Gemeinsame europäische Lösung für Asyl- und Migrationspolitik

Die EU-Kommission veröffentlichte am 23. September 2020 einen Vorschlag für die Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Durch verbesserte Verfahren und eine ausgewogene Verteilung zwischen Verantwortung und Solidarität sollen in Zukunft alle Mitgliedstaaten auf die eine oder andere Weise ihren Beitrag leisten.

Statement of Ursula von der Leyen, President of the European Commission, on a New Pact for Migration and Asylum

Eine gemeinsame europäische Lösung für eine europäische Herausforderung – das soll das neue Migrations- und Asylpaket für die Zukunft bewerkstelligen, damit statt ad-hoc Lösungen nun ein vorhersehbares und zuverlässiges Migrationsmanagementsystem auf den Weg gebracht werden kann. Das vorgeschlagene Migrations- und Asylpaket der EU-Kommission beruht auf folgenden Kernelementen: einem verpflichtenden Solidaritätsmechanismus in Krisenzeiten, auf effizienteren Grenzverfahren und Rückführungen, der verstärkten Zusammenarbeit mit Drittstaaten, mehr legalen Zugangswegen und einem entschlossenen Vorgehen gegen Schleuser.

"Wir schlagen heute eine europäische Lösung vor, um das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten wiederherzustellen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Fähigkeit, die Migration als Union zu steuern, zu stärken", so die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen.

Migration sei ein Teil unserer Gesellschaft und werde das auch immer sein, betonte die Kommissarin für innere Angelegenheiten Ylva Johannson. "Mit dem, was wir heute vorschlagen, werden wir eine langfristige Migrationspolitik aufbauen, die europäische Werte in praktisches Management umsetzen kann. Dieses Bündel von Vorschlägen wird klare, faire und schnellere Grenzverfahren bedeuten, so dass die Menschen nicht in der Schwebe warten müssen. Es bedeutet eine verstärkte Zusammenarbeit mit Drittländern für eine schnelle Rückkehr, mehr legale Wege und energische Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenschmugglern. Grundsätzlich schützt es das Recht, Asyl zu beantragen", so die Kommissarin weiter.

Die von der Kommission in den Jahren 2016 und 2018 vorgeschlagenen Asyl- und Rückkehrreformen, zu denen die Verhandlungen noch nicht vollständig abgeschlossen worden sind, sind Teil des neuen Migrations- und Asylpaketes. Das neue Paket ersetzt nicht die älteren Reformen, sondern baut auf diesen auf, indem zusätzliche Elemente hinzugefügt werden, um einen ausgewogenen, gemeinsamen Rahmen zu gewährleisten, in dem alle Aspekte der Asyl- und Migrationspolitik zusammengeführt werden.

Europaministerin Edtstadler: Jedes EU-Mitgliedsland soll selbst über seinen Beitrag entscheiden können

Europaministerin Karoline Edtstadler hat den Vorschlag der EU-Kommission für eine Reform der europäischen Asyl-und Migrationspolitik in einer ersten Stellungnahme begrüßt. Besonders erfreut zeigte sich die Europaministerin darüber, "dass die EU-Kommission neben einem umfassenden Außengrenzschutz und der intensiven Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich Rückübernahmeabkommen unseren Vorschlag der flexiblen Solidarität übernommen hat". Über den Vorschlag der Kommission müsse nun intensiv diskutiert werden. "Jeder Mitgliedstaat soll seinen Beitrag leisten, aber nur dort, wo er kann, und auf eine Weise, die zumutbar ist. Im Fall von Österreich kann das nicht die Aufnahme weiterer Flüchtlinge bedeuten, sondern beispielsweise Hilfe vor Ort", so die Europaministerin weiter.  

Kernelement 1: Bessere und effektivere Verfahren

Als den ersten wichtigen Schlüssel zu einer Vertrauensbildung innerhalb der europäischen Bevölkerung in die EU sieht die Kommission in effizienteren und schnelleren Verfahren. Durch ein integriertes Grenzverfahren vor der Einreise soll die Identifizierung aller Personen, welche die EU-Außengrenze unerlaubt überschreiten, ermöglicht werden.

Die noch umfangreichere Vorabprüfung soll folgendes beinhalten: 

  • ausgeweitete Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen, 
  • die Abnahme von Fingerabdrücken und 
  • die darauffolgende Registrierung in der Eurodac-Datenbank, also der EU Datenbank für den Abgleich von Fingerabdrücken. 

Basierend auf dieser Vorregistrierung sollen Personen schon im Vorhinein der richtigen Kategorie von Einreiseverfahren zugeordnet werden. Damit soll die Entscheidung über Asyl viel schneller fallen und eine Rückführung bei nicht-asylberechtigten Personen schneller gehen. Diese Verfahren sollen durch die Unterstützung von EU-Agenturen verbessert und somit auch eine erweiterte digitale Infrastruktur ermöglicht werden

Bild in dem ein Pass geprüft wird

Kernelement 2: Faire Teilung von Verantwortung und Solidarität

Um unter Druck stehende Mitgliedstaaten zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Union ihren humanitären Verpflichtungen nachkommt, sieht die EU-Kommission vor, dass jeder Mitgliedstaat in Zeiten der Belastung solidarisch zum Gesamtsystem beiträgt. Durch den schwankenden Migrationsdruck und im Hinblick auf die unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedsländern wird ein System flexibler Hilfsmöglichkeiten vorgeschlagen. Von der Umsiedlung von Asylsuchenden aus dem Land der ersten Einreise über die Übernahme der Verantwortung für die Rückkehr von Personen ohne Aufenthaltsrecht bis hin zu verschiedenen operativen Unterstützungen sollen die Mitgliedstaaten jedoch selbst entscheiden können, wie sie helfen. Bei gleichmäßigen Migrationszahlen soll die Solidarität gegenüber anderen Mitgliedsländern auf freiwilliger Basis bestehen, während in Zeiten von großem Migrationsrucks auf einzelne Mitgliedstaaten sich alle zu Solidarität auf die eine oder andere Weise verpflichten müssten, so die Pläne der Europäischen Kommission.

Eine Personengruppe  steht zusammen und bespricht weitere vorgehensweise

Kernelement 3: Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit mit Drittstaaten

Herausforderungen wie die Schleusung von Migrantinnen und Migranten, die Weiterentwicklung von Rechtswegen und die wirksame Umsetzung von Rückübernahmeabkommen sollen vor allem durch eine vertiefende Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern bewältigt werden. Hier sollen konkrete Instrumente für die Rückübernahme von Flüchtlingen durch Drittstaaten ausgearbeitet werden.

Bild eines überfüllten Bootes auf offenem Meer

Weitere Verbesserungen von bestehenden Systemen

Neben diesen drei großen Vorschlägen zum Paradigmenwechsel in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik schlägt die EU-Kommission auch eine Reihe weiterer Verbesserungen vor. Ein wirksamerer Rechtsrahmen, eine stärkere Rolle der europäischen Grenz- und Küstenwache sowie ein neuer EU-Rückkehrkoordinator sollen diese Veränderungen weiter vorantreiben. Durch eine bessere strategische Planung und Koordination der Migrationspolitik der EU-Mitgliedstaaten sowie eine funktionierende Verwaltung der Außengrenzen sollen insbesondere die Staaten der EU-Außengrenzen unterstützt werden.

Durch ein glaubwürdiges legales Migrations- und Integrationsmodell will die EU-Kommission zudem "Talentpartnerschaften" mit wichtigen Drittstaaten ins Leben rufen und somit den Bedarf an Arbeitskräften in der EU mit legalen Migrationsmöglichkeiten decken.

Die Rechtsvorschriften der neuen Vorschläge zu einem verbesserten Asyl- und Migrationssystem innerhalb der Europäischen Union müssen nun vom EU-Parlament und Rat geprüft und verabschiedet werden.

Moria: Neue Europäische Einsatzgruppe

Zusätzlich hat die EU-Kommission bekannt gegeben, dass sie eine eigene Einsatzgruppe einsetzen wird, um die Situation auf der Insel Lesbos im Hinblick auf das Flüchtlingslager Moria dauerhaft zu verbessern. Diese wird mit den griechischen Behörden, in enger Zusammenarbeit mit EU-Agenturen und internationalen Organisationen vor Ort, ein gemeinsames Pilotprojekt für neue Aufnahmeeinrichtungen durchführen. In Übereinstimmung mit den im neuen Paket vorgeschlagenen Maßnahmen wird die Einsatzgruppe dazu beitragen, dass die Migration auf wirksame Weise verwaltet wird, einschließlich angemessener Lebensbedingungen, mehr Sicherheit durch schnellere Verfahren und ausgewogenerer Aufteilung der Verantwortung und Solidarität.

Außerdem leistet die Kommission zusätzlich zu der operativen und finanziellen Unterstützung, die Griechenland bereits gewährt wurde, eine Soforthilfe in Höhe von 750.000 Euro, um die unmittelbaren Bedingungen für die von den Bränden auf Lesbos betroffenen Personen zu verbessern.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: "Moria ist eine deutliche Erinnerung an die Notwendigkeit, nachhaltige Lösungen für die Migration zu finden. Wir verstärken gemeinsam mit unseren EU-Agenturen die Unterstützung der Migrantinnen und Migranten, die keinen Schutz hatten, und Griechenlands."

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