Bundeskanzler Nehammer: "Es braucht sichere Korridore für humanitäre Hilfe und Evakuierung von Menschen"

Appell an Russische Föderation, humanitäre Korridore sicherzustellen

"Die Situation in der Ukraine spitzt sich dramatisch zu. Wir sehen, dass Charkiw beschossen wird und dass auch zivile Einrichtungen massiv betroffen sind. Auch der Ring um Kiew wird immer enger und die Menschen dort rechnen stündlich mit einem bevorstehenden Angriff", informierte Bundeskanzler Karl Nehammer in einem Pressestatement zur aktuellen Lage in der Ukraine, das er gemeinsam mit Außenminister Alexander Schallenberg im Bundeskanzleramt gab.

Der österreichische Regierungschef hielt fest, dass er eine enorme Hochachtung vor der Verteidigungsbereitschaft und Wehrhaftigkeit der Menschen in der Ukraine habe. Die Lage sei laut Bürgermeister Vitali Klitschko und Präsident Wolodymyr Selenskyj, mit denen er im Austausch sei, dramatisch. Viele Menschen würden die umkämpften Städte verlassen wollen, "es gibt aber keine sicheren Korridore", so Nehammer, der festhielt: "Diese sogenannte Militäroperation ist nichts anderes als ein Krieg, der einseitig begonnen worden ist. Es ist ein beispielloser Völkerrechtsbruch, der zu unfassbar viel Leid führt."

Humanitäre Korridore müssen gewährleistet werden

Aufgrund der sich zuspitzenden Lage sowie aufgrund des Fehlens von international abgesicherten Fluchtkorridoren und Unterstützungskorridoren für Hilfslieferungen hat der Bundeskanzler in Absprache mit dem Vizekanzler den Außenminister beauftragt, den Botschafter der Russischen Föderation zu sich zu zitieren. Dies sei eines der schärfsten Mittel, das einem neutralen Land auf diplomatischer Ebene zur Verfügung steht.

Die Russische Föderation müsse außerdem sicherstellen, dass humanitäre Korridore in die betroffenen Städte gebildet werden. "Das ist jetzt das Gebot der Stunde. Die Macht der Russischen Föderation reicht so weit, dass sie das auch gewährleisten kann, wenn sie das will", so der der Bundeskanzler. Die Lebensmittel und Medikamentenversorgung reiche laut dem Bürgermeister von Kiew noch wenige Tage, dann drohe die humanitäre Katastrophe.

Zudem werde man den russischen Präsidenten und die Russische Föderation voll verantwortlich machen, wenn Österreicherinnen und Österreicher zu Schaden kommen. "Und wir werden ihn voll verantwortlich machen, wenn es darum geht, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären."

Letzten Funke an Menschlichkeit bewahren

Der Bundeskanzler richtete einen dringenden Appell an Präsident Putin und die Russische Föderation, bei allen Kriegszielen nicht den letzten Funken an Menschlichkeit zu vergessen: "An Menschlichkeit, die bedeutet, dass Frauen, Kinder, Ältere, die nicht Teilnehmer eines Krieges sind, den sie sich allesamt nicht ausgesucht haben, zu schützen sind."

Die große Herausforderung für das Internationale Rote Kreuz liege nun darin, Sicherheitsgarantien für Versorgungsfahrten und Evakuierungsmaßnahmen zu erhalten. Österreich sei bereit, Menschen und besonders vulnerable Gruppen proaktiv zu retten. Aber diese kämen nicht sicher zur Grenze. Daher sei eine Waffenruhe dringend geboten. "Jedes Gespräch mit Menschen in der Ukraine überzeugt: Menschlichkeit ist das Gebot der Stunde und zeugt jetzt von wahrer politischer Größe. Menschlichkeit ist jetzt nicht nur Anspruch, sondern Verpflichtung, wenn es darum geht, den Kindern, den Frauen, den Älteren, zu helfen", so Bundeskanzler Karl Nehammer.

Außenminister Schallenberg: Russland zerstört europäische Sicherheitsordnung

"Ich habe heute dem russischen Botschafter in aller Klarheit gesagt: Für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es keinerlei Rechtfertigung. Wer die elementarsten Regeln des Völkerrechts mit Füßen tritt, der stellt sich weltweit ins Abseits", betonte Außenminister Alexander Schallenberg in seinem Statement. Derzeit erlebe man eine Zäsur, wie man sie in den letzten 7 Jahrzehnten nicht gesehen habe. "Russland zerstört gerade mutwillig die gemeinsame europäische Sicherheitsordnung, die gemeinsam mit Russland aufgebaut wurde", so Schallenberg.

"Es erreichen uns immer wieder Berichte über Angriffe auf Zivilisten und auf die zivile Infrastruktur. Solche Angriffe sind eine Verletzung des humanitären Völkerrechts und können als Kriegsverbrechen angesehen werden. Dazu gehört zum Beispiel auch die Verwendung von Streumunition", hielt der Außenminister fest. Er hatte heute 3 deutliche Botschaften an den russischen Botschafter: "Punkt 1: Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Hier gibt es keine Ermessensentscheidung. Das zweite ist die Sicherstellung humanitärer Korridore für Zivilisten. Russland wird zur Rechenschaft gezogen, wenn diese Menschen an Leib und Leben gefährdet werden. Der dritte Punkt war die Sicherstellung des vollen Zugangs für humanitäre Organisationen."

Man sehe gerade den Beginn der menschenrechtsleugnenden Entwicklung in der Ukraine. "Wenn immer Zivilisten an Leib und Leben zu Schaden kommen oder gefährdet werden, wird das der russischen Führung angelastet werden. Das war die deutliche Botschaft, die wir heute vermittelt haben", sagte Alexander Schallenberg abschließend.

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