"Relance, puissance, appartenance" Frankreich übernimmt Vorsitz im Rat der EU von Slowenien

Französischer Ratsvorsitz möchte Akzente im Bereich der strategischen Souveränität der EU setzen – Neues Wachstumsmodell soll Innovation sowie Wettbewerbsfähigkeit fördern und im Einklang mit Klimaschutzzielen stehen – 400 Veranstaltungen in Frankreich geplant

Logo des Französischen EU-Ratsvorsitz 2022

Mit 1. Jänner 2022 hat Frankreich von Slowenien den Vorsitz im Rat der EU übernommen. Gemäß dem Motto "Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeit" (auf Französisch: "Relance, puissance, appartenance") möchte Frankreich – das den Ratsvorsitz bereits zum 13. Mal innehat – die nächsten 6 Monate nützen, um das Thema der strategischen Souveränität der EU in den Fokus zu rücken. So betonte der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, im Rahmen der Präsentation des französischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union am 9. Dezember 2021: "Gälte es, das Ziel dieser vom 1. Jänner bis zum 30. Juni 2022 währenden Präsidentschaft in einen einzigen Satz zu fassen, würde ich sagen, dass wir von einem Europa, das innerhalb seiner Grenzen zusammenarbeitet, zu einem Europa übergehen müssen, das in der Welt Stärke beweist, sich souverän zeigt, seine eigenen Entscheidungen trifft und sein eigenes Schicksal bestimmt."

Präsident von Frankreich Emmanuel Macron

Frankreichs Ratsvorsitz-Programm mit 3 Zielen

Der französische EU-Ratsvorsitz hat sich in seinem offiziellen Programm auf die folgenden 3 Ziele festgelegt:

  • Ein souveräneres Europa: Dieses Ziel soll unter anderem durch die Stärkung des Schengen-Raums, den Schutz der EU-Außengrenzen, die Steuerung der Migration und eine verbesserte Asylpolitik, unter Wahrung europäischer Werte und internationaler Verpflichtungen erfolgen. Zudem möchte die französische Ratspräsidentschaft ein stärkeres und handlungsfähiges Europa in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung, durch sein Handeln für den Wohlstand und die Stabilität seiner Nachbarschaft – insbesondere durch das Engagement im Westlichen Balkan und die Neugestaltung seiner Beziehungen zu Afrika – sowie durch den europäischen Beitrag zur Bewältigung globaler Herausforderungen gestalten.
  • Ein neues europäisches Wachstumsmodell: Die EU soll, so die Zielsetzung des französischen EU-Ratsvorsitzes, zu einem bedeutenden Kontinent für Produktion, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovation und technologische Spitzenleistungen werden. Die wirtschaftliche Entwicklung soll mit klimapolitischen Ambitionen vereinbar sein. Innovation und Wachstum im digitalen Bereich sollen unterstützt, gleichzeitig eigene europäische Regeln für die digitale Welt aufgestellt werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der EU sollen hochwertige, qualifizierte, gut bezahlte Arbeitsplätze geboten werden.
  • Ein menschliches Europa: Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die EU den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas Gehör schenkt, die Rechtstaatlichkeit verteidigt und europäischen Werten treu bleibt. Frankreich möchte im Rahmen des Ratsvorsitzes zudem ein "menschliches Europa" durch die Wertschätzung von Kunst und Kultur, Vertrauen in Wissenschaft, Bildung und Forschung erreichen. Die EU soll gegen Diskriminierung und für die Zukunft der Jugend eintreten.

Zu den legislativen Schwerpunkten während des französischen EU-Ratsvorsitzes zählen unter anderem die folgenden Vorhaben:

  • Im digitalen Bereich wird durch den Digital Services Act, kurz DSA, und den Digital Markets Act, kurz DMA, ein Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Regulierung und die Rechenschaftspflicht digitaler Plattformen, insbesondere in Bezug auf Hassreden, gelegt
  • Im Hinblick auf den ökologischen Wandel richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Schaffung eines CO2-Preises für importierte Produkte an den Außengrenzen der EU (CO2-Grenzausgleichsmechanismus, Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM)
  • Im Bereich Soziales plant der französische EU-Ratsvorsitz Fortschritte bei der europäischen Gesetzgebung über Mindestlöhne

Über 400 Veranstaltungen in Frankreich geplant – Logo und Motto sollen symbolisch ein dem Fortschritt zugewandtes Europa zum Ausdruck bringen

Neben den formellen Ratstagungen plant Frankreich – abhängig von der Covid-19-Situation – informelle Tagungen auf Ebene der Ministerinnen und Minister in unterschiedlichen Städten Frankreichs abzuhalten. Ein Sondergipfel der Staats- und Regierungsspitzen zum europäischen Wachstums- und Investitionsmodell soll am 10. und 11. März 2022 stattfinden; ein Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union ist am 17. und 18. Februar 2022 in Brüssel geplant. Insgesamt sollen in Frankreich von 1. Jänner bis 30. Juni 2022 im Rahmen des Ratsvorsitzes etwa 400 Veranstaltungen stattfinden, die sich durch ein umweltfreundliches Eventmanagement auszeichnen. Unvermeidbare klimaschädliche Emissionen sollen kompensiert werden, um eine klimaneutrale CO2-Bilanz zu erreichen.

Das Logo des französischen EU-Ratsvorsitzes soll ein dem Fortschritt zugewandtes Europa symbolisieren und basiert auf den Initialen der Europäischen Union, unterstrichen in Form von Buchstaben ("E" von Europa in Form eines Pfeils, der in die Zukunft weisen soll), Farben und Symbolen (Zusammenspiel der 3 Farben der französischen Flagge sowie der Sterne der Europäischen Union). Diesen aktuellen "europäischen Moment" möchte die französische EU-Ratspräsidentschaft auch durch ihr Motto zum Ausdruck bringen: "Relance, puissance, appartenance" steht demzufolge für

  • Aufschwung – damit der "grüne" und digitale Wandel in der EU gelingen möge
  • Stärke – um europäische Werte und Interessen zu verteidigen und zu fördern
  • Zugehörigkeit – um Kultur, Werte und Geschichte durch eine gemeinsame europäische Vision gestalten und weiterentwickeln zu können
Eiffelturm in Paris
Der Eiffelturm in Paris erstrahlt zu Beginn der französischen EU-Ratspräsidentschaft in den Farben der EU-Flagge. Foto Bahi

Enge Zusammenarbeit der neuen "Trio-Präsidentschaft" aus Frankreich, Tschechien und Schweden

Frankreich bildet gemeinsam mit der Tschechischen Republik (Ratsvorsitz: zweites Halbjahr 2022) und Schweden (Ratsvorsitz: erstes Halbjahr 2023) eine "Trio-Präsidentschaft". Die 3 Staaten haben ein "Achtzehnmonatsprogramm" mit gemeinsamen Schwerpunkten für den Zeitraum von 1. Jänner 2022 bis 30. Juni 2023 festgelegt:

  • Schutz der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Grundfreiheiten, wobei ein besonderer Fokus auf der Achtung und dem Schutz der europäischen Werte – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichstellung der Geschlechter – sowie auf der Stärkung des Schengen-Raums und der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik liegen soll
  • Förderung eines neuen europäischen Wachstums- und Investitionsmodells, das sich auf ein umweltverträgliches und nachhaltiges Wachstum sowie auf die Stärkung der industriellen und digitalen Souveränität Europas stützt
  • Aufbau eines ökologischeren, sozial gerechteren Europas, welches die Gesundheit der Europäerinnen und Europäer besser schützt
  • Ein global ausgerichtetes Europa, das eine international führende Rolle einnimmt, den Multilateralismus fördert, neue Beziehungen mit seinen Partnern eingeht und gleichzeitig eine den 27 EU-Mitgliedstaaten gemeinsame Sichtweise in Hinblick auf strategische Bedrohungen vertritt

Darüber hinaus ruft das Programm der Trio-Präsidentschaft auch das Engagement der Europäischen Union bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen in Erinnerung.

Das Programm der Trio-Ratspräsidentschaft war vom Rat "Allgemeine Angelegenheiten" am 14. Dezember 2021 genehmigt worden.

Hintergrund: Der Vorsitz im Rat der EU und Frankreich als EU-Mitgliedstaat

Der Vorsitz im Rat der EU rotiert im Turnusprinzip zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten. Alle 6 Monate findet ein Wechsel der Ratspräsidentschaft zwischen den EU-Mitgliedsländern gemäß einer festgelegten Reihenfolge – die bereits bis zum Jahr 2030 definiert ist – statt. Der Vorsitz leitet die Sitzungen und Tagungen der verschiedenen Ratsformationen (mit Ausnahme des Rates "Auswärtige Angelegenheiten") sowie der Vorbereitungsgremien des Rates und trägt damit Sorge für die Kontinuität der Arbeit der EU. Zudem vertritt der Vorsitz den Rat gegenüber den anderen EU-Organen (insbesondere gegenüber Kommission und Europäischem Parlament).

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde im Jahr 2009 der "Dreiervorsitz" eingeführt, bei dessen Rahmen jene Mitgliedstaaten, welche den Vorsitz des Rates in 18 Monaten innehaben, in Dreiergruppen zusammenarbeiten, Ziele formulieren und ein gemeinsames Programm erarbeiten. Frankreich befindet sich mit Tschechien und Schweden in einem "Dreiervorsitz" und hat – neben dem eigenen Programm für das erste Halbjahr 2022 – gemeinsam mit diesen Staaten ein "Achtzehnmonatsprogramm" mit grundlegenden Schwerpunkten für den Zeitraum von 1. Jänner 2022 bis 30. Juni 2023 vorgelegt.

Frankreich zählt zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Union und ist eng mit dessen Integrationsgeschichte verwoben: Im Jahr 1952 hatte es gemeinsam mit Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Italien die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in Paris ins Leben gerufen und damit den Grundstein für die heutige EU gelegt. Frankreich – das flächenmäßig größte Land in der EU –stellt mit Straßburg – neben Brüssel und Luxemburg – einen der 3 offiziellen Sitze der europäischen Institutionen und beherbergt den Sitz des Europäischen Parlaments, an dem die Plenartagungen stattfinden.

Weitere Informationen