Bundeskanzler Stocker: Aus dem Konsens der konstruktiven Kräfte Stärke gewinnen
Regierungserklärung im Nationalrat
"Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten, aber gewiss längsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes. Diese Regierungsbildung war nur möglich, weil wir 3 Parteien über unseren Schatten gesprungen sind. Weil wir verstanden haben, dass ein Kompromiss keine Niederlage ist, sondern ein Erfolg für das ganze Land sein kann", sagte Bundeskanzler Christian Stocker bei seiner Regierungserklärung im Nationalrat. Letztendlich seien alle 3 Parteien bereit gewesen, den Fokus darauf zu richten, was sie gemeinsam eine, "nämlich der Wille, für Österreich zu arbeiten und dieses wunderschöne Land und seine Menschen in eine gute Zukunft zu führen", so Stocker, der sich bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen für die umsichtige Begleitung der Regierungsbildung und bei Vizekanzler Andreas Babler sowie bei Bundesministerin Beate Meinl-Reisinger bedankte.
Konsens und Kompromiss Schlüssel zu mutigen Zukunftsentscheidungen
Der Bundeskanzler hielt in seiner Rede fest, dass Österreich in Zeiten großer Herausforderungen "seine Stärke immer aus dem Konsens der konstruktiven Kräfte gewonnen" habe. Er erinnerte an Leopold Figl oder Adolf Schärf, die den Wiederaufbau Österreichs zu verantworten hatten und nach sehr schwieriger Zeit einander die Hand reichten und gemeinsam eine Koalition eingingen. "Die heutigen Herausforderungen reichen nicht an die damaligen heran. Das zu behaupten, wäre vermessen. Aber wir können aus der damaligen Zeit lernen, sowohl wir als Politikerinnen und Politiker hier im Nationalrat als auch die Menschen in unserem Land." Der Glaube an eine gute Zukunft sei eine bewusste Entscheidung, "die jeder von uns jeden Tag trifft", betonte der Kanzler. Es brauche wieder mehr Optimismus, mehr Selbstbewusstsein und eine Rückbesinnung auf die eigenen Stärken.
Auch der Beitritt zur Europäischen Union sei eine Zusammenarbeit von Volkspartei und Sozialdemokratie gewesen, verbunden mit den Namen Alois Mock und Brigitte Ederer. "Der Beitritt zur Europäischen Union war eine der besten Entscheidungen, die das österreichische Volk je getroffen hat. Damals in den 1990er-Jahren war die Welt im Umbruch. Wir haben gesehen, dass ein geeintes Europa die beste Antwort auf diesen Umbruch ist. Das war damals so und das ist auch heute so. In den entscheidenden Momenten unserer Republik wurde sichtbar, dass Konsens und Kompromiss nicht Stillstand bedeuten, sondern der Schlüssel zu mutigen Zukunftsentscheidungen ist", so Stocker.
Sozialpartnerschaft Unikat und Stärke der Republik
Als weiteres Beispiel für die Stärke aus dem Konsens der konstruktiven Kräfte nannte der Bundeskanzler die Sozialpartnerschaft, die die Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von der Straße auf den Verhandlungstisch verlegte. Diese sei ein österreichisches Unikat, eine Stärke dieser Republik. Die Zusammenarbeit, der Konsens und die Sozialpartnerschaft würden Österreich auszeichnen. "Unser Platz ist im Herzen Europas. In unserem Rechtsstaat folgt die Politik dem Recht und nicht umgekehrt. Unsere Kultur und unsere Traditionen sowie die Kraft, ein militärisch neutrales Land zu sein und dennoch Recht von Unrecht unterscheiden zu können, sind einzigartig."
Gesellschaft wieder zusammenzuführen
"Heute sagen viele, Österreich sei ein tief gespaltenes Land: links gegen rechts, Stadt gegen Land, Jung gegen Alt, EU-Befürworter gegen EU-Kritiker, um nur einige Beispiele zu nennen. In gewisser Weise muss man auch zugestehen: Ja, es gibt immer noch Verwundungen zwischen Menschen, die noch nicht ganz verheilt sind. Eines der wichtigsten Ziele dieser Legislaturperiode muss daher sein, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Das bedeutet nicht, einer Seite ihre Ansichten zu verbieten und neue aufzuzwingen, sondern andere Meinungen zu akzeptieren", betonte der Regierungschef und appellierte an alle politisch Tätigen, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Neue Dynamik in der Bundespolitik
Der Bundeskanzler zeigte sich davon überzeugt, dass es durch die erstmal 3 Regierungspartner eine neue Dynamik in der Bundespolitik geben werde; die zusätzlichen Blickwinkel würden einen echten Mehrwert für das Land schaffen: "Wir haben uns nicht gegenseitig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterverhandelt, sondern wir haben es geschafft, dass die Schwerpunkte aller Parteien im Regierungsprogramm abgebildet sind. Wir sind bereit, uns gegenseitig Raum zu geben und uns gegenseitig Erfolge zu gönnen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit", so Stocker.
Denn gerade in herausfordernden Zeiten, in der Europa und auch die Welt im Umbruch sei, brauche es Stärke und Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte. "Wir wissen, dass weiterhin der brutale russische Angriffskrieg in der Ukraine tobt, mit all seinen Folgen für Europa und für Österreich. Wir erleben aktuell eine wirtschaftliche, herausfordernde Situation und haben mehr als 2 Jahre Rezession hinter uns. Das spüren wir nicht nur als Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort, sondern auch in unserem Budget: 1 Prozent weniger Wirtschaftswachstum bedeutet 0,5 Prozent höheres Defizit. Das zeigt, wie eng dieser Zusammenhang ist. Darüber hinaus gibt es drängende Themen, wie die illegale Migration, die uns Tag für Tag beschäftigen und gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene erfordern."
"Die Welt wird auf uns nicht warten"
Es brauche daher in Österreich eine Bundesregierung, die die Kraft habe, die richtigen Maßnahmen zu setzen und diese im Sinne der österreichischen Bevölkerung umzusetzen. Die Regierungsparteien haben sich daher auf ein ausgewogenes Arbeitsprogramm verständigt. "Auch in Zeiten wachsender Polarisierung haben alle 3 Parteien Staatsräson bewiesen und einen pragmatischen Zugang zu den Regierungsverhandlungen gewählt. In dieser Legislaturperiode ist auch abseits der Budgetkonsolidierung einiges zu tun. Die Welt wird auf uns nicht warten", so Bundeskanzler Stocker. Insbesondere seien stabile internationale Beziehungen für die Wirtschaft, die Arbeitsplätze und den Wohlstand Österreichs unerlässlich und sollten daher auch gestärkt werden. "Sie sind aber auch für die Sicherheit und eine Vielzahl anderer Lebensbereiche von großer Bedeutung. Mit dieser Bundesregierung wird Österreich ein verlässlicher Partner in der freien Welt bleiben."
Kampf gegen die irreguläre Migration und den Missbrauch des Asylsystems
Als Kernpunkte des gemeinsamen Regierungsprogrammes nannte der Kanzler etwa den Kampf gegen Extremismus, die irreguläre Migration und gegen den Missbrauch des Asylsystems. "Wer dauerhaft bei uns leben will, muss unsere Werte verinnerlichen, unsere Sprache erlernen, arbeiten gehen und etwas zu unserer Gesellschaft beitragen", so Stocker. Jeder, der etwas vom Staat bekommt, müsse dafür auch etwas leisten. Darüber hinaus werde der Familiennachzug bis auf Weiteres mit sofortiger Wirkung gestoppt, um das Bildungssystem und die Gesellschaft vor Überlastung und Überforderung zu schützen.
Sicherheit zukunftsfit machen
Es brauche zudem eine ganze Reihe an Maßnahmen, um die innere und äußere Sicherheit zukunftsfit zu machen und zu verbessern. "Die Personaloffensive der österreichischen Polizei wird auch in Zukunft weiterlaufen", so Stocker. Mit der Mission Vorwärts investiere Österreich wiederum in die Verteidigungsfähigkeit des Bundesheeres und in die äußere Sicherheit. "Das ist angesichts der geopolitischen Lage nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Müssens." Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, Österreich besser vor potenziellen Angriffen zu schützen.
"Wir wollen in einem Österreich leben, in dem Fleiß belohnt wird"
Als weitere Kernaufgabe habe sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, Leistung und Engagement in allen Bereichen zu fördern. Um die Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Landwirtinnen und Landwirte zu entlasten, sollen etwa die Entbürokratisierung vorangetrieben, Doppelgleisigkeiten abgestellt und Berichtspflichten reduziert werden. "Wir bekennen uns klar zu einem starken und erfolgreichen Wirtschaftsstandort. Wir wollen in einem Österreich leben, in dem Fleiß belohnt wird", so der Bundeskanzler.
Aktives Engagement auf europäischer und internationaler Ebene
In einer Zeit, in der scheinbar das Recht des Stärkeren vorherrsche sei es notwendig, sich dessen bewusst zu werden, ob man auf der Seite des Täters oder des Opfers stehe. "Mit dieser Bundesregierung und mit mir als Bundeskanzler wird sich Österreich selbstverständlich weiterhin aktiv und konstruktiv auf europäischer Ebene und auf internationaler Bühne engagieren. Darauf können sich die Menschen in unserem Land verlassen", betonte Stocker.
"Es wartet mehr als genug Arbeit auf uns. Aber wenn wir weiter nach dem Prinzip vorgehen: 'Nicht wir gegeneinander, sondern gemeinsam für Österreich', dann bin ich optimistisch, dass wir am Ende der Legislaturperiode in einem besseren, in einem schöneren Österreich leben", so Bundeskanzler Stocker abschließend.