Kulturminister Schallenberg verleiht Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur

"Der Preis leistet einen Beitrag zur kulturellen Verständigung und zum kulturellen Austausch in Europa"

"Der Sinn und Zweck des Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur ist es, ganz besondere schriftstellerische Persönlichkeiten auszuzeichnen. Seine Absicht war und ist es, nicht nur die Schöpfer bedeutender literarischer Werke zu würdigen, sondern auch einen Beitrag zur kulturellen Verständigung und zum kulturellen Austausch in Europa zu leisten. Dies ist eine Zielsetzung, die nie an Gültigkeit verliert. Ich gratuliere Michel Houellebecq sehr herzlich", sagte Kunst- und Kulturminister Alexander Schallenberg in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur 2019 an den französischen Schriftsteller Michel Houellebecq im Solitär der Universität Mozarteum Salzburg.

"In einer herausfordernden Zeit wie dieser, in der unser europäisches Lebensmodell im Inneren sowie im Äußeren unter zunehmendem Druck steht und zum Teil von anderen Gesellschaftsmodellen herausgefordert wird, braucht es Vordenker und Mitdenker", so Schallenberg. Es benötige gewissermaßen Forensiker der Gesellschaft, die den Menschen auf ihre Art vor Augen führen, dass nichts selbstverständlich sei. Keine Generation könne sich einfach ausruhen, sie müsse um den Erhalt ihrer Werte kämpfen. Gerade hier kämen Autoren wie Michel Houellebecq ins Spiel.

Nicht alles, was Michel Houellebecq schreibe, würde immer und jeder Person gefallen. Aber das solle es auch nicht. Alexander Schallenberg betonte, dass dessen Werke "zum Nachdenken, zur Reflexion und Selbstreflexion anregen sollen. Unerbittlich, klar, kompromisslos, nüchtern und manchmal ernüchternd nimmt sich Michel Houellebecq in seinen Romanen und Essays jener Themen an, die uns bewegen. Themen wie Biotechnologie, der Traum vom ewigen Leben, politischer Radikalismus und Terror, Erotik und Massentourismus, die Auswirkungen von Turbokapitalismus, Entsolidarisierung und Vereinzelung." Seine Werke hätten wesentlich zur Erweiterung der literarischen Weltwahrnehmung beigetragen.

"Michel Houellebecq ist ein Schriftsteller, der niemanden kalt lässt, ein Romancier, der uns bewegt und zur Auseinandersetzung zwingt. Er ist ein Autor, der es versteht gesellschaftliche Debatten vom Zaun zu brechen. Wäre dies sein einziges Verdienst, in seinen Romanen unsere Gegenwart zur Kenntlichkeit überspitzt, übertrieben und zu Ende gedacht zu haben, so hätte er allein dafür diesen Preis mehr als verdient", sagte Bundesminister Schallenberg abschließend.

Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur

Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird jedes Jahr für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin beziehungsweise eines europäischen Autors verliehen, das international besondere Beachtung gefunden hat. Das Werk muss auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen, der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert. Zuletzt erhielten Patrick Modiano (2012), John Banville (2013), Ljudmila Ulitzkaja (2014), Mircea Cărtărescu (2015), Andrzej Stasiuk (2016), Karl Ove Knausgård (2017) und Zadie Smith (2018) diese Auszeichnung.

Begründung der Jury

Die Jury begründete die Wahl wie folgt: "Als Schöpfer eines höchst eigenwilligen literarischen Werks ist Michel Houellebecq eine der einflussreichsten Stimmen der europäischen Gegenwartsliteratur. Seine Texte verraten ein besonderes Sensorium für Fragen von gesellschaftlicher Sprengkraft, wobei er den Konjunkturen des Feuilletons stets vorausgeeilt ist – ob es um die moderne Arbeitsrealität geht, die Möglichkeiten und Gefahren der Gentechnik, die Erscheinungsformen des religiösen Fanatismus, die Kehrseite der sogenannten sexuellen Revolution (ein Monopolkapitalismus des Sex) oder den Verfall des ländlichen Raumes. Die zum Teil extrem provokanten Diagnosen Houellebecqs setzen jene Übertreibungskunst fort, die in der Literatur des 20. Jahrhunderts die Grenzen zwischen Biografie und Werk, Kunst und Leben systematisch überschritten hat. Seine drastischen Plots verblüffen durch krasse Überzeichnungen, verquere Peripetien und sprachlichen (Wahn)Witz; der enttäuschte Idealismus seiner gebeutelten, lächerlichen, letztlich stets scheiternden männlichen Helden schlägt in grellen Zynismus um. Die Auszeichnung gilt einem Werk, das das verstörende Potenzial von Literatur exemplarisch zeigt und weitaus komplexer ist als die medialen Debatten, die sein Autor mitangefacht hat."

Bilder aus Salzburg sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramtes kostenfrei abrufbar.