EU-Kommission veröffentlicht Bericht 2021 über die Rechtstaatlichkeit in der EU

Der diesjährige Bericht zeigt zahlreiche positive Entwicklungen in der EU auf, verweist aber auch auf Herausforderungen, etwa in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz oder die Situation des Mediensektors in der EU.

Symbolic - Justice

Am 20. Juli 2021 hat die EU-Kommission den zweiten EU-weiten Bericht über die Rechtstaatlichkeit veröffentlicht. Dieser informiert über die Gesamtlage in der EU und umfasst auch 27 Länderkapitel zur Situation in den Mitgliedstaaten. Der Bericht zeigt unterschiedliche Entwicklungen in der EU auf und unterstreicht die Bedeutung des Rechtsstaates gerade in Krisenzeiten wie der Covid-19-Pandemie.

EU-Kommissarin Věra Jourová sieht den Bericht über die Rechtstaatlichkeit als "nützliches präventives Instrument"

"Der Bericht über die Rechtstaatlichkeit ist ein nützliches präventives Instrument, das die notwendige Debatte zwischen den Mitgliedstaaten und anderen Akteuren angeregt hat. Dieser zweite Bericht zeigt, dass es den Mitgliedstaaten möglich ist, Fortschritte zu erzielen. Diese fielen allerdings uneinheitlich aus und in einer Reihe von Mitgliedstaaten gibt es Anlass zu ernster Besorgnis, insbesondere was die Unabhängigkeit der Justiz betrifft. Zudem wurden in den vergangenen Monaten 2 Journalisten ermordet. Das ist nicht hinnehmbar. In dem Bericht werden entschlossene Maßnahmen zum Schutz der Medienfreiheit und -vielfalt angemahnt. Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse des Berichts von 2021 im kommenden Jahr in die Gespräche zwischen den Mitgliedstaaten über die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit einfließen werden", erklärte die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová.

Ergänzend äußerte sich der für Justiz zuständige EU-Kommissar Didier Reynders, der in diesem Zusammenhang auch die auf den ersten Bericht zurückzuführenden positiven Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit hervorhob: "Darüber hinaus nutzte der Rat das Programm, um seinen Dialog über Rechtsstaatlichkeit mit regelmäßigen länderspezifischen Debatten zu modernisieren. Ich selbst habe den Bericht auch in 20 nationalen Parlamenten erörtert. In diesem Jahr haben wir unsere Bewertung weiter vertieft, die von einer noch größeren Reichweite profitierte als im vergangenen Jahr. Der Bericht kann auch dazu beitragen, dass wir als Union Seite an Seite ehrlich und offen miteinander das Gespräch führen. Dieser Bericht von 2021, der auf dem Bericht des vergangenen Jahres aufbaut, wird diesen Prozess fördern."

Analyse der 4 Schlüsselelemente der Rechtstaatlichkeit

Der Bericht über die Rechtstaatlichkeit beruht auf einem intensiven Dialog mit den nationalen Behörden und Interessenträgern und beleuchtet die Situation in allen Mitgliedstaaten. Die Bewertung durch die Kommission bezieht sich auf die wichtigsten Entwicklungen seit Annahme des ersten Berichts im September 2020.

Die Analyse geht auf folgende Themenbereiche ein:

  • Nationale Justizsysteme
  • Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung
  • Medienfreiheit und -pluralismus
  • Sonstige institutionelle Aspekte in Zusammenhang mit der Gewaltenteilung

Nationale Justizsysteme

Laut Bericht führen fast alle EU-Mitgliedstaaten Reformen im Justizsystem durch. Diese unterscheiden sich in Umfang, Form und Fortschritten. Einige dieser Reformen beziehen sich auf die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz (Ernennung von Richterinnen und Richtern, Unabhängigkeit und Autonomie der Staatsanwaltschaft). In anderen Staaten hingegen werden aus Sicht der Europäischen Kommission Schritte gesetzt, um Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz zu schwächen. Dies führt zu Bedenken betreffend den erhöhten Einfluss von Exekutive und Legislative auf die Justiz. Die Europäische Kommission verweist zudem auf politische Angriffe und wiederholte Versuche in einigen Mitgliedstaaten, die Autorität von Richterinnen und Richtern sowie Justizbehörden zu untergraben. Die Covid-19-Pandemie habe zu einem neuen Bewusstsein für die Dringlichkeit der Modernisierung der Justizsysteme geführt, vor allem in Bezug auf die Digitalisierung.

Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung

Der Bericht hebt hervor, dass die EU-Mitgliedstaaten weltweit führend im Bereich der Korruptionsbekämpfung sind: So befinden sich unter den 20 der als am wenigsten korrupt eingestuften Staaten der Welt 10 EU-Mitgliedstaaten. Mehrere Mitgliedstaaten verabschieden oder überarbeiten aktuell nationale Strategien oder Aktionspläne zur Korruptionsbekämpfung. Zahlreiche Mitgliedstaaten haben Maßnahmen ergriffen, um den Handlungsspielraum für die Korruptionsprävention und den Integritätsschutz zu verschärfen, etwa durch Vorschriften über Interessenkonflikte, Lobbytransparenz und "Drehtüreffekte". Weiterhin herausfordernd sind aus Sicht der Europäischen Kommission strafrechtliche Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen und die Anwendung von Sanktionen in einigen Mitgliedstaaten. Nicht immer stellen EU-Länder ausreichende Mittel und Ressourcen zur Korruptionsbekämpfung zur Verfügung. Zudem bestehen weiterhin in einzelnen EU-Staaten Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit von Ermittlungen und der Strafverfolgung bei Fällen von Korruption auf hoher Ebene. Die Covid-19-Pandemie hat Reformen und die Finalisierung von Korruptionsfällen in einigen Staaten erschwert beziehungsweise verlangsamt.

Medienfreiheit und -pluralismus

Die Europäische Kommission stellt Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Mediensektor fest: So waren Nachrichtenmedien in dieser Zeit eine entscheidende Informationsquelle für die Bürgerinnen und Bürger. Zugleich wurde aber die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten durch eine Reihe von Einschränkungen erschwert. Wirtschaftliche Herausforderungen aufgrund der Pandemie führten in einigen Mitgliedstaaten zu gezielten Unterstützungsprogrammen für Nachrichtenmedien. Diese müssen aus Sicht der Europäischen Kommission transparent und gerecht umgesetzt werden. Der "Überwachungsmonitor für Medienpluralismus" (englisch "Media Pluralism Monitor") weist für das Jahr 2021 eine allgemeine Verschlechterung der Lage von Journalistinnen und Journalisten in einigen EU-Staaten aus, etwa durch politische Einflussnahme auf Medien oder Medienaufsichtsbehörden.

Sonstige institutionelle Aspekte im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung

Die EU-Kommission betont, dass die Covid-19-Pandemie ein "Stresstest" für die Rechtstaatlichkeit gewesen ist: Unvorhersehbare rasche Änderungen und beschleunigte Verfahren waren besondere Herausforderungen für das Gesetzgebungsverfahren. Umso wichtiger waren die nationalen Kontrollen und Gegenkontrollen, etwa durch Parlamente, Gerichte, Bürgerbeauftragte und andere unabhängige Behörden. Einige Mitgliedstaaten haben seit 2020 Maßnahmen zur Verbesserung von Kontrollen und Garantien gesetzt, etwa zur Erhöhung der Transparenz der Rechtsetzung oder zur Verbesserung der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. In den meisten Mitgliedstaaten gibt es ein "günstiges Umfeld" für die Tätigkeit der Zivilgesellschaft. In anderen Ländern ist diese jedoch mit Drohungen seitens der Behörden, unzureichendem Schutz vor körperlichen oder verbalen Angriffen und mangelndem Schutz der Grundrechte konfrontiert. Zudem zeigt sich die Europäische Kommission aufgrund aktueller Entwicklungen besorgt in Hinblick auf den Respekt des Vorrangs des EU-Rechts, der eine wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit der EU-Rechtsordnung und die Gleichheit der EU-Mitgliedstaaten ist.

Hintergrund: Der jährliche Bericht über die Rechtstaatlichkeit in der EU

Die Veröffentlichung des Berichts über die Rechtstaatlichkeit und die vorbereitenden Arbeiten mit den Mitgliedstaaten erfolgen jährlich im Rahmen des so genannten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus. Dieser nimmt eine Sonderstellung ein und ergänzt weitere Mechanismen der Rechtsstaatlichkeit wie Vertragsverletzungsverfahren, das Verfahren zum Schutz der Grundwerte der Union nach Artikel 7 EU-Vertrag sowie die neue Konditionalitäten-Verordnung zum Schutz des EU-Haushaltes. Ziel des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ist es, das Verständnis und die Sensibilisierung für Fragen und wichtige Entwicklungen zu verbessern, Herausforderungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit frühzeitig zu erkennen und die Mitgliedstaaten, unter Mitwirkung der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten, bei der Suche nach Lösungen zu unterstützen sowie durch "Best Practice"-Beispiele voneinander zu lernen.

Auf Grundlage des Berichts ersucht die Europäische Kommission den Rat der EU und das Europäische Parlament, allgemeine und länderspezifische Diskussionen zu führen, und ruft die nationalen Parlamente sowie andere wichtige Akteure auf, die nationalen Debatten darüber zu vertiefen. Die Europäische Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, den in dem Bericht ermittelten Herausforderungen wirksam Rechnung zu tragen, und ist bereit, die Mitgliedstaaten bei diesen Bemühungen zu unterstützen.

Weitere Informationen