Eurobarometer-Umfrage: Mehrheit der europäischen Bevölkerung für gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik

Über 70 Prozent der Europäerinnen und Europäer sehen sich als Bürgerinnen beziehungsweise Bürger der EU – Große Unterschiede zwischen den EU-Staaten bei der nationalen Wahrnehmung der Wirtschaft – Fast 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher blicken optimistisch in die Zukunft der EU 

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Bereits vor dem Start des russischen Invasionskrieges in der Ukraine haben sich 77 Prozent der Europäerinnen und Europäer für eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik unter den EU-Mitgliedstaaten ausgesprochen. Dies ist eines der Ergebnisse aus der "Standard Eurobarometer"-Umfrage 96 (Winter 2021/2022) mit dem Titel "Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union", welche zwischen 18. Jänner und 14. Februar 2022, und damit 10 Tage vor Beginn des Kriegs in der Ukraine, persönlich sowie online durchgeführt worden ist. Neben Themen in Bezug auf Sicherheit und Verteidigung in der EU enthält die im April 2022 veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage auch Ergebnisse im Hinblick auf das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in politische Institutionen, die wirtschaftliche Lage in der EU sowie Fragen zur Covid-19-Pandemie und zur europäischen Bürgerschaft.

Die wichtigsten Ergebnisse der "Standard Eurobarometer"-Umfrage 96 zur öffentlichen Meinung in der EU im Überblick

  • Fast 8 von 10 Europäerinnen und Europäern (77 Prozent) sprechen sich für eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU-Mitgliedstaaten aus; 17 Prozent sind im EU-Schnitt dagegen. In Österreich weichen die Angaben mit 61 Prozent Befürwortung und 33 Prozent Ablehnung vom EU-Schnitt ab. Die größte Unterstützung für eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU-Mitgliedstaaten ist in Zypern (95 Prozent), Litauen (89 Prozent) und Estland (87 Prozent) zu verzeichnen, die geringste in Bulgarien, Dänemark und Frankreich (jeweils 68 Prozent), Österreich (61 Prozent) und Schweden (58 Prozent). Weitere Politikfelder, die von den EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern breite Unterstützung erfahren, sind der freie Personenverkehr innerhalb der EU (85 Prozent Zustimmung, 11 Prozent Ablehnung) und eine gemeinsame Energiepolitik zwischen den EU-Mitgliedstaaten (75 Prozent Zustimmung, 17 Prozent Ablehnung). Die Top-3-Politikfelder, welche in Österreich stark unterstützt werden, sind an erster Stelle der freie Personenverkehr innerhalb der EU (74 Prozent Zustimmung, 20 Prozent Ablehnung) sowie auf den Plätzen 2 und 3 die Verstärkung der EU-Außengrenzen mit mehr Personal (69 Prozent Zustimmung, 26 Prozent Ablehnung) und die gemeinsame EU-Handelspolitik (64 Prozent Zustimmung, 28 Prozent Ablehnung).
  • Aus der Umfrage geht hervor, dass der Themenkomplex "Umwelt und Klimawandel" aktuell auf Platz 1 der als am wichtigsten wahrgenommenen Probleme rangiert, denen die EU derzeit gegenübersteht (26 Prozent im EU-Durchschnitt). Die Befragten sehen "Steigende Preise/Inflation/Lebenshaltungskosten" auf Platz 2. Hier ist beim Anteil der Befragten ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen: War dieses Item im Frühjahr 2021 noch auf Platz 6 des Rankings, so ist es nun mit 24 Prozent im EU-Durchschnitt auf Platz 2 gerückt (plus 12 Prozent Veränderung im Vergleich zum Frühjahr 2021). Das Thema "Einwanderung" steht im EU-Durchschnitt mit 22 Prozent unverändert an 3. Stelle. In Österreich steht "Umwelt und Klimawandel" mit 30 Prozent ebenfalls auf Platz 1 der aktuell als am wichtigsten wahrgenommenen Probleme für die EU, gefolgt von den Themenkomplexen "Wirtschaftliche Lage" (25 Prozent) und "Gesundheit" (23 Prozent).
  • Aus der Umfrage geht hervor, dass eine Mehrheit der Befragten in den 27 EU-Mitgliedstaaten nach eigenen Angaben Vertrauen in die EU hat. Demnach geben im EU-Durchschnitt 47 Prozent der Europäerinnen und Europäer an, der EU "eher zu vertrauen"; 44 Prozent führen an, der Union "eher nicht zu vertrauen". Die höchsten Anteile sind in Portugal mit 69 Prozent sowie Irland und Estland mit jeweils 63 Prozent Vertrauenszuspruch zu verzeichnen. Im Vergleich zur "Standard Eurobarometer"-Umfrage vom Frühjahr 2021 ist das Vertrauen in die EU in 17 EU-Mitgliedstaaten zurückgegangen, am stärksten in Litauen (59 Prozent, minus 10 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021), Spanien (45 Prozent, minus 9 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021) und Irland (63 Prozent, minus 8 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021). In 6 EU-Staaten ist das Vertrauen im Vergleichszeitraum hingegen gestiegen, allen voran in den Niederlanden (54 Prozent, plus 5 Prozentpunkte). In Österreich sind die Befragten zunehmend skeptisch gegenüber der EU eingestellt: Waren es bei der "Standard Eurobarometer"-Umfrage vom Frühjahr 2021 noch 45 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die anführten, der EU "eher nicht zu vertrauen", so ist dieser Wert in der aktuellen Umfrage um 6 Prozentpunkte auf 51 Prozent gestiegen. 42 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher (im Vergleich zu 45 Prozent im Frühjahr 2021) geben an, der EU "eher zu vertrauen", 7 Prozent (im Vergleich zu 10 Prozent im Frühjahr 2021) antworten mit "Weiß nicht".
  • Laut den Ergebnissen der Umfrage blicken die Bürgerinnen und Bürger in 26 EU-Mitgliedstaaten mehrheitlich optimistisch in die Zukunft der EU; nur in Griechenland wird die künftige Entwicklung der Union mehrheitlich pessimistisch gesehen. Im EU-Schnitt sehen 62 Prozent der Befragten die Zukunft der EU gesamtheitlich "optimistisch" und 35 Prozent "pessimistisch". Österreich orientiert sich am Durchschnitt der EU – 58 Prozent geben "optimistisch" und 38 Prozent "pessimistisch" an.
  • Auf die Frage, ob sich die Befragten als Bürgerinnen beziehungsweise Bürger der EU fühlen würden, antworten etwas mehr als 7 von 10 Personen (71 Prozent) im EU-Durchschnitt mit "Ja". Diese Ansicht wird in jedem EU-Mitgliedstaat von einer Mehrheit der Befragten geteilt. Die österreichischen Befragten fühlen sich zu 76 Prozent als Bürgerinnen beziehungsweise Bürger der EU, 24 Prozent in Österreich verneinen dies.
  • Insgesamt 89 Prozent der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger geben an, sich mit ihrem Dorf/ihrem Ort/ihrer Stadt "sehr" oder "ziemlich" verbunden zu fühlen; in Österreich liegt dieser Wert bei 92 Prozent. 91 Prozent der Europäerinnen und Europäer fühlen sich mit ihrem jeweiligen Land verbunden, in Österreich sind dies 94 Prozent. Mit der EU fühlen sich insgesamt 58 Prozent der Europäerinnen und Europäer "sehr" oder "ziemlich" verbunden. 40 Prozent geben dagegen an, sich "nicht sehr" oder "überhaupt nicht" mit der EU verbunden zu fühlen. Die Österreicherinnen und Österreicher fühlen sich zu 48 Prozent mit der EU "sehr" oder "ziemlich" verbunden, während 50 Prozent angeben, sich "nicht sehr" oder "überhaupt nicht" mit der EU verbunden zu fühlen.
  • 35 Prozent der befragten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sind der Ansicht, insgesamt "gut informiert" über europäische Angelegenheiten zu sein, während 64 Prozent meinen, "nicht gut informiert" zu sein. Die Österreicherinnen und Österreicher halten sich zu 50 Prozent für insgesamt "gut informiert" über EU-Angelegenheiten, während 49 Prozent angeben, dies nicht zu sein. Nach eigenen Aussagen erhalten die Bürgerinnen und Bürger Nachrichten zu europäischen Angelegenheiten am häufigsten via Fernsehen (allgemeine Sender: 32 Prozent im EU-Schnitt; Österreich: 31 Prozent; Nachrichtensender: 23 Prozent im EU-Schnitt; Österreich: 22 Prozent) und durch Informations-Websites etwa von Zeitungen oder Nachrichtenmagazinen (17 Prozent im EU-Schnitt; Österreich: 16 Prozent).
  • Im Hinblick auf die Bekämpfung sowie die Maßnahmen der EU in Bezug auf die Covid-19-Pandemie geben jeweils 49 Prozent der Europäerinnen und Europäer an, "zufrieden" beziehungsweise "nicht zufrieden" zu sein. In Österreich sind 43 Prozent mit den Maßnahmen der EU "zufrieden" und 50 Prozent "nicht zufrieden". In Bezug auf die Maßnahmen der nationalen Regierung sind in Österreich 49 Prozent (50 Prozent im EU-Durchschnitt) "zufrieden" – gegenüber 50 Prozent (48 Prozent im EU-Durchschnitt), die sich "nicht zufrieden" damit zeigen. Im Ländervergleich bewegen sich die Anteile der Befragten, die laut eigenen Aussagen mit den betreffenden nationalen Maßnahmen zufrieden sind, zwischen 84 Prozent in Dänemark und 29 Prozent in Lettland.
  • In Bezug auf die wirtschaftliche Situation in der EU verdeutlicht die Umfrage im Ländervergleich erhebliche Unterschiede, was die Wahrnehmung der jeweiligen Lage der nationalen Wirtschaft betrifft. So reichen die Anteile jener Personen, welche die Situation als "gut" wahrnehmen, von 90 Prozent in Dänemark und Luxemburg bis hin zu 10 Prozent in Bulgarien und Griechenland. 46 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher beurteilen die gegenwärtige wirtschaftliche Lage als "gut" – und liegen damit im Vergleich über dem EU-Durchschnitt von 39 Prozent. 58 der Befragten in den Mitgliedstaaten bewerten die gegenwärtige wirtschaftliche Lage als "schlecht"; in Österreich sind 52 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dieser Meinung.
  • Eine Mehrheit der Europäerinnen und Europäer (54 Prozent) ist der Meinung, dass der EU-Aufbauplan "NextGenerationEU" eine "sehr" oder "ziemlich" effektive Maßnahme sein wird, um auf die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie zu reagieren. Etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent) glaubt hingegen nicht, dass dieser effektiv sein wird, während 11 Prozent mit "Weiß nicht" antworten. In Österreich stellt der EU-Aufbauplan für 55 Prozent der Befragten eine "sehr" oder "ziemlich" effektive Maßnahmen zur wirtschaftlichen Bekämpfung der Pandemie dar; 34 Prozent teilen diese Ansicht nicht, während 11 Prozent mit "Weiß nicht" antworten. Überwiegend positiv sehen die Europäerinnen und Europäer die Gemeinschaftswährung: 69 Prozent der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sprechen sich grundsätzlich für die Wirtschafts- und Währungsunion beziehungsweise den Euro aus, 24 Prozent sind dagegen (Österreich: 71 Prozent für, 21 gegen die Wirtschafts- und Währungsunion beziehungsweise den Euro). 53 Prozent sind der Meinung, dass der Euro eine "sehr" oder "eher" positive Wirkung auf die Wirtschaft ihres jeweiligen Landes ausübe, während 33 Prozent "sehr" oder "eher" negative Auswirkungen sehen. 9 Prozent orten "weder positive noch negative" Auswirkungen, 5 Prozent antworten mit "Weiß nicht". In Österreich sind 55 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Meinung, dass der Euro "sehr" oder "eher" positive Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft habe; 26 Prozent sehen "sehr" oder "eher" negative Auswirkungen, 14 Prozent "weder positive noch negative" Auswirkungen (5 Prozent antworten mit "Weiß nicht").

Hintergrund: Details zur Umfrage

Die "Standard Eurobarometer"-Umfrage (Winter 2021/2022) im Auftrag der Generaldirektion Kommunikation der Europäischen Kommission von April 2022 ("Standard Eurobarometer" 96) unter dem Titel "Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union" wurde zwischen 18. Jänner und 14. Februar 2022 in allen EU-Mitgliedstaaten durchgeführt. Die Erhebungen erfolgten durch persönliche Interviews und wurden durch Online-Interviews ergänzt, wo dies aufgrund von Covid-19-Einschränkungen erforderlich war. Insgesamt wurden in den 27 EU-Mitgliedstaaten, 5 Kandidatenländern (Türkei, Republik Nordmazedonien, Albanien, Serbien, Montenegro) sowie der türkisch-zyprischen Gemeinschaft 37.506 Interviews durchgeführt – davon 26.696 in den 27 EU-Mitgliedstaaten und 1.019 in Österreich.

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