Bundesministerin Edtstadler: "Frieden und Wohlstand sind Fundament der EU-Zusammenarbeit"

Erklärung zur "Zukunft der Europäischen Union" im Nationalrat

"Als überzeugte Europäerin bin ich der festen Überzeugung, dass es eine Diskussion über diese Europäische Union im Hohen Haus braucht. Für mich steht Europa an erster Stelle. Die letzten Monate haben deutlich die Stärken, aber auch die Schwächen der EU zutage befördert", sagte Europaministerin Karoline Edtstadler in ihrem Beitrag zum Thema "Zukunft der Europäischen Union" im Nationalrat. "Wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn Facharbeiter aus umliegenden Staaten nicht mehr ohne Hürden einpendeln können und was es heißt, wenn Familien plötzlich ohne 24-Stunden-Betreuerinnen für ihre Eltern und Großeltern auskommen müssen." Vieles sei nicht perfekt gelaufen. Vieles habe aber auch gut funktioniert: "Denken wir an die Wirtschaftshilfen, an das 750 Milliarden Euro schwere EU-Hilfspaket. Es ist gelungen, in kurzer Zeit eine Impfung auf den Markt zu bringen und den Menschen gratis zur Verfügung zu stellen. All das ist schneller gegangen als wir es anfangs geglaubt haben."

Herausforderungen wie Binnenmarkt, Migration und Digitalisierung lösen

"Ich bin beeindruckt, wie seit dem Ende des Weltkriegs ein Europa des Friedens und Wohlstands entstanden ist. Das ist unser gemeinsames Fundament der Zusammenarbeit. Aber es bewegt mich zutiefst, wenn ich diesen Zustand ganz nüchtern betrachte. Denn da gleicht die EU einer Baustelle", erklärte Edtstadler. Die Mehrheit der Österreicher sehe die EU gemäß einer Studie vom April und Mai als gescheitert. Nirgends sei laut Eurobarometer das Image der EU schlechter als bei uns.

"Nach all den Gesprächen mit vielen Menschen muss ich sagen, dass die Österreicherinnen und Österreicher recht haben. Denn die großen Herausforderungen sind nach wie vor ungelöst. Denken wir an den Binnenmarkt, die Migrationsproblematik oder die Digitalisierung, wo wir, von Großkonzernen getrieben, hinterherhinken. Ja, die EU steht heute vor einer existenziellen Bedrohung. Reden wir darüber, und zwar ohne in alte Denkmuster zu verfallen", so die Europaministerin.

Zukunftskonferenz als Chance zur Mitgestaltung

"Wir müssen die EU kritisieren. Nicht, weil wir antieuropäisch, sondern weil wir proeuropäisch sind. Für diesen Weg sehe ich keine Alternative. Das setzt voraus, dass wir Lösungen diskutieren. Es wird nicht leicht, einen Konsens zu finden, aber es wird sich lohnen", betonte Karoline Edtstadler. "Deshalb freue ich mich, dass die EU-Kommissionspräsidentin die Idee einer Zukunftskonferenz aufgegriffen und die Bundesregierung das begrüßt hat. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass diese Zukunftskonferenz schnell beginnt. Am 9. Mai dieses Jahres, am Europatag, konnte sie auf europäischer Ebene gestartet werden", hielt die Kanzleramtsministerin fest. Das sei die Chance, mitzudiskutieren, mitzugestalten, in kleinen und großen Konferenzen in ganz Österreich. "Wer nicht zufrieden ist, sollte damit anfangen mitzugestalten, sich als Inputgeber hervortun. Das ist jetzt die reale Chance, unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten und überzeugte Ansätze zu entwickeln."

5 Forderungen an die EU

"Ich fordere, dass die Wirtschaft nicht weiter gehemmt wird. Daten und Konsumentenschutz sind ohne Arbeitsplätze weniger wert. Der Fokus muss auf Innovation liegen. Der 'European Way of Life' war immer auf sozialen Zusammenhalt und wirtschaftlicher Stärke aufgebaut. Das sollte auch in Zukunft so sein", sagte Edtstadler. Sie fordert zum Zweiten daher ein echtes Bekenntnis zum Freihandel. Man brauche Lösungen dazu auch mit Lateinamerika. "Am Ende werden wir durch Freihandelsabkommen profitieren, weil wir damit Rahmenbedingungen mitgestalten können. Zudem fordere ich drittens, das Versprechen gegenüber den Ländern des Westbalkans einzulösen. Dabei geht es um die Glaubwürdigkeit der EU und die Sicherheit für die Union", erläuterte die Europaministerin. Dieser lange Weg zum Beitritt werde sich lohnen, wenn man diese Länder unterstütze.

Viertens müsse man die illegale Migration entschlossen beenden. "Der 'European Way of Life' sollte für alle Menschen auf der Welt möglich sein. Der 'European Way of Life' kann aber nicht für alle Menschen in den Ländern Europas möglich sein. Unsere Aufgabe ist, unsere Werte und unsere Haltung zu exportieren und damit Perspektiven für die Menschen in anderen Teilen der Welt zu eröffnen", so Edtstadler, die auch die Notwendigkeit einer schlankeren EU einforderte.

"Damit wir das Ziel des ersten klimaneutralen Kontinents 2050 erreichen können, müssen wir Europa als gemeinsame Stärke nutzen. Kleinere Fragen können wir in den Regionen belassen. Reden Sie mit, wenn es darum geht, die Europäischen Union der Zukunft zu gestalten. Es lebe die Republik Österreich in einem zukunftsorientierten Europa, in einer starken Union, das die Bürgerinnen und Bürger mitgestalten."

Bilder aus dem Nationalrat sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.