Frauenministerin Raab: Gewaltschutznetz niederschwellig zugängig machen, um Frauen zu helfen

Studienpräsentation "Gewaltschutz in Österreich – Tötungsdelikte an Frauen"

"Die heutige Präsentation hat durch den gestrigen tragischen Fall wieder einmal mehr an höchster Brisanz gewonnen. Es war der 15. Mord an einer Frau in diesem Jahr in Österreich. Aber hinter den Zahlen steckt immer ein Opfer, eine Frau, die Kinder zurücklässt. Deshalb ist natürlich jedes Opfer ein Opfer zu viel", sagte Frauenministerin Susanne Raab heute anlässlich des Pressegespräches "Gewaltschutz in Österreich – Tötungsdelikte an Frauen". Viktoria Eberhardt und Brigitte Temel vom Institut für Konfliktforschung präsentierten ihre gleichnamige wissenschaftliche Untersuchung in Anwesenheit von Innenminister Gerhard Karner, Justizministerin Alma Zadić und der Vorsitzenden des Dachverbands der Gewaltschutzzentren Österreichs, Marina Sorgo.

"Risikofaktoren genau angesehen"

Von politischer Seite sei es wichtig, sich die Risikofaktoren genau anzusehen. "Für mich ist es relevant, dass die Morde nicht monokausal erklärbar sind, sondern dass viele Risikofaktoren zusammenkommen, die am Ende zu dieser Gewalteskalation, nämlich zum Frauenmord, führen. Die Studie zeigt, dass bei rund 90 Prozent der Täter Hinweise auf eine mögliche Hochrisikosituation wie eben psychische Erkrankung, Gewalt, einschneidende biographische Erfahrungen oder ein sehr starkes patriarchales Denkmuster gefunden wurden. Es geht um Hochrisikoindikatoren wie gesundheitliche Probleme, psychische Krankheiten und Suchtkrankheiten, die eine ganz zentrale Rolle spielen und Tatmotive sind", so die Ministerin.

Überrepräsentanz von Tätern mit Migrationshintergrund

Aus den vorliegenden Studienergebnissen habe die Bundesregierung 3 zentrale Erkenntnisse abgeleitet. Diese betreffen das Beziehungsverhalten zwischen Opfer und Täter, die Risikofaktoren und das Täterprofil. Insbesondere das Beziehungs- und Bekanntschaftsverhältnis zwischen Opfern und Täter ist von großer Relevanz, denn mehr als 80 Prozent der Frauenmorde erfolgten durch den Partner, Ex-Partner oder durch Familienangehörige. Die Studie zeige mit einem Anteil von 40 Prozent außerdem eine Überrepräsentanz von Tätern mit Migrationshintergrund. Im Vergleich zum Anteil an der Gesamtbevölkerung seien Menschen mit Migrationshintergrund somit "absolut überrepräsentiert", so Raab. Man müsse daher im Integrationsbereich verstärkt daran arbeiten, patriarchalische Denkmuster, die aus anderen Ländern nach Österreich getragen würden, aufzubrechen. Hier wurden bereits zahlreiche spezifische Maßnahmen mit Schwerpunkt gegen patriarchale und ehrkulturelle Gewalt sowie weiblicher Genitalverstümmelung gesetzt, zum Beispiel eine Anlaufstelle gegen Zwangsehe, die neue Koordinierungsstelle zu weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) oder Präventions-Workshops, die sich an Burschen und junge Männer aus ehrkulturellen Milieus richten.

Hoher Anteil an Partnerschaftsmorden

"Mehr als die Hälfte der Frauenmorde waren Partnerschaftsmorde. Für mich ist es bedenklich, dass im Untersuchungszeitraum nur 4 der 74 Opfer von Partnerschaftsmorden vor der Gewalttat die Unterstützung einer Opferschutzeinrichtung in Anspruch genommen haben" , so Frauenministerin Raab, die auf das gut ausgebaute Gewaltschutznetz in Österreich verwies. Dieses könne aber nur dann wirksam werden, wenn es auch in Anspruch genommen werde. "Es ist daher für uns alle ein Auftrag, dass wir die Frauen darüber informieren, wo sie in einer schwierigen Situation am besten Hilfe bekommen", so Raab.

Gewaltschutz oberste Prämissen unserer Zusammenarbeit

Der Kampf gegen Gewalt an Frauen sei mehr denn je eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alleine aus dem Frauenministerium könne ein solcher Kampf nicht geführt werden. Aus diesem Grund würden die zuständigen Ministerien sehr eng zusammenarbeiten, denn der Gewaltschutz stehe ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung. "In den letzten Jahren konnten wir viel erreichen. Als ich Frauenministerin wurde, habe ich eine chronische Unterfinanzierung der Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie der Gewaltschutzzentren vorgefunden. In den Bundesländern hatten wir kaum Fallkonferenzen, bei denen sich die beteiligten Partner im Bereich der Gewalt, also der Schutzeinrichtungen, der Polizei, aber auch der Justiz oder der Bildung, zusammensetzen, um individuelle Fälle zu besprechen und womöglich Hochrisikofälle zu identifizieren. Durch unsere Bemühungen ist es gelungen, dass wir in Österreich mittlerweile auf ein sehr viel besseres Netz zurückgreifen können. Wir haben das Frauenbudget mehr als verdoppelt. Der Großteil des Budgets aus dem Frauenressort, nämlich 24,6 Millionen Euro, setzen wir für den Gewaltschutz ein", so Raab.

Damit seien auch die Gewaltschutzzentren ausfinanziert. Auch das Budget der Beratungsstellen für Frauen und Mädchen sei um ein Drittel erhöht worden. "Man kann sagen, dass die Anzahl der Frauen, die sich beraten lassen, gestiegen ist, weil es nun ein sehr viel größeres Bewusstsein dafür gibt, was Gewalt ist und weil Frauen sehr viel häufiger auch ein Hilfsangebot in Anspruch nehmen, was gut ist", so die Ministerin.

Nächster Schritt: Einrichtung von Gewaltambulanzen

Jede Frau solle wissen, dass sie niemals selbst schuld sei, wenn sie Opfer von Gewalt werde. Es gäbe kein rechtfertigendes Verhalten für Gewalt. Dafür gibt es Zufluchtsorte, die Unterstützung und Hilfe anbieten. "Dort finden Frauen und Mädchen großartige Beraterinnen, die sie anonymisiert und niederschwellig unterstützen", so Raab. In einem nächsten Schritt wolle man sich dem Thema Gewaltambulanzen widmen. "Die Justizministerin und ich sowie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fachressorts arbeiten ganz intensiv daran, wie ein Konzept für Gewaltambulanzen in Österreich aussehen wird. Das ist wichtig, damit wir am Ende des Tages auch die Täter verurteilen können. Denn es handelt sich nicht um ein Kavaliersdelikt. Innerhalb von nur wenigen Jahren konnte die Anzahl der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen im Bereich Gewalt in der Privatsphäre vervierfacht werden. 2021 lag die Anzahl dieser Konferenzen, die in den Bundesländern abgehalten werden, bei 57. Im Jahr 2022 haben 209 sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen stattgefunden", sagte die Frauenministerin.

Schutz- und Übergangswohnungen: 180 zusätzliche Plätze

Man habe aber auch feststellen müssen, dass viele Frauen, die den Schritt in ein Frauenhaus und damit den ersten Schritt hinaus aus der Gewaltspirale wagen, anschließend wieder zum Partner zurückkehren. Durch die Kränkung des Partners sei allerdings für die Frauen eine höchst gefährliche Situation entstanden, wodurch sich die Gefährdungssituation insgesamt erhöht hätte. Die Ministerin äußerte dazu klare Vorstellungen: "Ich will, dass Frauen sich dauerhaft aus dieser Gewaltsituation befreien und Selbstständigkeit erlangen. Deshalb sind diese Schutz- und Übergangswohnungen so wichtig, in die ich jetzt investiere. Als Bund stellen wir den Bundesländern 12 Millionen Euro zur Verfügung, um neue Schutz- und Übergangswohnungen zu schaffen. Dadurch werden 180 zusätzliche Plätze geschaffen, damit Frauen nach dem Aufenthalt in einem Frauenhaus Schutz finden und wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden", so Raab. Vordergründig sei es jedoch wichtig, das gute Gewaltschutznetz, das in den letzten Jahren aufgebaut wurde, mehr und niederschwellig zugängig zu machen. "Das wird ein Schlüssel sein, um den Frauen aus der Gewaltspirale zu helfen", so die Ministerin abschließend.

Bilder von der Veranstaltung sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.