Bundeskanzler Stocker empfing EU-Ratspräsident António Costa
Wettbewerbsfähigkeit, Ukraine, EU-Budget und Westbalkan auf der Agenda
Bundeskanzler Christian Stocker hat am Mittwoch den Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa, zu einem Arbeitsbesuch im Bundeskanzleramt empfangen. Zentrale Themen bei dem Austausch waren unter anderem die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der EU, der Vorschlag der EU-Kommission für das Mehrjahresbudget 2028-2034, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die EU-Erweiterung um die Staaten des Westbalkans.
Wirtschaftliche Stärke ist das Fundament für alles andere
Bei einem gemeinsamen Pressestatement betonte Stocker: "Ich freue mich, den Ratspräsidenten in Wien begrüßen zu dürfen, denn es gibt viel zu besprechen. Die Wettbewerbsfähigkeit hat uns nicht nur im Rahmen der Regierungsklausur national beschäftigt, sondern ist natürlich auch ein europäisches Thema, das auf der Agenda des Rates steht. Wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen, dürfen wir keine Zeit verlieren. Die wirtschaftliche Stärke ist das Fundament für alles andere: Ohne sie wird es weder einen wirkungsvollen Kampf gegen den Klimawandel noch ein starkes Europa in einer turbulenten Welt geben. Sie ist auch das Fundament für unsere Sicherheit."
Insofern sei es gut, dass auch auf europäischer Ebene Vereinfachungen, Bürokratieabbau, Wettbewerbsfähigkeit, Binnenmarkt und alles, was die wirtschaftliche Kraft stärken könne, auf der Agenda stehe. Beim Bürokratieabbau sei etwa eine Reduktion von aufwändigen Berichtspflichten dringend notwendig, Verwaltungslasten für die Unternehmen sollten vereinfacht werden. "Gerade innovative Unternehmen, von denen wir in Österreich sehr viele haben, brauchen ein wirtschaftliches, aber auch rechtliches Umfeld, in dem sie wachsen und erfolgreich sein können", so Stocker, der bekräftigte, dass auch bei der Festlegung der Klimaziele 2040 die Wettbewerbsfähigkeit beachtet werden müsse: "Ohne steigende Produktivität und ohne Wirtschaftswachstum werden wir die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreichen können. Wesentlich ist dabei eine faire und effiziente Lastenverteilung zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten, bei der auch bereits getätigte Vorleistungen Berücksichtigung finden."
Zukünftig müsse man noch mehr auf jene Themen setzen, die die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen und wo sich diese Lösungen erwarten. Dazu gehöre, so Stocker, "selbstverständlich die Bekämpfung der Inflation". Das bedeute etwa mehr Fairness bei den Lebensmittelpreisen und ein Verbot der territorialen Lieferbeschränkungen, worüber der Kanzler auch mit Präsident Costa gesprochen habe. "Wir brauchen einen gesamteuropäischen Schulterschluss, damit alle Konsumentinnen und Konsumenten in der Europäischen Union gleich behandelt werden."
Effizienter, zielgerichteter mit jedem Steuereuro umgehen
Bei dem Gespräch mit Costa waren auch das EU-Budget und der Mehrjährige Finanzrahmen Thema. "Es steht außer Frage, dass wir einen schlagkräftigen und effizienten Haushalt brauchen, um die großen Herausforderungen auch bewältigen zu können. Aber wenn nationale Budgets unter Druck sind, dann steht auch der ambitionierteste Haushaltsplan aller Zeiten mit fast 2.000 Milliarden Euro auf dem Prüfstand. Es geht darum, nicht nur mehr Geld auszugeben, sondern es bestmöglich zu verwenden. Nationale Konsolidierungen müssen sich daher auch auf der europäischen Ebene niederschlagen. Das heißt nicht weniger Europa, das heißt effizienter, zielgerichteter und mit jedem Steuereuro sorgsam umzugehen."
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat im Juli den Vorschlag der EU-Kommission für das nächste EU-Mehrjahresbudget vorgestellt. Dieses soll deutlich steigen – von 1,211 Billionen Euro in der aktuellen Periode auf 2 Billionen Euro.
Ukraine: EU muss Druck aufrechterhalten
Der Kanzler äußerte sich in dem gemeinsamen Pressestatement auch zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Österreich hat eine klare Position. Wir sind solidarisch in der Europäischen Union mit allen Mitgliedstaaten. Die Priorität muss sein, dass das Sterben in der Ukraine aufhört. Das verdienen sich am allermeisten die Menschen in der Ukraine, die seit mittlerweile dreieinhalb Jahren ihr Land verteidigen. Es ist wie immer so, dass Konflikte auf dem Schlachtfeld beginnen, aber das Ende findet am Verhandlungstisch statt", erklärte Christian Stocker. Die Europäische Union müsse den Druck aufrechterhalten, um das Sterben zu beenden und um möglichst bald in Friedensgespräche eintreten zu können.
EU-Erweiterung wäre ein starkes Signal
Bezüglich der EU-Erweiterung um die Staaten des Westbalkan erklärte der Kanzler. "Ich habe Präsident Costa auch von meinen Reisen nach Montenegro und Serbien berichtet. Österreich ist ein starker Befürworter einer EU-Erweiterung am Westbalkan – aus Eigeninteresse und aus Interesse für die Europäische Union. Eine EU-Annäherung des Westbalkans ist eine Frage der nationalen Sicherheit sowie der Stabilität am Westbalkan. Wenn wir die Region nicht an uns binden, werden es andere tun." Es könne nicht im Interesse der Europäischen Union sein, wenn unmittelbar vor der eigenen Haustüre andere Akteure wie beispielsweise Russland, China, aber auch die Türkei, ihre Einflusssphären ausdehnen.
"Wir müssen Sicherheit und Stabilität exportieren, anstatt Unsicherheit zu importieren. Noch ist Europa der attraktivere Partner. Die Frage ist aber, wie lange noch. Wir sind jederzeit bereit, die Europäische Union durch unsere guten Beziehungen und Expertise zu unterstützen. Gerade Montenegro erachte ich hier auf einem sehr erfolgversprechenden Weg. Es wäre ein starkes Signal und ein Lebenszeichen der Europäischen Union, dass wir zu unseren Versprechen stehen, unsere Versprechen auch wahrmachen", so Stocker.
Die Lage in Serbien sei sicherlich herausfordernder. Dennoch sei der Dialog wichtig: "Dialog ist auch der Weg, wie wir diese Erweiterung erfolgreich bewältigen können. Wir verfolgen die Entwicklung in Serbien sehr genau und unser Ziel für die Menschen in Serbien ist es, dass hier rasch Fortschritte gemacht werden. Der Schlüssel liegt aber in Serbien selbst", betonte der Bundeskanzler, der abschließend Präsident Costa für den guten Austausch dankte.
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