Europaministerin Edtstadler: "Rechtstaatlichkeit ist unser gemeinsamer Wert"

Rat "Allgemeine Angelegenheiten" in Luxemburg – Jährlicher Rechtstaatlichkeitsdialog sowie Gedankenaustausch über die "Konferenz zur Zukunft Europas"

Tagung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten"

Zentrales Thema bei der Tagung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" (RAA) am 12. April 2022 war, neben den nächsten Schritten betreffend die "Konferenz zur Zukunft Europas", die Rechtstaatlichkeit in der EU. Die für europäische Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen und Minister beziehungsweise Staatssekretärinnen und Staatssekretäre führten im Rahmen des jährlichen Rechtstaatlichkeitsdialogs eine länderspezifische Diskussion, in deren Mittelpunkt bei dieser Tagung die Lage in 5 EU-Staaten – in Luxemburg, Ungarn, Malta, den Niederlanden sowie Österreich – stand.

Beim RAA werden regelmäßig die Rechtstaatlichkeitsberichte der EU-Mitgliedsstaaten besprochen. Nach einer kurzen Einführung durch die Europäische Kommission auf der Grundlage der wichtigsten Ergebnisse der jeweiligen Länderkapitel des Berichts über die Rechtstaatlichkeit 2021 hatten die betreffenden EU-Mitgliedstaaten Gelegenheit, die wichtigsten Entwicklungen und ihre länderspezifischen Besonderheiten im Bereich der Rechtstaatlichkeit darzulegen. Es folgte ein Austausch mit den anderen Mitgliedstaaten. Diese teilten ihre Erfahrungen und bewährten Verfahren im Zusammenhang mit den angeführten Entwicklungen mit. Die Aussprache wurde ohne formelle Schlussfolgerungen abgeschlossen.

Europaministerin Edtstadler: "Offene" Diskussion soll zu Verbesserungen führen – Kommission misst Österreich "sehr hohen Wert an Rechtstaatlichkeit" bei

"Rechtstaatlichkeit ist unser gemeinsamer Wert. Die Europäische Kommission misst Österreich einen sehr hohen Wert an Rechtstaatlichkeit bei. Ziel des Mechanismus ist es aber, uns zu verbessern", erklärte Europaministerin Karoline Edtstadler. So habe die Bundesregierung die Kritik der im letzten Jahr veröffentlichten Bewertung ernst genommen und seit der Publikation des Berichts "sehr viel getan". Es sei etwa im Bereich der Parteienfinanzierung ein Paket präsentiert sowie eine Arbeitsgruppe zur Einführung einer Bundesstaatsanwaltschaft eingerichtet worden. Darüber hinaus wurden Berichtspflichten für die Staatsanwaltschaft erlassen. Österreich könne "ein breites Spektrum an Maßnahmen vorzeigen, die schon eingeleitet worden sind, teilweise ganz unabhängig vom Bericht, weil sie einfach notwendig sind", betonte Edtstadler. Kritik müsse zulässig sein, denn es gehe immer darum, voneinander zu lernen, "Best Practice"-Modelle zu beachten und eine "offene" Diskussion zu führen, so die Europaministerin.

Edtstadler: Konditionalitätsmechanismus soll dort Anwendung finden, wo er nötig sei – etwa "wenn ein Staat von unserem gemeinsamen Wert der Rechtstaatlichkeit abzuweichen droht"

"Wir haben uns in der EU auf den Konditionalitätsmechanismus im Hinblick auf die Rechtstaatlichkeit geeinigt und der Europäische Gerichtshof hat diesen auch abgesegnet. Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass dieser Mechanismus womöglich zum ersten Mal bei Ungarn zur Anwendung kommen könnte. Es ist ein rechtstaatliches Verfahren, das in mehreren Phasen abläuft, und daher müssen wir abwarten", sagte Edtstadler zur Verordnung über die Rechtstaatskonditionalität. Angesprochen auf die Situation in Ungarn, meinte die Europaministerin, dass vor allem der Bereich Medienpluralismus und der Schutz von Journalistinnen und Journalisten von Interesse sei.

Die EU hat spezifische Probleme mit dem System der öffentlichen Auftragsvergabe in Ungarn. Die neue Konditionalitätsregelung ermöglicht es der EU, Maßnahmen zum Schutz des Haushalts zu setzen, etwa die Aussetzung von Zahlungen oder Finanzkorrekturen, falls Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtstaatlichkeit die finanziellen Interessen der Europäischen Union beeinträchtigen.

Der Konditionalitätsmechanismus sei zu Beginn umstritten gewesen, nun aber vom Europäischen Gerichtshof bestätigt worden, strich Edtstadler hervor. Er werde dort Anwendung finden, wo er notwendig sei, etwa "wenn ein Staat von unserem gemeinsamen Wert der Rechtstaatlichkeit abzuweichen droht", so die Europaministerin, die betonte, dass der Mechanismus in die Richtung wirken solle, dass diese Mitgliedstaaten den Weg zurückfinden. "Wir haben in der Zwischenzeit mehrere Mechanismen entwickelt, um die Rechtstaatlichkeit zu wahren."

"Konferenz zur Zukunft Europas" geht in die finale Phase

Auf der Tagesordnung der Tagung des RAA stand am 12. April 2022 zudem ein Gedankenaustausch über die "Konferenz zur Zukunft Europas" und das weitere diesbezügliche Vorgehen. Der französische EU-Ratsvorsitz zog eine Bilanz der bisherigen Arbeiten.

Bei der sechsten Plenartagung der EU-Zukunftskonferenz am 8. und 9. April 2022 in Straßburg hatten die Arbeitsgruppen der Plenarversammlung der Konferenz eine neue Fassung der Vorschläge vorgelegt, die nun von den Ministerinnen und Ministern beziehungsweise Staatssekretärinnen und Staatssekretären erörtert wurden. Das Abschlussplenum der Konferenz ist für 29. und 30. April 2022 in Straßburg geplant. Dort soll ein Konsens über die konsolidierte Fassung der Vorschläge erzielt werden, bevor die Bürgerinnen und Bürger darüber ihre Stellungnahme abgeben.

Tagung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten"

Der Abschlussbericht der "Konferenz zur Zukunft Europas" wird den Ko-Vorsitzenden (Präsidentin des Europäischen Parlaments, Präsidentin der Europäischen Kommission, Präsident des Rates) am 9. Mai 2022 in Straßburg übergeben. Nach dem 9. Mai 2022 obliegt es den Organen der Europäischen Union, die Folgemaßnahmen zu den Schlussfolgerungen der "Konferenz zur Zukunft Europas" zu prüfen und den Bürgerinnen und Bürgern über diese Arbeiten Bericht zu erstatten.

Hintergrund: Länderspezifische Diskussionen im Rahmen des jährlichen Rechtstaatlichkeitsdialogs

Die aktuellen länderspezifischen Diskussionen finden basierend auf dem zweiten EU-weiten Bericht über die Rechtstaatlichkeit statt, welchen die Europäische Kommission am 20. Juli 2021 veröffentlicht hat. Ein dritter Bericht wird für Juli 2022 erwartet. Der Rechtstaatlichkeitsbericht informiert über die Gesamtlage in der EU und umfasst auch 27 Länderkapitel zur jeweiligen Situation in den Mitgliedstaaten. Ziel des Rechtstaatlichkeitsmechanismus ist es, das Verständnis und die Sensibilisierung für Fragen und wichtige Entwicklungen zu verbessern, Herausforderungen im Bereich der Rechtstaatlichkeit frühzeitig zu erkennen und die Mitgliedstaaten, unter Mitwirkung der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten, bei der Suche nach Lösungen zu unterstützen sowie durch "Best Practice"-Beispiele voneinander zu lernen. Ziel des jährlichen Rechtstaatlichkeitsdialogs ist ein umfassender und strukturierter Austausch über die Rechtstaatlichkeit unter Wahrung der Grundsätze der Objektivität, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten.

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