Regierungserklärung von Bundeskanzler Christian Stocker
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Liebe Regierungskollegen und -kolleginnen!
Lieber Herr Vizekanzler!
Liebe Frau Außenministerin!
Vor allem aber: Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten, aber gewiss längsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes. Ich bin mir bewusst, dass das Bild, das die Politik in den vergangenen Monaten abgegeben hat, für viele kein Gutes war.
Nichtsdestotrotz stmmt es mich sehr positiv, unter welchen herausfordernden Rahmenbedingungen die Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS zustande gekommen ist: Alle drei Parteien waren bereit, aufeinander zuzugehen, Kompromisse einzugehen und den Fokus darauf zu richten, was uns eint. Nämlich der Wille, für die Österreicherinnen und Österreicher zu arbeiten und dieses wunderschöne Land in eine gute Zukunft zu führen.
Diese Regierungsbildung war nur möglich, weil alle drei Parteien über ihren Schatten gesprungen sind.
Weil wir verstanden haben, dass ein Kompromiss keine Niederlage ist. Sondern ein Erfolg für das ganze Land. Ich danke Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der den Prozess der Regierungsbildung umsichtig begleitet und bei aller Aufgeregtheit immer Ruhe bewahrt und nie das aus den Augen verloren hat, was am Ende wirklich zählt. Nämlich eine handlungsfähige Regierung für unser Land. Denn das haben sich die Menschen in Österreich erwartet und auch verdient.
Zudem möchte ich mich bei Vizekanzler und SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler sowie bei Bundesministerin und NEOS-Vorsitzender Beate Meinl-Reisinger bedanken. Wir haben in den vergangenen Wochen viel Zeit miteinander verbracht - wir haben bis in die Nacht diskutiert, dabei manchmal auch heftiger, aber auch wieder zurück zum Konsens gefunden. Das zeigt: Wir haben auch eine menschliche und persönliche Grundlage gefunden, die das
Fundament dieser Zusammenarbeit ist.
Das Resultat ist eine breite Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS. Eine Mischung aus Bewährtem und Neuem.
Was meine ich mit dem Bewährten? In Zeiten großer Herausforderungen hat Österreich seine Stärke immer aus dem Konsens der konstruktiven Kräfte gewonnen.
Beispiel: Leopold Figl und Adolf Schärf: Wiederaufbau
Es war ein entscheidender Moment in der Geschichte der Zweiten Republik und gewissermaßen auch die Geburtsstunde eines neuen Österreichs, als sich Sozialdemokratie und Volkspartei zum ersten Mal die Hand reichten und gemeinsam eine Koalition eingingen.
Damals in Regierungsverantwortung: Bundeskanzler Leopold Figl und Vizekanzler Adolf Schärf. Beide sind Persönlichkeiten, die heute parteiübergreifend höchstes Ansehen genießen. Und dieses Ansehen kam nicht von selbst, dieses Ansehen haben sie sich erarbeitet. Denn, als sie die Geschicke Österreichs übernommen hatten, fehlte es unserem Land am Nötigsten: Nahrung, Wohnraum, Wärme. Aber an einem fehlte es den Menschen damals nicht: An der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich und die kommenden Generationen. Die heutigen Herausforderungen reichen nicht an die damaligen Herausforderungen heran. Das zu behaupten, wäre vermessen.
Aber wir können aus der damaligen Zeit viel lernen. Sowohl wir als Politikerinnen und Politiker hier im Nationalrat als auch wir alle, die Menschen in unserem Land, wir als Österreicherinnen und Österreicher, können daraus lernen. Die politischen
Verantwortungsträger, Figl und Schärf, haben damals nicht Verantwortung getragen, weil es einfach war, sondern weil Österreich sie gebraucht hat. Und sie haben sich bewusst dazu entschieden, den Menschen Hoffnung zu geben und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen.
Was den Wert von Zusammenarbeit anbelangt, können und sollen sie alle uns heute ein Vorbild sein. Wenn wir aus der Geschichte lernen und heute gemeinsam mit jedem einzelnen in dieser Republik an einem besseren Morgen für unsere Kinder und Enkelkinder arbeiten, können und werden wir dieses Ziel erreichen. Was die Menschen damals gut wussten und wir alle heute wieder verinnerlichen müssen, ist: Es beginnt bei uns selbst. Optimismus und der Glaube an eine gute Zukunft sind eine bewusste Entscheidung, die jeder von uns jeden Tag trifft.
Wir können nicht alle Umstände, die unser Leben beeinflussen, kontrollieren, aber wir können immer entscheiden, wie wir den Herausforderungen des Lebens und den Herausforderungen in der Politik begegnen.
Also haben wir etwas mehr Selbstbewusstsein und vergewissern wir uns unserer Stärken.
Julius Raab und Bruno Pittermann: Das Wirtschaftswunder
Was man erreichen kann, wenn man sich dazu entscheidet, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken, kann uns ein weiteres Beispiel aus der Geschichte zeigen: das österreichische Wirtschaftswunder. Auch das ist uns nicht in den Schoß gefallen. Es war der Optimismus und der Fleiß der Menschen, der uns das Wirtschaftswunder beschert und damit den Grundstein für den heutigen Wohlstand unseres Landes gelegt hat.
Innerhalb einer halben Generation wurde Österreich von einem zerstörten Land zu einem starken Wirtschaftsstandort, zu einer guten, lebenswerten Heimat für uns alle. Auch diese Zeit wurde von einem Duo aus Volkspartei und Sozialdemokratie geprägt – von Bundeskanzler Julius Raab und Vizekanzler Bruno Pittermann. Diese frühen Jahre der Zweiten Republik, die von diesen großen Staatsmännern geprägt wurden, verpflichten uns, die Politiker von heute. Sie verpflichten uns dazu, mit neuen Wegen und kreativen Lösungen die Herausforderungen von heute anzugehen, um ein besseres Morgen für unsere Kinder und Enkelkinder zu
ermöglichen.
Alois Mock und Brigitte Ederer: EU-Beitritt
Der nächste große Wurf der Zusammenarbeit konstruktiver Kräfte war eine der zukunftsweisendsten und wichtigsten Entscheidungen, die die Menschen in unserem Land jemals getroffen haben: Das JA zum Beitritt zur Europäischen Union. Eine der besten Entscheidungen, die unser Souverän, das österreichische Volk, je getroffen hat. Mit diesem Schritt sind wir vom Rand Europas ins Herzen unseres Kontinents gerückt. Damals, in den 1990er Jahren, war die Welt im Umbruch. Wir haben gesehen, dass ein geeintes Europa die beste Antwort auf diesen Umbruch ist.
Aber der Europäische Funke ist nicht von selbst auf uns übergesprungen. Es waren wieder einzelne Menschen, große Politikerinnen und Politiker, Alois Mock und Brigitte Ederer, die den Weg Österreichs nach Europa bereitet haben. Alois Mock als Außenminister und Brigitte Ederer als Europastaatssekretärin.
Vom Wiederaufbau unserer Republik über das Wirtschaftswunder bis hin zum Beitritt zur Europäischen Union und die Überwindung großer Krisen: In den entscheidenden Momenten unserer Republik wurde sichtbar, dass Konsens und Kompromiss nicht Stillstand bedeuten, sondern der Schlüssel zu mutigen Zukunftsentscheidungen sind. Und in all dieser Zeit, in jeder Phase unserer Republik, war es auch die Sozialpartnerschaft, die Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von der Straße an den Verhandlungstisch verlegt hat – ein österreichisches Unikat auf der Weltbühne.
Das gibt es in dieser Qualität nirgendwo sonst! Es ist nichts Geringeres als ein Standortvorteil für Österreich, dass unsere Sozialpartnerschaft Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern friedlich, fernab der Straße löst.
Die Sozialpartnerschaft, unser Platz im Herzen Europas, unser Rechtsstaat, in dem die Politik dem Recht folgt und nicht umgekehrt, unsere Kultur, unsere einzigartigen Traditionen, die Kraft, ein neutrales Land zu sein und dennoch Recht von Unrecht, Angreifer von Angegriffenen zu unterscheiden – das sind viele der Dinge, die uns als Land ausmachen.
Und unser Land seit vielen Jahren tief prägen. Vieles davon haben wir großen Frauen und Männern zu verdanken, die zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte gefunden haben, um die Menschen dieses Landes von guten Ideen zu überzeugen.
Viele sagen, Österreich sei ein tief gespaltenes Land, aus ganz unterschiedlichen Gründen und aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Links gegen rechts, Stadt gegen Land, jung gegen alt, EU-Befürworter gegen EU-Kritiker, um nur einige Beispiele zunennen. Und in gewisser Weise muss man zugestehen:
Ja, oftmals gibt es immer noch Verwundungen zwischen Menschen, auch innerhalb von Familien, die noch nicht ganz verheilt sind. Eines der wichtigsten Ziele dieser Legislaturperiode muss sein, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Und das bedeutet nicht, einer Seite ihre Ansichten zu verbieten und neue aufzuzwingen – ganz im Gegenteil.
Oftmals hat unsere Gesellschaft verlernt, andere Meinungen zu akzeptieren, und zwar auch dann, wenn sie einem selbst nicht gefallen. Gerne leidenschaftlich zu debattieren, aber immer so, dass man sich danach noch in die Augen schauen kann.
Da hilft es vielleicht auch, dass alle Parteichefs der Koalitionsparteien - Andreas Babler in Traiskirchen, Beate Meinl-Reisinger im Ersten Wiener Gemeindebezirk und ich selbst in Wiener Neustadt - das politische Handwerk in der Kommunalpolitik gelernt haben. Und in der Kommunalpolitik ist es ganz normal, dass man andere Meinungen, andere Parteien, einbindet und sich alle, auch nach einer hitzigen Gemeinderatssitzung, noch in die Augen schauen und wieder auf das sprichwörtliche oder auch das wortwörtliche Bier gehen können. Dieser kommunalpolitische Ansatz würde uns als Bundespolitik und auch Teilen der Gesellschaft sehr guttun.
Darum will ich an dieser Stelle alle politischen Verantwortungsträger dieses Hauses einladen – lasst uns alle, egal ob Regierungspartei oder Oppositionspartei, Parlamentarier oder Minister, mit gutem Beispiel vorangehen. Mit dieser Bundesregierung wird auch eine neue Dynamik in die Bundespolitik einkehren, die, so hoffe ich, unser Land nach vorne bringt.
Die Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS ist eine Mischung aus Bewährtem und Neuem. Aber was ist das Neue? Zum einen: Wir sind erstmals in der Geschichte unseres Landes zu dritt. Drei konstruktive Kräfte teilen sich die
Verantwortung für Österreich.
Der Eintritt von drei Parteien in diese Bundesregierung macht diese Koalition nicht nur stabiler, sondern auch breiter und schafft zusätzliche Blickwinkel und damit einen echten Mehrwert für unser Land. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch die unterschiedlichen Einstellungen unserer Parteien durch gegenseitiges Verständnis, Wertschätzung und ehrlichen Umgang miteinander zum Wohle Österreichs beitragen werden. Verschiedene Blickwinkel und Perspektiven sind keine Schwäche, sondern ganz im Gegenteil die Stärke, die unsere liberale Demokratie ausmacht.
Zum anderen haben wir in der Systematik einen neuen Zugang gewählt. Wir haben uns nicht gegenseitig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterverhandelt. Ganz im Gegenteil: Wir haben es geschafft, die Schwerpunkte aller Parteien im Regierungsprogramm abzubilden. Wir sind bereit, uns gegenseitig Raum zu geben. Und wir sind auch bereit, uns gegenseitig Erfolge zu gönnen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit eine Zusammenarbeit aus drei unterschiedlichen Parteien funktioniert.
Ich gehe mit meinem Regierungsteam voller Zuversicht an die Arbeit.
Es geht nicht um links oder rechts, es geht nicht um Grabenkämpfe, um Befindlichkeiten, darum wer sich durchsetzt, wer gewinnt, um eine Parteifarbe. Es geht nicht um parteipolitische Interessen oder um taktische Manöver. Die Dimension der Aufgaben, die wir lösen müssen, ist dafür zu groß. Die Herausforderungen sind historisch und zu weitrechend. Es geht um Rot-Weiß-Rot. Es geht um 9 Millionen Menschen in unserem Land.
Wir sind eine Regierung der Mitte, die in der guten österreichischen Tradition des Kompromisses alles daransetzen wird, eine gute Zukunft für unser Land zu gestalten – mit den besten Lösungen für alle. Es ist nicht immer einfach, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, aber ich bin mir sicher: Es ist der beste Weg nach vorne. Als Politik müssen wir an alle Menschen in unserem Land denken, an das Staatsganze, und nicht nur an einzelne Gruppen. Deshalb gebe ich hier und heute ein Versprechen ab: Ich will und ich werde Bundeskanzler für alle Menschen sein. Nicht nur für die Wählerinnen und Wähler der drei Koalitionsparteien.
Ich gehe bewusst auf jene zu, die die Oppositionsparteien gewählt haben. Der Wahlkampf ist vorbei, die Arbeit hat begonnen, jetzt zählt Rot-Weiß-Rot und ein neues Miteinander.
Nur, indem wir die Bedürfnisse aller Menschen unter einen Hut bekommen, werden wir die Risse, die in unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt entstanden sind, wieder schließen können. Dieses Ziel sollte alle einen, die es mit unserem Österreich gut meinen. Ich jedenfalls lade alle ein, gemeinsam an diesem Ziel mitzuarbeiten.
Gerade jetzt braucht es die Stärke und die Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte mehr denn je. Es tobt weiterhin der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, mit all seinen Folgen für Europa und auch Österreich. Wir erleben aktuell eine wirtschaftlich sehr herausfordernde Situation und haben mehr als zwei Jahre Rezession hinter uns – das spüren wir nicht nur als Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort, sondern das spüren wir auch im Budget.
Ein Prozentpunkt weniger Wirtschaftswachstum bedeutet ein um 0,5 Prozentpunkte höheres Defizit – das zeigt, wie eng die konjunkturelle und die budgetäre Lage miteinander verwoben sind. Und darüber hinaus gibt es drängende Themen, wie die illegale Migration, die uns Tag für Tag beschäftigen und gemeinsame Lösungen auf EU-Ebene erfordern. Es braucht daher in Österreich eine Bundesregierung, die auch die Kraft hat, die richtigen Maßnahmen zu setzen.
Um diese Maßnahmen Schritt für Schritt im Sinne der österreichischen Bevölkerung umzusetzen, haben wir uns auf ein gutes und ausgewogenes Arbeitsprogramm verständigt. Darauf bin ich sehr stolz, denn es zeigt eines: Auch in Zeiten wachsender Polarisierung haben alle drei Parteien, die mitverhandelt haben, Staatsräson bewiesen und einen pragmatischen Zugang zu den Regierungsverhandlungen gewählt. In dieser Legislaturperiode ist auch abseits der Budgetkonsolidierung einiges zu tun, denn die Welt wartet nicht auf uns.
Erlauben Sie mir nun, Ihnen ein paar Kernpunkte aus unserem Programm abseits der Budgetsanierung vorzustellen.
Erstens: Wir setzen den Kampf gegen illegale Migration, den Missbrauch des Asylsystems und gegen Extremismus fort und stellen ohne ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ klar: Wer dauerhaft bei uns leben will, muss unsere Werte verinnerlichen, unsere Sprache erlernen und arbeiten gehen.
Deshalb führen wir ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab dem ersten Tag ein. Während der Integrationsphase, die bis zu drei Jahre dauert, wird es nur eine reduzierte Sozialunterstützung geben.
Wir wollen die Verpflichtung schaffen, dass jeder, der vom Staat etwas bekommt, auch etwas leisten muss. Sei es durch Arbeit oder eine gemeinnützige Tätigkeit. Und zum Schutz von unmündigen minderjährigen Mädchen erarbeiten wir ein verfassungskonformes gesetzliches Kopftuchverbot.
Zudem wird der Familiennachzug bis auf Weiteres mit sofortiger Wirkung gestoppt. Sollten die Asylantragszahlen in Zukunft wieder steigen, werden wir einen Asylstopp im Rahmen der EU-Notfallklausel verhängen.
Wir als Volkspartei haben, ganz gleich in welcher Verhandlungskonstellation, immer auf das Thema Sicherheit gesetzt. Wir brauchen eine ganze Reihe an Maßnahmen, um die innere und auch die äußere Sicherheit unseres Landes zukunftsfit zu machen und immer weiter zu verbessern, um die Menschen im Land verlässlich zu schützen. Die Personaloffensive der österreichischen Polizei, die federführend von Innenminister Gerhard Karner initiiert wurde, wird auch in Zukunft weiterlaufen.
Um Sicherheit im Land zu gewährleisten, braucht die Polizei aber nicht nur ausreichend Personal, sondern auch ausreichend Befugnisse – auch wenn einige das bis heute nicht wahrhaben wollen. Darum bin ich sehr froh, dass wir uns darauf geeinigt haben, eine verfassungskonforme Gefährder-Überwachung zu ermöglichen. Vielen Dank an dieser Stelle nochmals an NEOS und SPÖ. Ich weiß, dass hier einige Sorgen hatten und über ihren Schatten springen mussten. Aber es ist meiner Meinung nach wieder ein Beweis, dass uns viel Gutes gelingen kann, wenn wir Pragmatismus über Ideologie stellen.
Und Sicherheit beginnt nicht erst an der Landesgrenze, nein. Die geopolitischen Krisen, die uns derzeit beschäftigen, spielen sich außerhalb unserer Landesgrenze ab. Unsere 100 Vertretungsbehörden, quer über den Globus verteilt, sind gewissermaßen unsere Augen und Ohren in der Welt. Ein Frühwarnsystem und unsere Interessensvertretung im Ausland. Die Aufgabe, uns selbst im internationalen Wettbewerb zu behaupten, wird uns niemand anderer abnehmen. Daher ist für ein Land wie Österreich ein effizientes Außenministerium und ein weltweit funktionierendes Vertretungsnetzwerk eine Notwendigkeit. Auch für unsere Sicherheit.
Wenn wir von Sicherheit sprechen, sprechen wir auch von Landesverteidigung. Mit der Mission Vorwärts investieren wir in die Verteidigungsfähigkeit unseres Bundesheeres, in die äußere Sicherheit. Das ist angesichts der geopolitischen Lage nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Müssens. Insbesondere auch der Raketen- und Drohnenschutzschirms SkyShield wird dazu beitragen, Österreich besser vor potenziellen Angriffen zu schützen.
Zweitens: Wir wollen Leistung und Engagement in allen Bereichen fördern und bekennen und klar zu einem starken und erfolgreichen Wirtschaftsstandort
Denn ohne fleißige und engagierte Menschen in allen Bereichen wäre unsere heutige soziale Marktwirtschaft so nicht vorstellbar. Darum war und ist es uns ein Anliegen, den Fleißigsten unserer Gesellschaft auch etwas zurückzugeben. Deshalb werden wir eine Mitarbeiterprämie einführen, Arbeiten im Alter attraktiver machen und Überstunden steuerlich entlasten. Gleichzeitig haben wir das Ziel, die Lohnnebenkosten stufenweise zu senken.
Mit der Einführung einer Entbürokratisierungsstelle, die Doppelgleisigkeiten aufspürt und Berichtspflichten überprüfen und reduzieren soll, stellen wir sicher, dass unsere Unternehmerinnen und Unternehmer das tun können, was sie in ihrem Geschäftsleben tatsächlich weiterbringt, statt sich mit zeitraubender Bürokratie zu beschäftigen, die Geld kostet und Ressourcen bindet, die woanders besser eingesetzt werden könnten. Wir wollen in einem Österreich leben, in dem
Fleiß belohnt wird, Unternehmer frei sind in ihrem Handeln, Arbeitsplätze geschaffen werden und Wachstum wieder Realität wird.
Zusammengefasst: Es braucht einen Turbo für den Wirtschaftsstandort Österreich.
Drittens: Wir haben uns in unserem Arbeitsprogramm darauf verständigt, dass wir Österreichs Landwirtschaft unterstützen und zukunftssicher weiterentwickeln wollen.
Auch unsere Landwirtschaft hat von dieser Bundesregierung einige Verbesserungen zu erwarten. Die Probleme, die Bauern und Unternehmer ausgesetzt sind, sind oft, wenn man sie auf das Wesentliche herunterbricht, sehr Ähnliche. Stichwort Bürokratie.
Unsere Landwirte und Unternehmer wollen arbeiten und wirtschaften und keine Berichte abliefern, die sich, salopp formuliert, am Ende des Tages sowieso kein Mensch durchliest. Darum Berichtspflichten reduzieren, Bürokratie abbauen. Gleichzeitig setzen wir uns für den Erhalt der GAP-Mittel der Europäischen Union und den Erhalt unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft mit ihren bäuerlichen Familienbetrieben ein. Zudem bekennen wir uns zu Klimaschutz mit Hausverstand. Das bedeutet, dass wir niemandem mit Verboten und Geboten vorschreiben, wie er oder sie zu leben hat. Sondern wir setzen auf Klimaschutz durch Technologie und Innovation.
Das sind die wirklich großen Hebel, um effektiven Klimaschutz sicherzustellen. In diesem Bereich haben wir in Österreich echte Vorzeigebetriebe, die sich beispielsweise damit beschäftigen, wie CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden kann.
Viertens: Wir stehen für ein Österreich, das für alle Generationen beste Lebensbedingungen bietet. Und wir stehen für unsere Familien, sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Eine der wichtigsten Aufgaben dieser Bundesregierung wird auch sein, die österreichischen Familien effektiv zu unterstützen.
In den letzten Jahrzehnten hat sich viel für die Menschen in unserem Land verbessert. Aber gerade Jungfamilien haben es heutzutage oft schwerer als ihre Eltern- und Großelterngeneration, wenn es um ein Thema geht: Wohnraum. Ganz speziell leistbarer Wohnraum. Für mich ist klar: Die Familiengründung und das Familienglück einer ganzen Generation soll und darf nicht am Wohnraum scheitern.
Wenn man über junge Menschen und über Familie spricht, darf man aber auch eines nicht vergessen: Bildung ist Zukunft. Die Zukunft unserer Kinder und auch die Zukunft unserer gesamten Gesellschaft.
Darum haben wir in unserem Arbeitsprogramm auch einen ganz besonderen Fokus auf Bildung gelegt. Wir werden die Schulautonomie stärken und mit der mittleren Reife verbindliche Bildungsstandards und Sprachstandserhebungen etablieren. Dabei sind die Eltern nicht nur eingeladen, zu kooperieren. Sondern wir werden das auch einfordern. Notfalls mit Sanktionen. Und auch die erste Bildungseinrichtung, die unsere Kleinsten besuchen, haben wir natürlich nicht vergessen – den Kindergarten.
Denn wir haben uns daher darauf verständigt, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einzuführen und die Kinderbetreuung auszubauen - unter Wahrung der Wahlfreiheit.
Und fünftens: Wir werden unsere Chancen und Interessen in Europa und in der Welt stärker denn je nützen und vertreten. Mit dieser Bundesregierung mit mir als Bundeskanzler wird sich Österreich selbstverständlich weiterhin aktiv und konstruktiv auf europäischer und internationaler Bühne engagieren. Darauf können Sie sich verlassen!
In einer Zeit, wo das Recht des Stärkeren die Stärke des Rechts scheinbar schlägt, ist es notwendig, dass wir uns bewusst sind, auf welcher Seite wir stehen. Auf Seite des Täters oder des Opfers. Dass wir uns bewusst sind, welche Interessen wir vertreten wollen. Die von Aggressoren oder der freien westlichen Welt?
Für uns ist klar: Stabile internationale Beziehungen sind für unsere Wirtschaft, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand unerlässlich und sollen gestärkt werden. Sie sind aber auch für die Sicherheit und eine Vielzahl anderer Lebensbereiche von großer Bedeutung.
Mit dieser Bundesregierung kann man sich darauf verlassen, dass Österreich ein verlässlicher Partner in der freien Welt bleibt. Unsere Vorhaben werde ich nicht alleine umsetzen. Die Volkspartei ist mit einem breiten, vielfältigen Team in dieser Bundesregierung vertreten. Eine Mischung aus jung, etwas reifer, aus neuen Ideen und Erfahrung, aus Kontinuität und neuen Ansätzen. Eine Mischung aus weiblich und männlich. Eine gute Mischung für dieses Land. Wir waren immer dann bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es notwendig war.
Besonders dann, wenn die Zeiten schwierig und herausfordernd sind, wie wir es gerade erleben. Wir übernehmen diese Verantwortung aber nicht als Einzelpersonen und nicht alleine, sondern als Team zusammen. Zum Wohle des Landes und der Menschen, die in unserem Land leben. Uns allen ist auch bewusst: Die Verantwortung, die wir tragen, ist nur geliehen. Gehen wir also sorgsam damit um.
Meine Damen und Herren! Wir haben in den Gesprächen der letzten Wochen – und zwar alle: Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS – den Konsens und Kompromiss vor die Ideologie gestellt.
Wir haben uns nicht wechselseitig auf Minimalkompromisse herunter verhandelt, sondern die Prioritäten aller Parteien zu einem gemeinsamen Programm vereint. Diesen Geist des Kompromisses, des gegenseitigen Verständnisses werde ich als Bundeskanzler in der Regierung aufrechterhalten. Es wartet mehr als genug Arbeit auf uns, wenn wir aber weiter nach dem Prinzip vorgehen: "Nicht wir gegen einander. Sondern gemeinsam gegen das Problem". Dann bin ich optimistsch, dass wir am Ende der Legislaturperiode in einem noch besseren Österreich leben.
In einem Österreich, in dem sich Leistung bezahlt macht und Unternehmer frei handeln können. In einem Österreich, das seine Familien bestmöglich unterstützt. In einem Österreich, in dem illegale Migration zurückgedrängt wurde und sich die Menschen sicher fühlen können. Bei allen Herausforderungen, die auf uns warten, darf ich sagen: Ich bin optimistisch und zuversichtlich. Wir sind eine Regierung der Mitte! Wir haben eine breite Mehrheit im Parlament! Wir sind eine Regierung aus drei konstruktiven Kräften, die ein gemeinsames Ziel hat: Das Richtige für Österreich zu tun!
Herzlichen Dank!
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