Bundeskanzler Schallenberg: Die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren muss unsere Maxime sein

Österreich bei der Bewältigung von Problemen gut gerüstet, "wenn alle wollen und zusammenstehen" – Regierungserklärung von Alexander Schallenberg im Parlament

"Ich hätte mir niemals erwartet, noch hatte ich angestrebt, ein weiteres Mal als Regierungschef vor Ihnen zu stehen. Aber die Menschen in Österreich haben das Recht auf eine handlungsfähige Regierung mit einem Bundeskanzler an der Spitze, so, wie es die Bundesverfassung vorsieht. Und ich versichere Ihnen: Ich werde dieses Amt nach bestem Wissen und Gewissen ausüben. Es ist meine Aufgabe als Regierungschef, die Amtsgeschäfte mit ruhiger Hand fortzuführen und einen geordneten Übergang sicherzustellen, sobald eine neue Bundesregierung angelobt wird. Denn genau das entspricht meinem Verständnis von Dienst an der Republik, vom Dienst an den Menschen in unserem Land"

hielt Bundeskanzler Alexander Schallenberg bei seiner Regierungserklärung im Parlament fest. Schallenberg bedankte sich bei seinem Vorgänger im Amt, Karl Nehammer, für dessen Arbeit, die er mit "unglaublich viel Herzblut, Geradlinigkeit und Rechtschaffenheit" ausgefüllt habe.

Grundvoraussetzungen auch für nächste Regierung: Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien und ein klares Bekenntnis zur EU-Mitgliedschaft

Es sei eine Usance der Republik, dass der mit der Fortführung der Geschäfte betraute Bundeskanzler der einstweiligen Bundesregierung eine Regierungserklärung abgebe und es sei gerade in einer innen- wie außenpolitisch enorm herausfordernden Zeit notwendig, "sich an solche ungeschriebenen, tradierten Regeln, die unser Zusammenleben, unsere Zusammenarbeit oft erst wirklich möglich machen" zu halten, so Schallenberg. In dieser Phase sei es wichtig, dass Österreich zügig eine stabile und handlungsfähige Bundesregierung bekommt. Diese werde – so wie alle anderen vor ihr – nicht im luftleeren Raum agieren, sondern werde national wie international in einem starken und tragfähigen Netz von Verpflichtungen und Regeln eingebettet sein, denn völkerrechtliche Verträge und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen würden ebenso wie die österreichische Bundesverfassung uneingeschränkt gelten.

"Daher sind die Grundvoraussetzungen für eine handlungsfähige nächste Bundesregierung völlig klar: Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien und das klare Bekenntnis zur EU-Mitgliedschaft sind nicht verhandelbar. Ebenso wenig wie die Respektierung des Völkerrechts und der Grundprinzipien der UN-Charta", betonte Schallenberg. In einer Zeit, in der der Krieg nach Europa zurückgekehrt sei und in der das europäische Lebensmodell, beruhend auf Demokratie und Pluralismus, unter Druck gerate, könne und dürfe es keinen Zweifel daran geben, wo Österreich stehe.

Destabilisierung der Demokratie entgegenwirken

Österreich stehe aber nicht nur vor globalen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die den Standort unmittelbar betreffen, sondern auch vor einer systemischen Auseinandersetzung, betonte der Bundeskanzler. Autoritäre Systeme würden das Lebensmodell und die internationale Ordnung herausfordern, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden sind. Zudem werde via Social Media, Trolle und Bots versucht, die Gesellschaft und die Demokratie zu destabilisieren, indem jede Falschinformation, die spaltend wirkt, verstärkt werde. "Dagegen müssen wir uns wehren. Denn das ist für ein Land wie Österreich – einen mittelgroßen, exportorientierten Staat im Herzen Europas – brandgefährlich. Wir sind darauf angewiesen, dass es eine regelbasierte internationale Ordnung gibt, dass das Völkerrecht eingehalten wird und Verträge respektiert werden. Es ist die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren, das unsere Maxime sein muss", so Schallenberg.

Pro-europäische, multilaterale Orientierung Österreichs überlebensnotwendig

Die erste Reise seiner neuen Amtszeit habe ihn ganz bewusst nach Brüssel geführt, mit der klaren Botschaft: "Österreich ist und bleibt selbstverständlich ein verlässlicher und stabiler Partner in Europa und in der Welt", betonte der Bundeskanzler. Österreich sei vor Krisen, Konflikten und Krieg nicht gefeit. Die Herausforderungen, die daraus erwüchsen, könnten aber nur gemeinsam – in Österreich, in Europa und in der internationalen Gemeinschaft– gelöst werden. "Und zwar nicht aus Altruismus, nicht aus Selbstlosigkeit, sondern aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Eine pro-europäische, multilaterale Orientierung Österreichs ist gerade in so anspruchsvollen, volatilen Zeiten geopolitischer Umbrüche überlebensnotwendig. Denn eine 'Schotten-dicht, Zugbrücke hoch' Mentalität würde nicht nur unseren Wohlstand und unsere Exportwirtschaft massiv gefährden, sondern auch unsere Sicherheit unterminieren", so Schallenberg.

Er habe in Brüssel aber auch klar festgehalten, dass Österreich eine lebendige, funktionierende gefestigte Demokratie mit einer starken Verfassung und starken Institutionen sei, mit höchsten Standards in Bezug auf Grund- und Freiheitsrechte. Vor diesem Hintergrund erwarte sich Österreich Respekt und Achtung für seine demokratischen Prozesse. Dies habe er in Brüssel klar eingefordert.

Mut zum Kompromiss und Vertrauen in demokratische Institutionen

So wie man von den internationalen Partnern Respekt verlange, so müsse man einander auch innerhalb des Landes respektieren. Der Bundeskanzler erinnerte dabei an die lange Tradition des Kompromisses in Österreich: "Nach blutigen Lehrjahren in der Ersten Republik und in der Nazi-Zeit haben wir es geschafft, in diesem Land das Gemeinsame nicht nur zu suchen, sondern es auch zu finden. Mit Mut zum zivilisierten Diskurs über alle politischen und gesellschaftlichen Differenzen hinweg, mit Mut zur Bürgerlichkeit, die Rechte und Pflichten für alle beinhaltet, und mit Mut zur Kompromissfähigkeit." Erst das Aufeinander-Zugehen und das Überwinden von Gräben habe Österreich über die Jahrzehnte zu dem werden lassen, was es heute ist: Eine lebendige, stabile und widerstandsfähige Demokratie, eines der reichsten und sichersten Länder der Erde mit einer engagierten Zivilgesellschaft, einer tragfähigen Sozialpartnerschaft und einer vielfältigen Kunst-, Kultur und Medienlandschaft. "Respektieren wir also auch selbst die demokratischen Prozesse in unserem Land und haben wir Vertrauen in unsere gewachsenen, demokratischen Institutionen – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene", so Schallenberg.

Kunst und Kultur als wesentliche Form des gesellschaftlichen Dialogs

Eine der wichtigsten Ressourcen Österreichs seien die hochgebildeten, kreativen und tatkräftigen Menschen, die das Land erst zu dem machen, was es ist. Dabei würden in der Kulturnation Österreich Kunst und Kultur eine wesentliche Rolle spielen. Gerade wenn weltweit individuelle Freiheit, Demokratie und Pluralismus zunehmend unter Druck gerieten und das europäische Lebensmodell von manchen als Bedrohung oder sogar aggressiver Akt angesehen werden, seien Kunst und Kultur kein Luxus: "Ganz im Gegenteil: In Zeiten zunehmender Polarisierungen und Spaltungen ist die Kultur eine Konstante, die uns verbinden sowie Identität, geistige Wehrhaftigkeit und Resilienz geben kann. Gerade wenn es darum geht, unser Lebensmodell zu verteidigen, gehört für mich das klare Bekenntnis zu Kunst und Kultur und ihrer Freiheit als wesentliche Form des gesellschaftlichen Dialogs dazu", hielt Schallenberg fest.

Er wolle die Herausforderungen, vor denen Österreich stehe, nicht kleinreden. Dennoch zeigte sich der Bundeskanzler optimistisch: "Denn ich bin davon überzeugt, dass wir zur Bewältigung dieser Probleme gut gerüstet sind, wenn wir nur wollen und zusammenstehen. Haben wir also Vertrauen in unsere eigenen Stärken und unser Potenzial und ein bisschen mehr Glauben an das, wofür wir stehen, was wir sind und was wir können. Denn Österreich ist nicht nur ein enorm schönes und lebenswertes Land, es ist auch ein starkes, ein weltoffenes Land. Und es liegt an uns allen, dass es auch so bleibt. Ich werde jedenfalls auch in Zukunft das Meinige dazu beitragen."

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