EU-Justizbarometer 2021: Überblick über Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen EU-Mitgliedstaaten

Erstmals zeigt das Justizbarometer den Fortschritt der digitalen Transformation in den Justizbehörden auf. Der Fokus des diesjährigen Berichts liegt auf der Digitalisierung der Justiz, die speziell während der Covid-19-Pandemie zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Justizsysteme und dem Zugang zur Justiz beitrug.

Themis-Statue

Das am 8. Juli 2021 von der Europäischen Kommission präsentierte neunte EU-Justizbarometer 2021 – als Teil des Rechtsstaatlichkeits-Instrumentariums der EU – enthält 2 Eurobarometer-Umfragen, die darstellen, wie die Unabhängigkeit der Justiz in den einzelnen Mitgliedstaaten seitens der Öffentlichkeit und seitens der Unternehmen wahrgenommen wird. Die Ergebnisse des EU-Justizbarometers 2021 finden Berücksichtigung in der länderspezifischen Bewertung im Rahmen des Europäischen Semesters 2021 und in der Bewertung der Resilienz- und Aufbaupläne der Mitgliedstaaten. Zur Beurteilung der Effektivität der Justiz wurden die Faktoren Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit herangezogen.

Justizbehörden arbeiten zunehmend digitalisiert – Bürgerinnen und Bürger sind skeptisch hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz

Hervorzuheben sind die Ergebnisse des EU-Justizbarometers 2021 in folgenden Bereichen:

  • Digitalisierung der Justizsysteme:
    Die erstmalige Bestandsaufnahme zum digitalen Wandel in den Justizbehörden zeigt, dass Videokonferenzsysteme sowie die geschützte Arbeit im "Homeoffice" beim Großteil der Justizsysteme der meisten Mitgliedstaaten zum Einsatz kommt. Digitale Lösungen wie "Blockchain" und Künstliche Intelligenz werden in unterschiedlichem Ausmaß bereits vom überwiegenden Teil der Mitgliedstaaten genutzt.
  • Weiterhin problematische Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz:
    Während aus Sicht der Öffentlichkeit in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten eine Verbesserung bei der Unabhängigkeit der Justiz seit 2016 bemerkbar ist, wird in zwei Fünfteln der Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit von Gerichten sowie Richterinnen und Richtern im Vergleich zum Vorjahr mit Skepsis betrachtet. Dies sei besonders auf die Einmischung beziehungsweise den Druck durch Regierungen und Politik zurückzuführen.
  • Unabhängigkeit der obersten nationalen Gerichte:
    Die obersten Gerichte als Letztinstanz sind maßgeblich für die einheitliche Anwendung des Rechts in den Mitgliedstaaten. Ernennungsverfahren müssen von den Mitgliedstaaten unter Wahrung richterlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vollzogen werden. Das Unionsrecht legt fest, dass Richterinnen und Richter bei deren Amtsausübung keinem Druck ausgesetzt sind und frei von Weisungen der Ernennungsbehörden sind.

"Mich beunruhigt, dass in den Augen der Bevölkerung die Unabhängigkeit der Justiz in einigen Ländern während der Pandemie weiter abgenommen hat. Politikerinnen und Politiker sollten der Versuchung widerstehen, den Druck auf unabhängige Richterinnen und Richter mit der Pandemie zu entschuldigen," erklärte Věra Jourová, die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission.

"Das EU-Justizbarometer ist eine Säule unserer Politik, mit der wir Qualität und Modernisierung der Justizsysteme in der EU gewährleisten wollen. Dieses Analyseinstrument bietet wertvolle Einblicke in die Justizsysteme der Mitgliedstaaten. Seine Ergebnisse werden auch in unseren Bericht über die Rechtsstaatlichkeit einfließen, den wir in Kürze vorlegen werden", erläuterte der für Justiz verantwortliche EU-Kommissar Didies Reynders.

Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz in Österreich sehr hoch: 83 Prozent haben "sehr gutes" oder "ziemlich gutes" Bild

Im EU-Vergleich ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit der Justiz in keinem Mitgliedstaat höher als in Österreich. 83 Prozent haben ein "sehr gutes" oder "ziemlich gutes" Bild von der Unabhängigkeit der Gerichte sowie Richterinnen und Richtern. Zwar liegt dieses Ergebnis im Vergleich zu 2020 um etwa 3 Prozentpunkte niedriger, liegt aber im EU-Ranking immer noch knapp vor Finnland und damit europaweit weiterhin an der Spitze. Von Unternehmen wird die österreichische Justiz als nicht so unabhängig wahrgenommen wie von der breiten Öffentlichkeit. Hier rangiert Österreich hinter Finnland, Dänemark und den Niederlanden auf Platz 4.

Nächste Schritte

Die Angaben im EU-Justizbarometer tragen zum Monitoring im Rahmen des Europäischen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit bei und finden Eingang in den jährlich erscheinenden Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit.

Hintergrund: Das Justizbarometer im Zusammenhang mit "Next Generation EU" und der jährlichen Wachstumsstrategie

Leistungsfähige Justizsysteme sind maßgeblich bei der Umsetzung des EU-Rechts sowie bei der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Werte, welche der EU zugrunde liegen. Das EU-Justizbarometer 2021 findet aber auch Eingang bei der Bewertung der Mittelzuweisung von "NextGenerationEU". Aus der Aufbau- und Resilienzfazilität stehen für die EU-Mitgliedstaaten mehr als 670 Milliarden Euro aus Darlehen und Zuschüssen zur Verfügung. Mindestens 20 Prozent der Mittel müssen für digitale Transformation aufgewendet werden.

Auch die Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021 weist auf die Verbindung zwischen funktionierenden Justizsystemen und dem Unternehmensumfeld in den Mitgliedstaaten hin. Die neue Wachstumsagenda beinhaltet einen Fokus auf ökologische, digitale und nachhaltige Erholung. Unabhängige und leistungsfähige Justizsysteme können Investitionsentscheidungen positiv beeinflussen und zu einer schnelleren Initiierung von Investitionsprojekten beitragen.

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