EU-Kommission stellt "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" vor
Starker Fokus der EU auf die wirtschaftliche Transformation hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit – "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" beruht auf 3 Schlüsselbereichen: Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit und soll in den nächsten 5 Jahren seine Wirkung entfalten

Nach Angaben der Europäischen Kommission fiel Europa in den vergangenen 2 Jahrzehnten bei den Produktivitätszuwächsen gegenüber anderen großen Volkswirtschaften weltweit zurück. Um diesen Trend umzukehren und die EU wirtschaftlich weiterhin zu stärken, stellte die Europäische Kommission am 29. Januar 2025 den "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" vor. Dieser Kompass soll als Leitfaden für die Amtszeit der neuen Europäischen Kommission dienen und damit die Grundlage zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit bilden. Die Mitteilung listet beispielhaft Maßnahmen und Initiativen für die nächsten Jahre auf. Die Europäische Kommission betont dabei die Ziele des "European Green Deal" nicht aufzuweichen, vielmehr nur die Transformation schneller und effizienter mit richtigen Anreizen für marktgesteuerte und technologieneutrale Lösungen erreichen zu wollen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Die Welt wartet nicht auf uns"
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte anlässlich der Präsentation zu den Herausforderungen, denen sich die EU im globalen Wettbewerb stellen müsse:
"Europa hat alles, was es braucht, um bei diesem Rennen zu gewinnen. Gleichzeitig müssen wir jedoch unsere Schwächen überwinden und wieder wettbewerbsfähig werden. Der 'Kompass für Wettbewerbsfähigkeit' macht aus den hervorragenden Empfehlungen des 'Draghi-Berichts' einen Fahrplan. Unser Plan steht also. Wir haben den politischen Willen. Jetzt kommt es auf Geschwindigkeit und Einigkeit an. Die Welt wartet nicht auf uns. Darin sind sich alle Mitgliedstaaten einig. Nun wollen wir diesem Konsens Taten folgen lassen."
Stéphane Séjourné, Exekutiv-Vizepräsident der Kommission und für Wohlstand und Industriestrategie zuständig, erklärte:
"Mit dem Kompass legt die Kommission ihre Wirtschaftsstrategie für die nächsten 5 Jahre vor. Diese Strategie ist einfach und lässt sich in einem Schlüsselwort zusammenfassen: Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit als Kriterium in jedem Euro, den wir ausgeben werden, und in jeder Initiative, die wir vorschlagen werden. Aus diesem Anspruch ergibt sich ein Arbeitsprogramm mit 3 Schwerpunkten: Vereinfachen, investieren und bei unseren wirtschaftlichen Prioritäten schneller werden. Von diesem Kompass muss für Europa und die Europäerinnen und Europäer ein Signal des Umdenkens ausgehen. Europa wird damit berechenbarer und hält gleichzeitig Kurs bei unserem europäischen Modell – dekarbonisiert, sozial und im Einklang mit unseren Werten."

3 Säulen: Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit
Auf Basis bisheriger Maßnahmen und deren Instrumente (wie zum Beispiel Net-Zero Industry Act, IPCEI, Better Regulation, und vieles mehr), Erklärungen (Antwerpen, Budapest, Politische Leitlinien) und diversen Erkenntnissen aus Analysen (Letta-, Niinistö-, Draghi-Bericht) wurden die folgenden 3 Schlüsselbereiche als zentrale Maßnahmenbereiche zur Steigerung der EU-Wettbewerbsfähigkeit definiert:
- Innovationen ankurbeln: Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften wie China und die USA bestehen in der EU teilweise Hürden für innovative Unternehmen. Aus diesem Grund sollen vor allem das Umfeld für junge innovative Start-Ups verbessert und die Digitalisierung von etablierten Unternehmen gefördert werden. Zudem schlägt die EU-Kommission vor, die Führungsrolle von wachstumsstarken Sektoren auf Basis von modernen Technologien zu stärken. Die Palette möglicher Innovationsbereiche, in denen die Europäische Kommission Aktionspläne und Initiativen plant, ist breit und reicht von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) über fortgeschrittene Werkstoffe sowie Quanten- und Biotechnologien bis hin zu Robotik oder Weltraumtechnologien. Konkret investiert die Kommission in diesem Bereich beispielsweise in "KI-Fabriken".
- Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang miteinander bringen: Ein besonderer Aspekt, der Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz verbindet, ist Energie. Hohe und volatile Energiepreise sind nach Ansicht der Kommission eine der größten Herausforderungen für sichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Um weiterhin wettbewerbsfähig in Europa produzieren zu können und gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen, führt der "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" unter anderem die folgenden konkreten Initiativen an:
- Mit dem von der Kommission für Ende Februar 2025 angekündigten "Deal für eine saubere Industrie" ("Industrial Clean Deal") möchte sich die EU als attraktiver Standort in der Fertigung sowie in der energieintensiven Industrie positionieren und saubere Technologien sowie die Kreislauforientierung von Produkten fördern.
- Der Aktionsplan für leistbare Energie soll Energiepreise und -kosten senken.
- Ein Rechtsakt zur beschleunigten Dekarbonisierung der Industrie soll schnellere Genehmigungsverfahren auf Wirtschaftszweige im Übergang ausweiten.
- Spezifische Aktionspläne finden sich in energieintensiven Bereichen wie in der Chemie-, Stahl- und der Metallproduktion.
- Strategische Abhängigkeiten reduzieren und wirtschaftliche Resilienz sichern: Die EU profitiert vom globalen Handel bereits aktuell durch eine Vielzahl an Partnerschaften und dem weltweit größten und am schnellsten wachsenden Netzwerk von Handelsabkommen, an dem 76 Staaten beteiligt sind. Etwa die Hälfte des Handels der EU entfällt auf diese Länder. Aus Sicht der Kommission sollen diese Partnerschaften durch Handelsabkommen weiter diversifiziert werden, um einseitige Abhängigkeiten beziehungsweise Lieferketten zu verhindern. Besonders relevant werden demnach in Zukunft neue Partnerschaften für sauberen Handel und Investitionen. Dadurch soll in Zukunft die Versorgung mit sauberen Rohstoffen, Energien und Technologien gesichert werden. Gleichzeitig möchte die EU-Kommission verstärkt auf Kreislaufwirtschaft setzen und die europäische Präferenz bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für kritische Sektoren stärken.
Strukturelle Maßnahmen für einen wettbewerbsfähigen Regulierungsrahmen
Zusätzlich zu den angekündigten Initiativen entlang der 3 Schlüsselbereiche sollen die folgenden strukturellen Maßnahmen gesetzt werden, um einen wettbewerbsfähigen Regulierungsrahmen für alle Industrien zu gewährleisten:
- Vereinfachung: Systematische Reduktion des Verwaltungsaufwands im Umfang von minus 25 Prozent für Unternehmen und minus 35 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), etwa durch den Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten (ein "Omnibus-Vorschlag" soll beispielsweise die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit, die Sorgfaltspflicht und die Taxonomie einfacher gestalten);
- Abbau von Hindernissen im europäischen Binnenmarkt: insbesondere für KMU und Start-up-Unternehmen, etwa durch schnellere und leichter zugänglichere Normungsverfahren;
- Finanzierung: Vorstellung einer "Europäischen Spar- und Investitionsunion", um neue Spar- und Anlageprodukte sowie Anreize für Risikokapital zu schaffen, sowie Straffung des Zugangs zu EU-Mitteln im Einklang mit den Prioritäten der EU im künftigen EU-Haushalt ab 2027;
- Förderung von Kompetenzen und hochwertigen Arbeitsplätzen: Schwerpunkte auf Investitionen, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen, Mobilität, Anwerbung und Integration qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten sowie Anerkennung von Qualifikationen;
- Bessere Koordinierung der politischen Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene: Ein "Fonds für Wettbewerbsfähigkeit" soll im künftigen EU-Haushalt ab 2027 an die Stelle bestehender EU-Finanzinstrumente treten, um die Wettbewerbsfähigkeit mit gezielten Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene zu stärken.
Hintergrund: Der "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" der Europäischen Kommission
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im September 2023 in ihrer "Rede zur Lage der Europäischen Union" angekündigt, den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit der Erarbeitung eines Berichts über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit beauftragen zu wollen. Seine Analysen und Vorschläge sowie Empfehlungen finden sich zum Teil in den Mandatsschreiben der Kommissionspräsidentin an die Mitglieder der EU-Kommission (2024-2029), in den politischen Leitlinien der Kommission sowie im "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" wieder.
Ursula von der Leyen hat die Legislaturperiode 2024-2029 zur "Competitiveness Decade" erklärt und angekündigt, den Verwaltungsaufwand weiter reduzieren sowie den europäischen Binnenmarkt stärken zu wollen. Am 27. November 2024 war von der Kommissionpräsidentin ein Kompass für Wettbewerbsfähigkeit als erste großangelegte Initiative der Kommission während dieses Mandats angekündigt worden. Auf Basis der am 29. Jänner 2025 veröffentlichten Mitteilung sollen 2025 und 2026 zahlreiche konkrete Legislativvorschläge präsentiert werden, welche die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft verbessern sollen.