In Kraft getreten: Verordnung über freiwillige Senkung der Gasnachfrage um 15 Prozent

Verordnung der EU über freiwillige Senkung der Erdgasnachfrage um 15 Prozent tritt mit 9. August 2022 in Kraft – "Unionsalarm" kann im Ernstfall verbindliche Einsparziele auslösen – Maßnahme soll zu erhöhter EU-Energieversorgungssicherheit im Winter beitragen

EU-ENERGY-BIOGAS

Am 9. August 2022 ist die Verordnung des Rates der EU über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage in Kraft getreten. Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben damit vereinbart, ihren Gasverbrauch zwischen 1. August 2022 und 31. März 2023 auf freiwilliger Basis ("nach besten Kräften") mit Maßnahmen ihrer Wahl um 15 Prozent gegenüber dem Durchschnittsverbrauch der vergangenen 5 Jahre (2016 bis 2021) zu senken. Die Reduktion um 15 Prozent entspricht einer EU-weiten Einsparung von etwa 45 Milliarden Kubikmetern an Gas. Ziel der Verordnung ist es, die Energieversorgungssicherheit in der EU zu erhöhen.

Wie die Einsparziele erreicht werden, bleibt den EU-Mitgliedstaaten überlassen: Bei der Auswahl der Maßnahmen zur Nachfragesenkung haben sich die Mitgliedstaaten darauf verständigt, solchen Maßnahmen gegebenenfalls Vorrang einzuräumen, welche "geschützte" Kundinnen und Kunden – etwa Haushalte und für das Funktionieren der Gesellschaft wesentliche Dienste wie kritische Einrichtungen, das Gesundheitswesen und die Verteidigung – nicht beeinträchtigen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören die Verringerung des Gasverbrauchs im Elektrizitätssektor, Maßnahmen zur Förderung der Umstellung auf andere Brennstoffe in der Industrie, nationale Sensibilisierungskampagnen, gezielte Verpflichtungen zur Verringerung der Wärme- und Kälteerzeugung sowie marktbasierte Maßnahmen wie Versteigerungen zwischen Unternehmen.

"Unionsalarm" kann Senkung der Gasnachfrage um 15 Prozent im Ernstfall verpflichtend machen

In der Verordnung ist die Möglichkeit vorgesehen, seitens des Rates einen "Unionsalarm" (Englisch: "Union alert") auszulösen: In diesem Fall würde die Senkung der Gasnachfrage um 15 Prozent verpflichtend werden.

Der "Unionsalarm" soll durch einen Durchführungsbeschluss des Rates (welcher die Zustimmung von mindestens 15 EU-Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, erfordert) auf Vorschlag der Kommission aktiviert werden. Die Kommission legt einen Vorschlag zur Auslösung eines "Unionsalarms" vor, wenn ein erhebliches Risiko einer schwerwiegenden Gasknappheit oder einer außergewöhnlich hohen Gasnachfrage besteht oder wenn 5 oder mehr Mitgliedstaaten, die auf nationaler Ebene eine Warnmeldung abgegeben haben, die Kommission darum ersuchen.

Spezifische Regelungen

Der Rat der EU hat einige Befreiungen und Möglichkeiten festgelegt, eine Ausnahme von dem verbindlichen Reduktionsziel zu beantragen, um der besonderen Situation einiger EU-Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass die Gaseinsparungen wirksam zur Erhöhung der Versorgungssicherheit in der EU beitragen.

  • So ist der Rat übereingekommen, dass Mitgliedstaaten, die nicht an die Gasnetze anderer Mitgliedstaaten angeschlossen sind, von den verpflichtenden Gasnachfragesenkungen ausgenommen sind, da sie nicht in der Lage wären, erhebliche Mengen an Pipeline-Gas zugunsten anderer Mitgliedstaaten freizugeben.
  • Ebenfalls ausgenommen sind Mitgliedstaaten, deren Stromnetze nicht mit dem europäischen Elektrizitätssystem synchronisiert sind und die für die Stromerzeugung in höherem Maße auf Gas angewiesen sind, im Falle einer Desynchronisierung vom Elektrizitätssystem eines Drittlandes, um das Risiko einer Stromversorgungskrise zu vermeiden.
  • Die Mitgliedstaaten können ihr Reduktionsziel beschränken, um ihre Verpflichtungen zur Nachfragesenkung anzupassen, wenn sie nur über begrenzte Verbindungsleitungen zu anderen Mitgliedstaaten verfügen und nachweisen können, dass ihre Exportkapazitäten und ihre inländische LNG-Infrastruktur (LNG: Flüssigerdgas; auf Englisch Abkürzung für: "liquefied natural gas") genutzt werden, um Gas an andere Mitgliedstaaten weiterzuleiten.
  • Die Mitgliedstaaten können ihr Reduktionsziel auch dann beschränken, wenn sie ihre Zielvorgaben für die Befüllung von Gasspeichern überschritten haben, wenn sie in hohem Maße von Gas als Rohstoff für kritische Industriezweige abhängig sind, oder sie können eine andere Berechnungsmethode anwenden, wenn ihr Gasverbrauch im vergangenen Jahr im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre um mindestens 8 Prozent gestiegen ist.

Die nächsten Schritte

Die EU-Mitgliedstaaten werden ihre nationalen Notfallpläne bis 31. Oktober 2022 aktualisieren, um darzulegen, wie sie die freiwilligen Maßnahmen zu Nachfragesenkungen erreichen wollen. Des Weiteren werden sie der Kommission in der Folge alle 2 Monate über die erzielten Fortschritte berichten.

Bei der Verordnung handelt es sich um eine außergewöhnliche und außerordentliche Maßnahme, die für einen begrenzten Zeitraum vorgesehen ist. Sie wird für ein Jahr gelten; während dieser Zeit soll die Kommission das Europäische Parlament und den Rat regelmäßig über ihre Durchführung unterrichten. Die Europäische Kommission wird bis 1. Mai 2023 die Möglichkeit einer Verlängerung vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage der Erdgasversorgung in der EU prüfen.

Hintergrund

Mit der Senkung der Gasnachfrage wird bezweckt, für den Winter 2022/2023 Einsparungen zu erzielen, um sich auf mögliche Unterbrechungen der Gaslieferungen aus Russland oder einen vollständigen Lieferstopp vorzubereiten. Die EU-Staaten sind bereits jetzt von reduzierten Liefermengen betroffen: Die Gasflüsse aus Russland belaufen sich auf weniger als 30 Prozent der durchschnittlichen Gasflüsse im Zeitraum von 2016 bis 2021 (siehe Grafik). Durch die Verordnung soll die EU-weite Energieversorgungssicherheit gewährleistet bleiben: Denn auch wenn die Versorgungssicherheit derzeit nicht in allen 27 EU-Mitgliedstaaten maßgeblich gefährdet ist, könnten schwerwiegende Störungen in bestimmten Ländern zwangsläufig die Wirtschaft der EU insgesamt beeinträchtigen. Bereits jetzt sind die Auswirkungen durch hohe und volatile Energiepreise sowie steigende Inflationsraten spürbar.

12 Member States already suffer from full or partial disruption of supply. In Juni 2022, Russian gas supplies were below 30% of the average for the past 5 years.

Die am 5. August angenommene und am 8. August 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlichte Verordnung folgt auf das von der Europäischen Kommission am 20. Juli 2022 vorgelegte "Save gas for a safe winter"-Paket und die entsprechende politische Einigung auf Ebene der EU-Energieministerinnen und -minister bei einer außerordentlichen Tagung am 26. Juli 2022. Die Verordnung ergänzt bestehende Initiativen und Rechtsvorschriften der EU, mit denen eine sichere Gasversorgung für die Bürgerinnen und Bürger und der Schutz von Kundinnen und Kunden vor größeren Versorgungsunterbrechungen sichergestellt werden, insbesondere die Verordnung (EU) 2022/1032. Die darin verankerten Regelungen sehen unter anderem vor, dass die unterirdischen Gasspeicher der EU bis 1. November 2022 mit 80 Prozent der Kapazität gefüllt sein müssen, um die Versorgung für den kommenden Winter sicherzustellen.

Die am 9. August in Kraft getretene Verordnung schließt sich zudem an andere laufende Initiativen zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit und der Sicherheit der Gasversorgung in der EU an. Dazu zählen unter anderem die Einrichtung einer EU-Energieplattform für gemeinsame Beschaffungen von Gas und "grünem" Wasserstoff sowie die im "REPowerEU"-Plan aufgeführten Maßnahmen. Mit "REPowerEU" hat die Kommission Maßnahmen zur Diversifizierung der Energieversorgung, zu Energieeinsparungen und -effizienz sowie zur beschleunigten Einführung erneuerbarer Energien vorgelegt – mit dem Ziel, die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen so rasch wie möglich, spätestens jedoch bis 2027, zu beenden.

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