Europäische Kommission schlägt EU-Eigenmittel der nächsten Generation vor

Mit der Einführung eines neuen EU-Eigenmittelsystems sieht die EU-Kommission 3 neue Einnahmequellen vor: Einnahmen aus dem Emissionshandel, Ressourcen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem sowie Anteile der Residualgewinne multinationaler Unternehmen

NextGenerationEU-Banner auf dem Berlaymont Gebäude

Am 22. Dezember 2021 hat die Europäische Kommission die Einführung eines EU-Eigenmittelsystems der nächsten Generation vorgeschlagen, in dem sie 3 neue Einnahmequellen vorsieht. Die erste stützt sich auf Einnahmen aus dem Emissionshandel (EU ETS), die zweite auf die Ressourcen, die durch das vorgeschlagene Kohlenstoffdioxid(CO2)-Grenzausgleichssystem der EU generiert werden, und die dritte auf den Anteil der Residualgewinne multinationaler Unternehmen, die im Rahmen der jüngst erzielten Vereinbarung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) über eine Neuzuweisung von Besteuerungsrechten ("erste Säule") den EU-Mitgliedstaaten neu zugewiesen werden. Nach einer Anlaufphase dürften diese neuen Einnahmequellen dem EU-Haushalt in den Jahren 2026 bis 2030 jährlich durchschnittlich bis zu 17 Milliarden Euro einbringen. Die vorgeschlagenen neuen Eigenmittel würden dazu beitragen, die von der EU zur Finanzierung der Zuschusskomponente von "Next Generation EU" aufgenommenen Mittel zurückzuzahlen. Aus den neuen Eigenmitteln könnte auch der 'Klima-Sozialfonds' als Teil des Pakets "Fit for 55" finanziert werden.

"Mit diesem Paket legen wir die Grundlagen für die Rückzahlung von Next Generation EU und unterstützen das Paket 'Fit for 55' wesentlich, indem wir eine Finanzierung für den Klima-Sozialfonds vorschlagen. Mit den neuen Eigenmitteln stellen wir daher sicher, dass die nächste Generation wirklich von Next Generation EU profitieren wird", erklärte der für Haushalt und Verwaltung zuständige Kommissar Johannes Hahn.

Der Vorschlag baut auf der Zusage auf, welche die Europäische Kommission im Rahmen der politischen Einigung über den langfristigen Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 und das Aufbauinstrument "Next Generation EU" gegeben hat. Die Einführung neuer Eigenmittel soll insbesondere die Rückzahlung der Anleihen erleichtern, welche die Kommission für Next Generation EU ausgegeben hat.

1. Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel: Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems als Teil des Pakets "Fit for 55" von Juli 2021

Das Paket "Fit for 55" von Juli 2021 zielt darauf ab, die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent zu senken, damit bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität erreicht werden kann. Die Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (Englisch: "European Union Emissions Trading System", kurz EU ETS) ist Teil dieses Pakets. In Zukunft soll der Emissionshandel auch für den Seeverkehr gelten, im Luftverkehr würde, so die Vorschläge der Kommission, ein größerer Anteil der Zertifikate versteigert und für Gebäude und Straßenverkehr ein neues System eingeführt.

Im Rahmen des derzeitigen EU-Emissionshandelssystems werden die meisten Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten an die nationalen Haushalte übertragen. Nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission sollen in Zukunft 25 Prozent der Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel in den EU-Haushalt fließen. Nach einer Anlaufphase dürften sich die jährlichen Einnahmen für den EU-Haushalt im Zeitraum von 2026 bis 2030 auf 12 Milliarden Euro belaufen (für den Zeitraum von 2023 bis 2030 auf durchschnittlich 9 Milliarden Euro). 

2. Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem

Ziel des CO2-Grenzausgleichssystems (oder CO2-Grenzausgleichsmechanismus, Englisch: "Carbon Border Adjustment Mechanism", kurz CBAM), das die Kommission im Juli 2021 vorgeschlagen hat, ist es, das Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen zu verringern, indem für Hersteller in Nicht-EU-Ländern ein Anreiz geschaffen wird, ihre Herstellungsverfahren umweltfreundlicher zu gestalten. Darin wird für Importe ein CO2-Preis festgelegt, der dem Preis entspricht, der gezahlt worden wäre, wenn die Waren in der EU hergestellt worden wären. Dieser Mechanismus soll auf eine gezielte Auswahl von Sektoren angewendet werden und im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) stehen.

Die Europäische Kommission schlägt vor, dem EU-Haushalt 75 Prozent der Einnahmen aus diesem CO2-Grenzausgleichssystem zuzuweisen. Die jährlichen Einnahmen für den EU-Haushalt im Zeitraum von 2026 bis 2030 würden sich auf schätzungsweise 1 Milliarde Euro belaufen (für den Zeitraum von 2023 bis 2030 auf durchschnittlich 0,5 Milliarden Euro). Im Übergangszeitraum von 2023 bis 2025 wird nicht mit Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem gerechnet.

3. Einnahmen aus der Reform des internationalen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung: Zwei-Säulen-Lösung zur Bekämpfung der Steuervermeidung

Am 8. Oktober 2021 haben sich mehr als 130 Länder, die Mitglieder des inklusiven Rahmens der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung sind, auf eine Reform des internationalen Steuerrahmens geeinigt: eine Zwei-Säulen-Lösung zur Bekämpfung der Steuervermeidung, mit der sichergestellt werden soll, dass Gewinne dort besteuert werden, wo die wirtschaftliche Tätigkeit und die Wertschöpfung stattfinden. Auf die unterzeichnenden Länder entfallen mehr als 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Im Rahmen der ersten Säule wird das Recht, einen Teil der sogenannten Residualgewinne der weltweit größten multinationalen Unternehmen zu besteuern, den teilnehmenden Ländern weltweit neu zugewiesen. Die Europäische Kommission schlägt Eigenmittel in Höhe von 15 Prozent des Anteils an den Residualgewinnen der in den Geltungsbereich fallenden Unternehmen vor, die den EU-Mitgliedstaaten neu zugewiesen werden.

Die Europäische Kommission hat zugesagt, 2022 eine Richtlinie vorzuschlagen, sobald die Einzelheiten der im inklusiven Rahmen der OECD/G20 erzielten Einigung zur ersten Säule feststehen. Mit dieser Richtlinie soll die Vereinbarung zur ersten Säule im Einklang mit den Anforderungen des Binnenmarkts umgesetzt werden. Dieser Prozess ergänzt die Richtlinie zur zweiten Säule, für welche die Europäische Kommission am 22. Dezember 2021 einen gesonderten Vorschlag angenommen hat. Vorbehaltlich des Abschlusses der Einigung könnten sich die Einnahmen für den EU-Haushalt auf zwischen 2,5 und 4 Milliarden Euro pro Jahr belaufen.

Änderung von 2 Rechtsakten notwendig, um die vorgeschlagenen Eigenmittel im EU-Haushalt verankern zu können

Um diese neuen Eigenmittel in den EU-Haushalt einzubeziehen, muss die EU 2 zentrale Rechtsakte ändern:

  • Erstens schlägt die Europäische Kommission vor, den Eigenmittelbeschluss dahingehend zu ändern, dass die 3 vorgeschlagenen neuen Ressourcen zu den bestehenden hinzugefügt werden.
  • Zweitens legt die Kommission eine gezielte Änderung der Verordnung über den derzeitigen langfristigen EU-Haushalt (Mehrjähriger Finanzrahmen, kurz MFR) für den Zeitraum von 2021 bis 2027 vor. Diese Änderung wird es rechtlich möglich machen, bereits während des laufenden MFR mit der Rückzahlung der Mittel für Next Generation EU zu beginnen. Gleichzeitig wird vorgeschlagen, die einschlägigen MFR-Ausgabenobergrenzen für die Jahre von 2025 bis 2027 zu erhöhen, um die zusätzlichen Ausgaben für den Klima-Sozialfonds abzudecken.

Der Eigenmittelbeschluss muss im Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig angenommen werden. Der Beschluss kann in Kraft treten, sobald er von allen EU-Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften gebilligt worden ist. Die MFR-Verordnung muss im Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig angenommen werden.

Die nächsten Schritte: Zügige Umsetzung des Pakets sowie Vorschlag der Europäischen Kommission für einen zweiten Korb neuer Eigenmittel bis Ende 2023

Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und dem Rat wird die Europäische Kommission auf eine zügige, fristgerechte Umsetzung des Pakets hinarbeiten. Bis Ende 2023 plant die Kommission, einen Vorschlag für einen zweiten Korb neuer Eigenmittel vorzulegen, welcher auf dem Vorschlag für einen neuen Rahmen für Unternehmensbesteuerung in Europa (Englisch: "Business in Europe: Framework for Income Taxation", kurz BEFIT) aufbauen soll.

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