Leichter zugänglich, erschwinglicher und innovativer: Europäische Kommission schlägt Arzneimittelreform vor

Größte Reform des EU-Arzneimittelrechts seit über 20 Jahren – Im Fokus: Besserer Zugang zu hochwertigen und leistbaren Medikamenten, weniger Engpässe und eine sichere Verfügbarkeit von Arzneimitteln

Illustration von Arzneimitteln

Die Europäische Kommission hat am 26. April 2023 vorgeschlagen, das EU-Arzneimittelrecht zu überarbeiten. Mit der Reform soll der Rechtsrahmen dynamischer, flexibler und den Bedürfnissen der Bevölkerung sowie Unternehmen in der EU gerecht werden. Im Mittelpunkt der Reform steht eine verbesserte Versorgung und ein leichterer sowie erschwinglicherer Zugang zu Arzneimitteln. So sollen die Innovationstätigkeit unterstützt, die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der EU-Arzneimittelindustrie gesteigert und gleichzeitig höhere Umweltstandards gefördert werden. Des Weiteren schlägt die Kommission eine Empfehlung des Rates für eine intensivierte Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (Englisch: antimicrobial resistance, kurz: AMR) vor. Die Reform stellt die erste große Überarbeitung des Arzneimittelrechts seit 2004 dar; mit ihr soll das Arzneimittelrecht an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts angepasst werden.

Kommissions-Vizepräsident Schinas: "Europäische Gesundheitsunion als einer der greifbarsten Erfolge dieser Kommission"

Der für die "Förderung unserer europäischen Lebensweise" zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, erklärte: "Dieser Vorschlag ist eine einzigartige Gelegenheit zur Überarbeitung der Rechtsvorschriften, die für die Patientenschaft und die Stärkung und Entwicklung eines der wichtigsten Industriesektoren der EU von entscheidender Bedeutung sind. Unsere Vorschläge sollen das richtige Gleichgewicht zwischen der Förderung von Innovationen und der Gewährleistung des Zugangs der Patientinnen und Patienten zu erschwinglichen Arzneimitteln in der gesamten EU schaffen. Darin beherzigt sind auch die Lehren aus der Covid-19-Krise, was wieder einmal zeigt, dass sich die EU an die neuen globalen Gegebenheiten anpassen kann. Unsere Europäische Gesundheitsunion stellt sich als einer der greifbarsten Erfolge dieser Kommission heraus."

Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, ergänzte: "Mit unseren Vorschlägen soll sichergestellt werden, dass Arzneimittel die Patientinnen und Patienten in ganz Europa zeitnah und auf gerechte Weise erreichen. Es handelt sich um eine Reform, mit der gewährleistet wird, dass Europa für Unternehmen attraktiv und unsere Arzneimittelindustrie ein weltweiter Innovationsmotor bleibt. Die Schaffung eines Binnenmarktes für Arzneimittel ist sowohl für unsere Bürgerinnen und Bürger als auch für unsere Unternehmen eine Notwendigkeit."

Binnenmarkt für Medikamente soll die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt rücken

Nach Angaben der Kommission erreichen die in der EU zugelassenen Arzneimittel Patientinnen und Patienten nicht immer schnell genug und sind nicht in allen EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen zugänglich. So stellen hohe Preise für innovative Behandlungen und Engpässe bei Arzneimitteln eine große Herausforderung für die Patientinnen und Patienten sowie Gesundheitssysteme dar.

Mit der Reform möchte die EU unter anderem sicherstellen, dass sie weiterhin ein attraktiver Investitionsstandort und bei der Entwicklung von Arzneimitteln weltweit führend bleibt. Zu dem Reformpaket gehören Vorschläge für eine neue Richtlinie und eine neue Verordnung, mit denen die bestehenden Arzneimittelvorschriften, einschließlich der Rechtsvorschriften über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten, überarbeitet und ersetzt werden. Die Reform umfasst auch eine Empfehlung des Rates zu antimikrobiellen Resistenzen (AMR). Flankiert werden diese Legislativvorschläge und die Empfehlung des Rates von einer Mitteilung, in der die Gründe für die Änderungen erläutert werden.

Mit der Reform soll der gesamte Lebenszyklus von Arzneimitteln abgedeckt werden. Zu den zentralen Zielsetzungen zählen:

  • Schaffung eines Binnenmarktes für Arzneimittel, damit möglichst alle Patientinnen und Patienten in der gesamten EU gleichermaßen zeitnah Zugang zu sicheren, wirksamen und erschwinglichen Arzneimitteln erhalten, etwa durch ein Anreizsystem, das Unternehmen belohnt, wenn sie wichtige Zielsetzungen im Bereich öffentliche Gesundheit erfüllen;
  • Erhaltung attraktiver und innovationsfreundlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für Forschung, Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln in Europa;
  • Drastische Reduzierung des Verwaltungsaufwands durch beschleunigte Verfahren, so dass die Zulassungszeiten (aktuell betragen diese im Durchschnitt zwischen Antragstellung und Zulassung 400 Tage) deutlich verkürzt werden und Arzneimittel die Patientinnen und Patienten schneller erreichen – bei gleichzeitiger Beibehaltung höchster Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsstandards für die Zulassung;
  • Bessere Verfügbarkeit von Arzneimitteln und Sicherstellung der Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten, etwa durch neue Anforderungen an die Prävention und Überwachung von Arzneimittelengpässen (Erstellung einer EU-weiten Liste kritischer Arzneimittel) oder eine stärkere Koordinierungsrolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) – unabhängig davon, wo diese in der EU leben;
  • Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR) und des Vorkommens von Arzneimitteln in der Umwelt durch das Konzept "Eine Gesundheit";
  • Größere ökologische Nachhaltigkeit von Arzneimitteln.

Die nächsten Schritte

Die Legislativvorschläge der Kommission zum EU-Arzneimittelrecht werden nun an das Europäische Parlament und den Rat weitergeleitet.

Illustration von verschiedenen Arzneimitteln

Hintergrund: Reform des EU-Arzneimittelrechts

Ein EU-Arzneimittel-Ökosystem, das krisenfest und sowohl den gegenwärtigen Gegebenheiten als auch den künftigen Herausforderungen gewachsen ist, bildet eine der zentralen Säulen einer starken europäischen Gesundheitsunion. Ergänzt wird es durch andere wichtige Initiativen, darunter die Stärkung des EU-Rahmens für Gesundheitssicherheit durch die neuen Rechtsvorschriften über grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren und solidere Mandate für EU-Gesundheitsagenturen, den Aufbau der Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) sowie Europas Plan gegen den Krebs und den europäische Raum für Gesundheitsdaten.

Im November 2020 hatte die Kommission eine Arzneimittelstrategie für Europa vorgelegt, mit der ein zukunftssicheres, innovationsfreundliches und patientinnen- und patientenorientiertes pharmazeutisches Umfeld geschaffen werden sollte. Mit der Strategie war eine ambitionierte Überarbeitung der geltenden Arzneimittelvorschriften eingeleitet worden, die eine umfassende Antwort auf die aktuellen Herausforderungen im Arzneimittelsektor der EU darstellen soll.

Die pharmazeutische Industrie stellt eine Schlüsselbranche für die Wirtschaft der EU dar. Bei der Herstellung von Hightech-Arzneimitteln ist die EU klar weltweit führend: Die Ausfuhren stiegen von 50 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 235 Milliarden Euro im Jahr 2021, während die Einfuhren im selben Zeitraum von 32 Milliarden Euro auf 100 Milliarden Euro anwuchsen. Der Handelsüberschuss der EU bei Arzneimitteln und pharmazeutischen Produkten erreichte 2021 136 Milliarden Euro und damit den höchsten jemals verzeichneten Wert (Angaben: EU-Statistikbehörde Eurostat).

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