Bundeskanzler Nehammer: "Bundesregierung schließt Corona-Aufarbeitungsprozess ab"

Präsentation der Ergebnisse des Corona-Aufarbeitungsprozesses

"Die Pandemie war für die Österreicherinnen und Österreicher eine mehr als harte Zeit, alle waren gleichermaßen betroffen und herausgefordert. Im Frühjahr dieses Jahres habe ich angekündigt, dass es wichtig und notwendig ist, die Folgen der Pandemie, vor allem auch gesellschaftspolitisch und wissenschaftlich, zu untersuchen, um dann aus diesen Erkenntnissen heraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Ich darf Ihnen heute die Studie der Akademie der Wissenschaften präsentieren", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer bei der Präsentation der Ergebnisse des Corona-Aufarbeitungsprozesses im Bundeskanzleramt. Neben dem Kanzler nahmen Bildungsminister Martin Polaschek, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit Katharina Rauch und Alexander Bogner von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an der Pressekonferenz teil.

"In einer Studie geht es um die Aufarbeitung von Prozessen: Was ist gut gelaufen? Was ist falsch gelaufen? Welche Fehler sind passiert?", so Nehammer. Die Antwort, die er darauf gebe, sei: "Dort, wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Nur wenn nicht gearbeitet wird, passieren keine und das alleine ist dann schon ein Fehler", so der Kanzler. Entscheidend sei, dass etwaige Fehler analysiert und aus diesen gelernt werde, um sie in Zukunft zu vermeiden. Diese Analysen fänden im Nachhinein statt. Im Zuge der Pandemie haben man Entscheidungen treffen müssen ohne das Wissen, das man heute habe. Es sei ihm daher persönlich wichtig festzuhalten, dass es immer das Ziel gewesen sei, das Virus zu bekämpfen und nicht Mensch gegen Mensch auszuspielen. Auch das sei im gesellschaftlichen Diskurs danach untergegangen.

Wichtig sei ihm auch voranzustellen, dass alle Maßnahmen der Bundesregierung oder der Gesundheitsbehörden eines der hehrsten Motive als Grundlage hatten: "Nämlich Menschenleben zu retten. Das Motiv rechtfertigt nicht die Fehler, die passiert sind, aber es erklärt, warum sie passiert sind", hielt der Bundeskanzler fest. Selbst die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten nur auf der Basis des aktuellen Wissensstandes Empfehlungen aussprechen.

Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei Maßnahmen und Kommunikation zentral

Der sozialwissenschaftliche Bericht der Akademie der Wissenschaften gebe nun die Möglichkeit, genau hinzuschauen, was gut, was schlecht gelaufen sei und was man in Zukunft daraus lernen könne, so der Kanzler. "Richtig war, dass wir alles getan haben, um so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Richtig war auch, dass wir durch unterschiedlichste Maßnahmen versucht haben, die Spitäler und insbesondere die Intensivstationen vor dem Kollaps zu bewahren und Kapazitäten für lebensnotwendige Operationen zu schaffen, die trotz der Pandemie durchgeführt werden mussten. Richtig war auch, alles zu tun, dass die kritische Infrastruktur in unserem Land nicht zusammengebrochen ist. Es ist uns gelungen, das abzuwehren."

Dennoch würde man mit dem Wissen von heute vieles anders machen. "Als politisch Verantwortlicher muss man seine Worte mit viel mehr Bedacht wählen, wenn wir uns an die Öffentlichkeit wenden. Mit dem Wissen von heute werden wir in Zukunft alles daransetzen, dass eine Spaltung der Gesellschaft, so nicht mehr stattfinden soll. Was es dafür braucht, um eine Spaltung auch wieder zu heilen ist, beide Seiten, Maßnahmengegner und Maßnahmenbefürworter, mitzudenken. Wir müssen gemeinsam in diesen Diskurs eintreten", betonte der Bundeskanzler. Bei einschneidenden Maßnahmen brauche es ein Höchstmaß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit, warum gewisse Maßnahmen gesetzt werden. Es seien aufgrund des Geschwindigkeitsdrucks und der Flexibilität des Virus mit Sicherheit Fehler passiert. "Wir haben dann zu wenig darauf geachtet, die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen und zu erklären, warum wir gewisse Maßnahmen gesetzt haben", sagte Nehammer. Transparenz und Nachvollziehbarkeit müsse man in Zukunft in der Kommunikation, insbesondere in der Krisenkommunikation, neu denken.

Der Bericht beschäftige sich auch mit der Rolle der Medien und der Parteien. Auch hier sei festzustellen, dass in einer Pandemie und bei der Pandemiebekämpfung nur gemeinsam diese große Herausforderung tatsächlich zu stemmen sei. "Jeder trägt in seiner Rolle Verantwortung", betonte der Kanzler.

Darüber hinaus waren an dem Bericht nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt, sondern es wurden auch Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben, durch ein Auswahlverfahren miteinbezogen und in Fokusgruppen interviewt. Dabei waren von Impfbefürwortern zu Impfgegnern alle vertreten und konnten dazu Stellung nehmen, wie die Pandemiebekämpfung wahrgenommen und was aus dieser Zeit mitgenommen wurde.

Widerstandsfähigkeit gegen große Krisen erhöhen

"Für uns gibt es aus diesem Bericht einige wichtige Ableitungen. Wir müssen stets danach trachten, die Widerstandsfähigkeit gegen große Krisen in dieser Republik ständig zu erhöhen. Dazu haben wir auch das Krisensicherheitsgesetz beschlossen, die Umsetzung ist bereits im Gange", so Karl Nehammer. "Auch die Krisenkommunikation ist ein wichtiger Punkt und muss so professionell, breit und transparent wie möglich durchgeführt werden. Darüber hinaus müssen wir daran arbeiten, die Wissenschaftsskepsis, die in Zeiten der Pandemie deutlich stärker geworden ist, gemeinsam im gesellschaftlichen Konsens zu bekämpfen. Das geht nur mit Transparenz, Information und Bildung. Ein wesentliches Anliegen der Bundesregierung ist auch die Attraktivierung der Gesundheitsberufe. Wir haben die Pflegepakete 1 und 2, das Pflegegesetz, neu ausgerichtet. Dadurch soll die Pflege attraktiver und die Ausbildung flexibler gemacht werden", bekräftigte Bundeskanzler Nehammer.

"Corona hat uns vor eine völlig neue Situation gestellt. Es war eine der größten Bewährungsphasen in der Zweiten Republik. Das Allerwichtigste ist, und das hoffe ich, dass das die Menschen in Österreich erreicht hat, dass alle Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen worden sind. Vor allem aber sind sie getroffen worden, um Menschenleben zu retten", so der Kanzler abschließend.

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Bilder von diesem Termin sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.

Dokument

Nach Corona - Reflexionen für zukünftige Krisen nach Corona, Ergebnisse aus dem Corona-Aufarbeitungsprozess (PDF, 8 MB)