Integrationsministerin Plakolm: Mädchen ein freies, sichtbares und selbstbestimmtes Aufwachsen ermöglichen

"Kinderkopftuch ist und bleibt ein Zeichen der Unterdrückung"

Integrationsministerin Claudia Plakolm hat im Rahmen einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt gemeinsam mit Staatssekretär Jörg Leichtfried und Klubobmann Yannick Shetty die Entwicklungen zum Kinderkopftuchverbot an Schulen präsentiert. Die Regierungsvorlage dazu wurde bereits im Ministerrat beschlossen und dem Parlament zugeleitet.

Die Integrationsministerin betonte in ihrem Statement: "Das Kinderkopftuch ist und bleibt ein Zeichen der Unterdrückung. Als Bundesregierung wollen wir Mädchen schützen und ihnen ein freies, sichtbares und selbstbestimmtes Aufwachsen ermöglichen."

Weil immer wieder Vergleiche zum Kopftuchverbot in Volksschulen aus dem Jahr 2019 gezogen werden, stellte Plakolm klar: "Die Ausgangssituation hat sich verändert und ist heute eine völlig andere." Damals sei der Druck in erster Linie aus der eigenen Familie gekommen – von Vätern, von Brüdern. Heute seien es jedoch vermeintliche Vorbilder insbesondere auf Social Media, auf TikTok oder Instagram, wo "ein völlig verzerrtes Bild von Ehre und Scham vorgelebt wird und Influencerinnen zeigen, was es braucht, um eine ehrenhafte und anständige Muslima zu sein, und wo vor allem junge Burschen das sehen und sich zu Sittenwächtern berufen fühlen." Das gehe mittlerweile so weit, dass Brüder ihren Schwestern oder sogar der eigenen Mutter beim Ablegen des Kopftuches mit dem Tod drohen, um die angebliche Ehre der Familie zu retten.

Kinderkopftuch schränkt Entwicklung junger Mädchen massiv ein

"Es zeigt uns ganz klar, worum es beim Kinderkopftuch tatsächlich geht: um Kontrolle und Unterdrückung. Das wird nicht nur gesellschaftlich sichtbar, denn auch die Psychologinnen und Psychologen bestätigen, dass das Kinderkopftuch die Entwicklung junger Mädchen massiv einschränkt. Mädchen entwickeln Schamgefühle, bekommen ein verzerrtes Körperbild, ein instabiles Selbstwertgefühl und geraten häufiger in soziale Isolation und Mobbing. Auch Lehrkräfte bestätigen uns das. Das ist Alltag in vielen Klassen", sagte Plakolm.

Wenn einem Mädchen mit 8 oder 9 Jahren eingeredet werde, dass sie ihren Körper verstecken müsse, um sich vor den Blicken fremder Männer zu schützen, sei das kein religiöses Ritual, sondern Unterdrückung, die auch Spuren hinterlasse – seelisch wie körperlich.

"Das Problem haben mittlerweile alle Parteien erkannt, egal ob sie in Regierungsverantwortung oder in Opposition sind. Deswegen haben wir uns in den letzten Monaten sehr intensiv damit beschäftigt, ein Kinderkopftuchverbot mit den entsprechenden Begleitmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Wir haben uns zu diesem Thema sehr intensiv mit Expertinnen und Experten ausgetauscht, die Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren ernst genommen und die Rechtsgrundlagen so nachgeschärft, dass eine Lösung entsteht, die wirksam, rechtlich solide und für alle Beteiligten auch tragfähig ist", so die Ministerin.

Ein zentraler Punkt sei die Altersgrenze des Kinderkopftuchverbotes. Dieses gelte bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, also bis zur Religionsmündigkeit, an allen Schulen, unabhängig davon, ob öffentlich, privat oder konfessionell. Das Verbot gelte in der Klasse, im Pausenhof, im Turnsaal und auf den Schulsportplätzen.

Schutz von Mädchen darf keinen Interpretationsspielraum zulassen

Zudem habe man präzise festgelegt, was genau verboten sei: "Der Begriff des Kopftuchs nach islamischer Tradition ist erstmals eindeutig definiert. Vom Hidschab bis zur Burka werden alle Formen der islamischen Verhüllung erfasst, die das Haupt von Mädchen unter 14 Jahren bedecken sollen. Der Schutz von Mädchen darf keinen Interpretationsspielraum zulassen. Er muss klar und eindeutig geregelt sein", erklärte Claudia Plakolm.

Einführung des Verbots erfolgt mit Aufklärungs- und Sanktionsphase

Die Einführung des Kopftuchverbotes erfolge in 2 Schritten, informierte die Integrationsministerin: "Ab den Semesterferien beginnt die Aufklärung, es stehen die Gespräche und die Begleitmaßnahmen im Vordergrund. Die Lehrkräfte, die Schulen, die Eltern und damit auch die Schülerinnen und Schüler werden umfassend informiert. Hintergründe werden geklärt, mit dem Ziel, familiären und sozialen Druck sichtbar zu machen." Lehrkräfte werden auf bestehende Erziehungsmittel sensibilisiert, wie mit "Sittenwächtern" im Klassenzimmer umgegangen werden soll.

Mit Schulstart 2026 beginne dann die Sanktionsphase. "Wir sprechen hier von Geldstrafen zwischen 150 und 800 Euro für Eltern, jeder weitere Verstoß gilt als eine Verwaltungsübertretung, wodurch ein rechtlich stabiles und nachvollziehbares System entsteht", so Plakolm. Der Ablauf bei Verstößen sei bewusst abgestuft: zuerst ein Gespräch in der Schule, dann als zweiter Schritt ein Gespräch bei der Bildungsdirektion, begleitet von Fachleuten aus der Schulpsychologie oder des Kinderschutzteams und erst danach erfolge eine Strafe. "Wir setzen also zuerst auf Aufklärung und Gespräche, aber wir scheuen Konsequenzen nicht, wenn es um den Schutz von Mädchen geht." Um diese Entwicklung künftig besser nachvollziehen zu können, werde es auch eine laufende Evidenzerhebung im Gesetz geben, damit beurteilt werden könne, wie sich Druckmotive und Fallzahlen über die Jahre verändern und entwickelt haben.

EGMR/VfGH: Eingriffe in die Religionsfreiheit zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind

"Wir haben das Gesetz auch verfassungsrechtlich gestärkt. Es wurden viele Stellungnahmen dazu eingebracht und auch eingearbeitet. Es wurden Begriffe und Altersgrenzen präzisiert und die sachliche Begründung noch umfassender auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und auch des Verfassungsgerichtshofes abgestimmt. Beide Höchstgerichte halten ganz klar fest: Eingriffe in die Religionsfreiheit sind zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt und auch verhältnismäßig sind", erläuterte die Ministerin.

Genau das mache die Bundesregierung: "Für uns endet das Recht auf religiöse Erziehung durch die Eltern dort, wo Mädchen unterdrückt und unsichtbar gemacht werden und kein selbstbestimmtes Aufwachsen mehr möglich ist. Wir schützen Mädchen, nicht Moralvorstellungen. Wir schützen ihr Recht auf eine sichtbare Kindheit. Wir schützen ihre Freiheit, sichtbar zu sein, ohne sich zu schämen. Dafür schaffen wir klare, faire und gut begründete Regeln, damit jedes Mädchen in Österreich, egal ob und welcher Religion es angehört, frei und sichtbar aufwachsen kann, insbesondere an unseren Schulen", sagte Integrationsministerin Claudia Plakolm abschließend.

Bilder von diesem Termin sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.