Europaministerin Edtstadler in der Ukraine: "Mehr Aufmerksamkeit für Frauen in Kriegsgebieten"
Von Österreich initiierte Reise hochrangiger europäischer Politikerinnen nach Kiew/Kyjiw – Arbeitsgespräche unter anderem mit Olena Selenska sowie weiblichen Regierungsmitgliedern und Abgeordneten – Edtstadler: "Unsere volle europäische Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine"
Europaministerin Karoline Edtstadler führte am 22. und 23. November 2022 eine Delegationsreise hochrangiger europäischer Politikerinnen nach Kiew/Kyjiw an. Ziel des von Österreich initiierten Arbeitsbesuchs in der ukrainischen Hauptstadt war es, die Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck zu bringen, die diesbezügliche europäische Einigkeit zu demonstrieren sowie insbesondere die Rolle von Mädchen und Frauen in diesem Konflikt hervorzuheben. Dazu die Europaministerin: "Frauen in Kriegsgebieten dürfen nicht bloß ein Nebengedanke sein. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit."
Edtstadler: "Wir dürfen uns in Europa niemals an Krieg gewöhnen"
"Die Schicksale der Menschen, die seit 9 Monaten im Krieg täglich mit Unterversorgung, Unsicherheit und Leid leben müssen, berühren mich zutiefst", so die Europaministerin. Vor Ort habe man die verheerenden Konsequenzen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gesehen – Bilder der Zerstörung und Verwüstung. "Wir dürfen uns in Europa niemals an Krieg gewöhnen. Dies ist die Lehre für unsere Generation."
Gleichzeitig hob die Europaministerin die Widerstandskraft der ukrainischen Regierung und der ukrainischen Bevölkerung hervor. Die Ukraine verteidige ihre Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit. Russland müsse seine Streitkräfte unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus dem gesamten ukrainischem Staatsgebiet abziehen. "Wir werden so lange wie nötig an der Seite der Ukraine sowie der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen."
Die ukrainischen Gesprächspartnerinnen und -partner bekräftigten ihre Entschlossenheit, sich für die europäische Perspektive ihres Landes einzusetzen. Der Ukraine war bei der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2022 der Status eines Bewerberlandes verliehen worden. Man unterstütze dieses Vorhaben voll und ganz, so Europaministerin Edtstadler, die gleichzeitig festhielt, dass es an der Ukraine liege, alle erforderlichen Kriterien für die nötigen Schritte auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft zu erfüllen.
Die Rolle von Frauen in Konflikt- und Krisengebieten in den Fokus rücken
"Die Ukraine führt ihren Kampf gegen den russischen Angriffskrieg auf den Schultern starker Frauen. Die Gespräche mit ukrainischen Soldatinnen, politischen Vertreterinnen, Frauen und Müttern – darunter mit Olena Selenska, Ehefrau des ukrainischen Präsidenten, und der stellvertretenden Ministerpräsidentin, Olha Stefanischyna – bleiben mir für immer in Erinnerung", zeigte sich die Europaministerin beeindruckt. "Ihr Mut und ihre Kraft müssen uns Ansporn sein."
Frauen würden in diesem Krieg eine entscheidende Rolle spielen, auch auf militärischer Ebene. Frauen stellen zudem das Gros der 8 Millionen aus der Ukraine vertriebenen Menschen dar, die seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 in europäischen Staaten Zuflucht gefunden haben. In Konflikten seien Mädchen und Frauen meist die vulnerabelste Gruppe – und am stärksten betroffen von Zerstörung, Verlust, Ausbeutung, Menschenhandel und sexueller Gewalt. Dennoch seien ihre Erfahrungen, Anliegen und Perspektiven in der öffentlichen Wahrnehmung sowie medialen Berichterstattung unterrepräsentiert.
"Mit unserer Reise möchten wir ein klares Zeichen setzen und auf die spezifische Situation von Mädchen und Frauen in Kriegs- und Konfliktgebieten sowie Post-Konflikt-Prozessen hinweisen. Wir müssen sicherstellen, dass Frauen aktiv in die aktuellen, aber auch künftigen Entscheidungsprozesse eingebunden werden, vor allem auch, wenn es um den Wiederaufbau der Ukraine geht", betonte Europaministerin Edtstadler.
Arbeitsgespräche mit ukrainischen Regierungsmitgliedern sowie Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments
Gemeinsam mit ihren Amtskolleginnen traf Edtstadler in Kiew/Kyjiw mit Ruslan Stefantschuk, dem Präsidenten der Werchowna Rada (dem ukrainischen Parlament), der Vize-Präsidentin des Parlaments, Olena Kondratiuk, und weiblichen Abgeordneten zusammen. Ein Teil der Gespräche musste aufgrund eines Raketenalarms im Bombenschutzkeller des Parlamentsgebäudes stattfinden.
Der getöteten und verletzten Menschen wurde mit der stellvertretenden Innenministerin Meri Akopyan gedacht – im Freien, direkt an der Stelle, an welcher kurz zuvor eine Rakete eingeschlagen war. "Die willkürlichen Attacken auf die Zivilbevölkerung sowie auf zivile Objekte und die kritische Infrastruktur sind als Kriegsverbrechen auf das Schärfste zu verurteilen. Unsere volle europäische Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine", versicherte die Europaministerin.
Dem Erinnern gewidmet war der Besuch im nationalen Holodomor-Museum, das über die wissentlich herbeigeführte Hungersnot in der Ukraine informiert, welcher in den 1930er Jahren Millionen Menschen zum Opfer gefallen waren.
Gespräche führte die Delegation im Rahmen des Arbeitsbesuchs zudem mit Vertreterinnen und Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und des ukrainischen Roten Kreuzes, in dessen Einrichtungen humanitäre Hilfe für Millionen Binnenvertriebene geleistet wird. Ein Besuch galt dem "Survivor Relief Center" in Kiew/Kyjiw, dessen Schwerpunkt im Bereich der sozialen, medizinischen, psychologischen und rechtlichen Unterstützung für Vertriebene liegt. Die landesweit eingerichteten 4 "Survivor Relief Centers" bieten – mit Unterstützung des Bevölkerungsfonds' der Vereinten Nationen (UNFPA) und weiterer Organisationen – Beratung und Hilfestellung für Mädchen und Frauen an, vor allem für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt.
Eine Diskussion mit 20 Studentinnen der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität widmete sich möglichen Zukunftsperspektiven für die Ukraine. Themen waren die Annäherung des Landes an die EU, aber auch die künftige Gestaltung des nationalen Steuer- und Bildungssystems. Europaministerin Edtstadler strich im Gespräch mit den Studierenden hervor: "Ihr zeigt, dass es eine Zukunft gibt!"
Finanzielle, logistisch-materielle und humanitäre Unterstützung aus Österreich und der EU
"Im Rahmen seiner Möglichkeiten als neutraler Staat leistet Österreich umfassende Hilfe – und diese Hilfe kommt vor Ort an, was etwa die gespendete Grazer Feuerwehrausrüstung einer ukrainischen Einsatzkraft, die ich zufällig bei Löscharbeiten nach einem russischen Raketenangriff gesehen habe, beweist", erläuterte Edtstadler. Über 90 Millionen Euro an finanziellen Leistungen und mehr als 1.100 Tonnen Hilfsgüter seien aus Österreich bereits zur Verfügung gestellt worden. "Das große Engagement der Österreicherinnen und Österreicher kann den Krieg nicht beenden – aber das unermessliche menschliche Leid lindern."
Die 8 Politikerinnen sagten im Rahmen des Besuchs weitere substanzielle Mittel zu, etwa für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), die Olena Zelenska Foundation und andere im Land tätige Internationale Organisationen. Finanziell unterstützt werden auch die Verfolgung und Aufklärung von Kriegsverbrechen, etwa durch digitale Forensik und mobile Labore. Generatoren und Transformatoren sollen dazu beitragen, Stromausfälle zu kompensieren. Dazu kommen Güter wie Heizgeräte und Bekleidung zur Deckung des notwendigsten Bedarfs in den herausfordernden kommenden Wintermonaten.
Hintergrund: Reise von 8 europäischen Spitzenpolitikerinnen in die Ukraine
Die Reise in die Ukraine folgte auf die "The Next Generation is Female"-Konferenz am 4. und 5. August 2022 in Salzburg. Sie reiht sich ein in die Initiativen und Bemühungen von Europaministerin Karoline Edtstadler und ihren Amtskolleginnen, das Augenmerk bei europäischen und internationalen Themen verstärkt auch auf die Perspektive von Mädchen und Frauen zu richten.
Geleitet von der österreichischen Europaministerin zählten zur hochrangigen Delegation Nicola Beer, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Daniela Grigore Gîtman, Staatssekretärin für Europäische Angelegenheiten im rumänischen Außenministerium, Dominique Hasler, Ministerin für Äußeres, Bildung und Sport in Liechtenstein, Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa und Klima im deutschen Auswärtigen Amt, Andreja Metelko-Zgombić, Staatssekretärin für Europa im kroatischen Außenministerium, Jovita Neliupšienė, stellvertretende Außenministerin Litauens, und Gunda Reire, Parlamentarische Sekretärin im lettischen Außenministerium.
Weitere Informationen
Bilder von der Reise in die Ukraine sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramtes kostenfrei abrufbar.