Edtstadler zur Zukunftskonferenz: Europa muss der "Kontinent der Chancen" sein

Präsentation des Aktivitätenberichts zur "Konferenz zur Zukunft Europas"

Europaministerin Karoline Edtstadler hat am 9. Mai, dem Europatag, anlässlich des offiziellen Abschlusses der "Konferenz zur Zukunft Europas" den Aktivitätenbericht (2020-2022) zur EU-Zukunftskonferenz in Österreich präsentiert.

"Seit dem Jahr 1986 begehen wir am 9. Mai den Europatag zur Erinnerung an die Schuman-Erklärung von 1950. Der französische Außenminister Robert Schuman schlug damals die Gründung einer Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor, um Krieg nicht nur zu verhindern, sondern ihn unmöglich zu machen, mangels des Zugriffs einzelner Staaten auf diese Rohstoffe. Das war der Grundstein der Europäischen Union. Sie hat uns in den letzten Jahren Freiheit, Frieden und Wohlstand gebracht", sagte Europaministerin Karoline Edtstadler in ihrer Ansprache im Bundeskanzleramt.

Nach den pandemiebedingten Einschränkungen in den letzten 2 Jahren und zahlreichen digitalen und hybriden Veranstaltungen zur Zukunftskonferenz, könne man nun endlich wieder "Hand in Hand" an der Gestaltung der Zukunft arbeiten. "Aber wer hätte sich im letzten Jahr gedacht, dass wir 2022 wieder Krieg auf europäischem Boden erleben müssen? Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die viel zitierte Zeitenwende eingeleitet. Österreich unterstützt hier in vielfältiger Art und Weise und die Hilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher ist großartig", betonte Edtstadler. Bundeskanzler Karl Nehammer setze zudem europaweit Impulse, spreche mit den Parteien und versuche, zu Lösungen beizutragen, etwa zur Einrichtung humanitärer Korridore, zur Erreichung eines Waffenstillstands und letztlich zu "unserem Ziel, der Wiederherstellung des Friedens".

Weiterentwicklung der EU ist Bürgerinnen und Bürgern in Österreich ein Anliegen

Bereits vor der Pandemie und dem Krieg sei die Zukunftskonferenz angekündigt worden, so die Bundesministerin. "Unter Einbindung der Bürgerinnen und Bürger aller EU-Mitgliedstaaten sollte über eine verbesserte Europäische Union diskutiert werden. In einem breit angelegten Diskussionsprozess sollten Lösungen für europäische Herausforderungen aufgezeigt und Antworten auf wichtige Fragen gefunden werden." Österreich habe sich bei der EU-Zukunftskonferenz besonders engagiert und zähle zu den aktivsten Mitgliedern. Im Schnitt habe es im letzten Jahr jeden zweiten Tag eine Aktivität im Rahmen der Zukunftskonferenz gegeben. Die Weiterentwicklung der EU sei den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich ein Anliegen, das zeige die Vielzahl an Aktivitäten, sagte Karoline Edtstadler, die im Rahmen der Veranstaltung "nicht ganz ohne Stolz" den Aktivitätenbericht zur "Konferenz zur Zukunft Europas" präsentierte.

EU muss umgehend Reformen einleiten

Dennoch müsse man sich eingestehen, dass die Zukunftskonferenz auf europäischer Ebene "leider nicht wie verhofft verlaufen ist". Zu viel Zeit sei für prozedurale Fragen aufgewendet worden, zu wenig sei diskutiert worden. "Wir müssen über Lösungen für die entscheidenden und akuten Probleme sprechen. Unser Fortschritt und das europäische Lebensmodell sind gefährdet", hielt die Ministerin mit Blick auf den Angriffskrieg auf die Ukraine, das aufstrebende China, wirtschaftliche Abhängigkeiten und die steigende Anzahl an Autokratien fest. Man müsse sich wohl darauf einstellen, dass Europa langfristig mit Konflikten konfrontiert sein werde. Die Inflation steige, Lieferketten seien unterbrochen worden, das sei bereits während der Pandemie sichtbar geworden.

"Die österreichische Bundesregierung versucht hier gegenzusteuern. Aber wir brauchen europäische Reaktionen auf diese Veränderungen. Wir brauchen den Zusammenhalt, denn der ist unsere Stärke. Unsere Gemeinschaft ist das, was uns in der Welt stark macht", bekräftigte die Europaministerin. Die EU müsse umgehend wesentliche Reformen einleiten. Den Anstoß dazu würden die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Zukunftskonferenz beteiligt haben, geben. "Die Ideen und Lösungsansätze aus der Zivilgesellschaft und aus der Wirtschaft geben die Richtung dafür vor, in die sich die Europäische Union entwickeln muss."

Grundlagen schaffen, um den "European Way of Life" aufzubauen

Die Europaministerin griff 3 Ideen heraus, die ihr richtungsweisend erscheinen: Das Voranstellen geopolitischer Interessen Europas, die Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht Europas und die nachhaltige Stärkung im Inneren Europas.

Hinsichtlich der geopolitischen Interessen, die Edtstadler mit "Europe first" umriss, verwies die Ministerin in erster Linie auf die Nachbarländer, die europäische Werte teilen. Als Beispiele nannte sie die Westbalkanstaaten, die Stabilität benötigen und nicht dem Einflussbereich Russlands oder Chinas überlassen werden dürften. Aber auch rasche Lösungen für die Vertiefung der Beziehungen zur Schweiz und zu Großbritannien müssten gefunden werden.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe auch gezeigt, dass es einen raschen Ausbau der Kapazitäten der europäischen Verteidigung brauche. "Der strategische Kompass, der Aktionsplan der EU zur effektiven Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein guter Wegweiser". Wesentlich sei auch ein funktionierender Außengrenzschutz, der die illegale Migration eindämmen würde, denn "Asyl gibt es in Europa für diejenigen, die einen Asylgrund haben". Weites müsse die Abhängigkeit von Rohstoffen reduziert werden: von der Energie bis zu seltenen Erden. Das Ziel sei der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Erleichterung nachhaltiger Rohstoffgewinnung.

Potenziale unseres Wirtschaftsraums voll ausschöpfen

Eine "Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht Europas" sei ein weiterer wesentlicher Faktor für die künftige Entwicklung der EU, betonte Edtstadler: "Die Europäische Union war der größte Binnenmarkt der Welt, wird heute allerdings wirtschaftlich von China und den USA abgehängt. Wir müssen die Trendumkehr schaffen, die Potenziale unseres Wirtschaftsraums wieder voll ausschöpfen und den Binnenmarkt vollenden. Unser Anspruch muss es sein, Weltmeister der Innovation, Champion der Wertschöpfung und Vorreiter höchster Lebensqualität zu sein." Aktuell sei die EU dagegen ein "Weltmeister bei der Regulierung, teilweise der Überregulierung". Europa müsse aber ein "Kontinent der Chancen" sein, sei es im Bereich Klimawandel, im digitalen Raum oder bei neuen Technologien.

Die EU müsse sich "an den Chancen und nicht an den Risiken orientieren". Dafür sei es notwendig, die noch bestehenden Barrieren im Binnenmarkt abzubauen und eine "Harmonisierung in allen Sektoren entschieden voranzutreiben". Die Europaministerin sprach sich zudem für eine Stärkung des Kapitalmarkts durch die Verwirklichung einer europäischen Kapitalmarktunion aus. Die Union solle auch nicht davor zurückschrecken, das Wettbewerbsrecht zu reformieren, "damit endlich mehr europäische Champions entstehen können". Ein wichtiges Ziel bleibe zudem, "die beste digitale Infrastruktur der Welt aufzubauen". Der Forschungs- und Innovationsstandort Europa müsse durch eine "deutliche Erhöhung" der Finanzmittel und einen "harten internationalen Patentschutz" gestärkt werden. "Innovationsförderung statt Innovationshemmung" sei gefordert, fasste die Ministerin zusammen. Dies gelte gerade auch für den Bereich der Regulierung.

In den Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern sei auch häufig auf das Problem des Fachkräftemangels hingewiesen worden. "Um die Potenziale unseres Binnenmarktes voll ausschöpfen zu können, müssen wir die Einwanderungsmöglichkeiten für Fachkräfte deutlich erleichtern." Während die illegale Migration nicht ausreichend eingedämmt würde, werde die legale Migration erschwert und hemme die Zuwanderung benötigter, hochqualifizierter Arbeitskräfte in die EU. Die Ministerin wünschte sich zudem einen "noch flexibleren, europäischen Arbeitsmarkt". Letztlich müsse auch darauf geachtet werden, "dass es uns auch volkswirtschaftlich gut geht. Das heißt, wir müssen möglichst rasch zu den Maastricht-Kriterien zurückkehren". Gefordert sei hier auch die Europäische Zentralbank und ihre Zinspolitik.

Starke Institutionen für eine weiterhin geeinte Union

Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen und Bedrohungen sei es besonders wichtig, dass die Europäische Union "geeint ist und unter allen Umständen geeint bleibt". Dafür brauche es starke Institutionen, die auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. "Es wäre wichtig, dass sich die europäischen politischen Parteien dazu durchringen, das System des Spitzenkandidaten in den EU-Verträgen zu verankern", so Edtstadler. Auch wenn es "unrealistisch" sei, so wäre die Einigung auf einen ständigen Sitz des Europäischen Parlaments zu begrüßen. "Ich trete auch dafür ein, dass wir bei einer Kommissarin oder einem Kommissar pro Mitgliedstaat bleiben." Weiters solle die Rechtsstaatlichkeitskonditionalität in den EU-Verträgen verankert werden.

Abschließend betonte die Europaministerin, dass die Europäische Union "zweifellos eine Erfolgsgeschichte" sei und "alle Krisen und Herausforderungen eine Chance darstellen, die EU gemeinsam weiterzuentwickeln". In diesem Sinne rief sie dazu auf: "Lasst uns ein neues, besseres Europa schmieden."

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Bilder von diesem Termin sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.

Dokument

EU-Zukunftskonferenz in Österreich – Aktivitätenbericht 2020-2022 (PDF, 10 MB)