Bundeskanzler Kurz: Westliches Lebensmodell als Erfolgsbeispiel bewahren und schützen

Münchner Sicherheitskonferenz zur Rolle der EU und des Westens, weitere Themen: Digitalisierung und Coronavirus

Bundeskanzler Sebastian Kurz ist am Freitag zur internationalen Sicherheitskonferenz nach München gereist, die sich heuer mit der Rolle der EU und des Westens, der Digitalisierung und den Auswirkungen des Coronavirus beschäftigt. Österreich ist neben dem Bundeskanzler auch durch Außenminister Alexander Schallenberg vertreten.

"In den westlichen Gesellschaften können die Menschen in Sicherheit leben. Es sind Gesellschaften, in denen jede und jeder die Freiheit hat, ein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben und einen Beitrag zu leisten. Und es sind Gesellschaften, in denen es Wohlstand und einen Sozialstaat gibt, auf den sich alle notfalls verlassen können", skizzierte der Bundeskanzler seine Definition des "Westens" im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema "Westlessness in the West: What are we defending?", an der auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau und die norwegische Regierungschefin Erna Solberg teilnahmen. Moderiert wurde die Diskussion von Timothy Garton Ash, Professor für Europäische Studien im St. Antony's College der Universität Oxford und Senior Fellow im Hoover Institut der Stanford University.

Der Kanzler betonte, dass er nicht an eine Krise des Westens glaube. Interessanter sei für ihn die Frage, wie es sein könne, dass sich der Blick auf den Westen verändert habe. "Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, dann wird klar, welches Modell erfolgreicher ist. Österreich war in der glücklichen Lage, nicht die Entwicklung einiger Staaten Ostmitteleuropas durchmachen zu müssen." Heute sei die Lage vielfältiger. Während der Osten ein enormes Wirtschaftswachstum erlebe, seien technische Innovationen und technische Fortschritte nicht mehr klassisch zwischen West und Ost verteilt.

Gleichzeitig würden in den letzten Jahren mehr Spannungen innerhalb der Europäischen Union und zwischen der EU und den USA herrschen. "Unser Zugang kann nur sein, dass wir uns wieder bewusst machen, dass das, was uns eint, wesentlich mehr ist, als das, was uns trennt. Wir können nur erfolgreich sein, wenn die westlichen Staaten im Dialog mit den anderen untereinander wieder mehr zusammenarbeiten. Je erfolgreicher wir sind, desto größer wird auch in anderen Teilen der Welt der Drang sein, es uns gleichzutun", hielt Sebastian Kurz fest.

Die Ideale, für die der Westen stehe, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, dass alle Menschen an Recht und Würde gleich sind, seien nach wie vor sehr populär und erstrebenswert. "Unsere Verantwortung ist es, diese Werte in die Welt zu tragen. Je stärker diese Grundwerte auch mit wirtschaftlichen Erfolg und mit Wohlstand verbunden sind, desto mehr Menschen weltweit werden versuchen, diese Gesellschaftsmodelle zu kopieren und zu übernehmen", so der Bundeskanzler.

Sebastian Kurz betonte, dass es bei den Grundwerten keine Kompromisse innerhalb der Europäischen Union geben dürfe. Es könne zu jedem Thema unterschiedliche Meinungen geben, es brauche eine vitale Diskussion in der EU, aber Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Fragen der Medien- und Meinungsfreiheit seien nicht verhandelbar. Die Europäische Union müsse aber auch mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen: "Bei aller Kritik dürfen wir nicht vergessen, dass es weite Teile der Welt gibt, wo Demokratie und Rechtstaatlichkeit einfach nicht vorstellbar sind. Nur wenn wir unser Lebensmodell proaktiv positiv vermitteln, wird es positiv kopiert werden."

Der Bundeskanzler wies auch darauf hin, dass die Idee der Europäischen Union "In Vielfalt geeint" in Gefahr sei. Gerade die osteuropäischen Mitglieder der EU würden sich oft als Mitglieder zweiter Klasse fühlen. "Wenn wir hier unvorsichtig sind und das Gefühl einer moralischen Überlegenheit einzelner entsteht, dann könnte die Einheit bröckeln. Das wäre ein entschiedener Nachteil für die EU und für den Westen in Summe."