vereinbart, per angepasster EU-Klimaschutzverordnung ("Effort-Sharing") die Treibhausgasemissionen auf EU-Ebene um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Der Gebäude- und der Straßenverkehrssektor würden sowohl unter das neue spezielle EHS als auch unter die Lastenteilungsverordnung fallen. Diese Sektoren zusammen verursachen derzeit rund 60 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU.
    Der Rat kam überein, die jedem EU-Mitgliedstaat zugewiesenen erhöhten nationalen Ziele, wie von der Kommission vorgeschlagen, beizubehalten. Neu ist ein Hinweis darauf, dass zum Erreichen dieser Ziele im Laufe der Zeit die Anstrengungen aller Mitgliedstaaten konvergieren müssten, wobei spezifische nationale Gegebenheiten berücksichtigt werden sollen.
  • Grenzausgleichsmechanismus (CBAM):
    Wie bereits im März 2022 beim Rat "Wirtschaft und Finanzen" (ECOFIN) beschlossen, soll ab dem Jahr 2023 mit einer Übergangsphase von 3nbsp;Jahren ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus eingeführt werden. Dieser "Carbon Border Adjustment Mechanism" (CBAM) soll das derzeit zentrale Instrument zum Schutz vor "Carbon Leakage", die kostenlose Zuteilung an Emissionszertifikaten, bis 2035 schrittweise ablösen. Durch den Mechanismus bekommen in Zukunft auch CO2-Emissionen bestimmter energieintensiver Produkte, die in die EU importiert wurden, einen Preis. Der Mechanismus schafft einen Ausgleich für europäische Unternehmen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, gegenüber Unternehmen aus anderen Wirtschaftsräumen. Zunächst soll der CBAM nur den Stromsektor und ausgewählte Güter aus den Industriesektoren Zement, Eisen und Stahl, Aluminium und Düngemittel umfassen.
  • Höheres Ziel für erneuerbare Energien und verbindliche Sektorziele:
    Bei der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (EED) wird das bisherige verbindliche 2030-Ziel von 32 Prozent auf 40 Prozent angehoben. Darüber hinaus wurden ambitionierte und verbindliche Sektorziele festgelegt, mit denen erneuerbare Energien europaweit in allen Sektoren vorangebracht werden. Es wird zudem ein europäischer Rahmen für den Hochlauf von grünem Wasserstoff gesetzt, insbesondere in der Industrie und auch im Verkehrsbereich.
    Insgesamt wird der Ausbau der erneuerbaren Energien vom Stromsektor stärker auf die anderen Sektoren ausgedehnt und die Sektorkopplung vorangebracht. Im Wärmesektor soll der Erneuerbaren-Anteil 0,8 bis 1,1 Prozentpunkten pro Jahr steigen. Im Verkehrsbereich erhöht sich das Ziel auf 29 Prozent Erneuerbare am Energieverbrauch bis 2030 mit Unterzielen für fortschrittliche Biokraftstoffe und erneuerbare Kraftstoffe. Dazu kommen das erstmals verbindliche Ziel für "grünen" Wasserstoff in der Industrie von 35 Prozent bis 2030 und im Gebäudebereich ein indikatives Ziel für erneuerbare Energien von 49 Prozent am Energieverbrauch auf EU-Ebene bis 2030.
  • Verbindliches EU-Energieeffizienzziel:
    Mit der Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (EED) wird erstmals ein EU-weit verbindliches Ziel für die Entwicklung der Energienachfrage definiert. Das bestehende EU-weite Einsparziel wird dabei nochmals deutlich angehoben: Gegenüber einer Prognose für die Verbrauchsentwicklung bis 2030 muss der Primär- und der Endenergieverbrauch in der EU um 9 Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus müssen die von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Energieeffizienzmaßnahmen eine deutlich höhere Einsparung erbringen als bislang geregelt. Unternehmen mit großem Energieverbrauch werden künftig zur Nutzung von Energiemanagementsystemen verpflichtet und ein neues Register für die Energieverbräuche von Rechenzentren eingeführt. Auch für die öffentliche Hand werden zusätzlich Maßnahmen eingeführt. Dazu kommt ein neuer Schwerpunkt auf Bekämpfung von "Energiearmut".
  • Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft:
    Der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) umfasst die Nutzung von Böden, Bäumen, Pflanzen, Biomasse und Holz. Der Rat kam überein, auf EU-Ebene ein Gesamtziel von 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent für den Nettoabbau von Treibhausgasen im LULUCF-Sektor bis 2030 festzulegen. Dies entspricht einem Abbau von rund 15 Prozent gegenüber dem Stand von 2022. Das Ziel soll in 2 Rechnungszeiträumen von 5 Jahren erreicht werden. Die aktuell geltenden Vorschriften, nach denen die Emissionen den Abbau nicht übersteigen, sollen von 2021 bis 2025 gelten. Für den Zeitraum von 2026 bis 2030 soll jeder Mitgliedstaat ein verbindliches nationales Ziel für 2030 haben. Darüber hinaus hat der Rat jedem Mitgliedstaat die Verpflichtung auferlegt, für den gesamten Zeitraum von 2026 bis 2030 (EU-Haushalt 2026-2030) eine Summe der Nettoemissionen und des Nettoabbaus von Treibhausgasen zu erreichen. Der Haushalt soll in einen Zielpfad mit indikativen jährlichen Zielen aufgegliedert werden.
  • Entwaldungsfreie Lieferketten:
    Der Rat "Umwelt" hat zudem seine gemeinsame Position zu einer Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten verabschiedet. Die neuen Regeln sollen künftig verhindern, dass Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja sowie daraus gewonnene Produkte auf den EU-Binnenmarkt kommen, sofern ihre Herstellung Entwaldung verursacht hat. Der Verordnungs-Vorschlag für entwaldungsfreie Lieferketten sieht Sorgfaltspflichten für Unternehmen vor, wonach diese die Entwaldungsfreiheit ihrer Lieferketten sicherstellen müssen. Gleichzeitig sind Kontrollpflichten für Mitgliedstaaten vorgesehen.

Die nächsten Schritte

Die am 28. Oktober 2022 erzielte vorläufige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat muss nun von den beiden Institutionen noch förmlich angenommen werden. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden die neuen Rechtsvorschriften über die Neuzulassung von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und in Kraft treten.

Hintergrund: "Fit for 55"-Paket

Das "Fit for 55"-Paket war am 14. Juli 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellt worden. Es soll dazu beitragen, das im Europäischen "Green Deal" verankerte Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Ausstoß von 1990 zu reduzieren und Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, tatsächlich zu erreichen. 

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