Bundeskanzler Kurz: Terrorismus und politischen Islam mit allen Mitteln bekämpfen
Ministerrat verabschiedet umfassendes Anti-Terror-Paket
"Wir haben im Moment mit 2 großen Herausforderungen zu kämpfen. Zum Ersten mit der Corona-Pandemie und zum Zweiten mit der Notwendigkeit, noch entschiedener gegen Terrorismus und Radikalisierung in Österreich und Europa anzukämpfen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Pressefoyer nach dem Ministerrat. Der Kanzler informierte dabei gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, Innenminister Karl Nehammer, Kultusministerin Susanne Raab und Justizministerin Alma Zadić über das von der Bundesregierung beschlossene Anti-Terror-Paket.
"Der Kampf gegen den islamistischen Terror beschäftigt uns massiv. Wir sind als Republik Österreich Opfer eines islamistischen Terroranschlags geworden, bei dem 4 Menschen kaltblütig ermordet und 22 Personen zum Teil sehr schwer verletzt wurden. Unser Land trauert um die Opfer und mit den Hinterbliebenen. Das alleine ist aber nicht genug", betonte Bundeskanzler Kurz. Terrorismus und die Ideologie dahinter müssten mit allen Mitteln bekämpft werden. Man lasse sich nicht spalten und kämpfe in Österreich und Europa gemeinsam und geschlossen dagegen an. "Wir werden alles tun, um die Bevölkerung zu schützen."
Auf EU-Ebene gemeinsam entschlossener gegen Terrorismus vorgehen
Am Dienstag hat der Bundeskanzler in Paris mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und per Videokonferenz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte sowie EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darüber beraten, welche Maßnahmen auf europäischer Ebene gesetzt werden können. "Ich bin froh, dass es die Bereitschaft gibt, beim Außengrenzschutz, beim Kampf gegen Radikalisierung und beim Kampf gegen die Terroristen selbst, in der Europäischen Union entschlossener vorzugehen", so Sebastian Kurz. Am Freitag werden die EU-Innenminister und -Innenministerinnen zu diesen Themen beraten. Zudem wird es im Dezember einen Europäischen Rat der Staats- und Regierungsspitzen geben, bei dem entsprechende Beschlüsse gefasst werden sollen.
Bedrohungsrisiko durch Maßnahmenpaket minimieren
Neben der europäischen Ebene sei es auch wichtig, in Österreich selbst gegen Terrorismus vorzugehen. "Daher haben wir im Ministerrat ein sehr umfassendes Paket verabschiedet, das 2 große Ziele hat: zum Ersten ein konsequentes Vorgehen gegen Terroristen und Gefährder und zum Zweiten ein entschiedenes Vorgehen gegen die Ideologie des politischen Islam, der die Grundlage für den Terror bildet", erklärte der Kanzler.
"In Österreich gibt es derzeit über 300 Foreign Terrorist Fighters, die entweder nach Syrien, in den Irak oder andere Länder aufgebrochen sind, um dort zu kämpfen und zu morden, oder die auf dem Weg dorthin von den Behörden gestoppt wurden", so Sebastian Kurz. Von diesen 300 Personen sei etwa die Hälfte verstorben oder nach wie vor im Kampfgebiet, die andere Hälfte sei zurückgekehrt.
"Aufgrund unserer Gesetzgebung, die besagt, dass die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation ein Straftatbestand ist, ist es möglich, diese Menschen alleine für das Vorhaben zu bestrafen. Dass aber besonders jene, die bereits eine Haftstrafe abgesessen haben, eine massive Gefahr für unsere Sicherheit sein können, hat das Attentat letzte Woche auf dramatische Art und Weise gezeigt", so Bundeskanzler Kurz. "Daher werden wir entschlossen gegen diese Gefährder vorgehen, wenn sie in Österreich sind. Das bedeutet in Zukunft, dass die Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug, solange sie nicht deradikalisiert sind, rechtens ist, auch, wenn sie ihre Haftstrafe bereits verbüßt haben." Wie bei geistig abnormen Rechtsbrechern schaffe man die Möglichkeit, diese Menschen zum Schutz der Bevölkerung wegzusperren. Für jene, die kürzlich entlassen worden seien, werde es eine elektronische Überwachung durch eine Fußfessel oder ein Armband geben. "Das ist ein starker Eingriff, aber aus meiner Sicht ein notwendiger Schritt, um das Bedrohungsrisiko zu minimieren."
Darüber hinaus setze die Bundesregierung mit der Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatsbürgern, der Schaffung einer Anti-Terror-Staatsanwaltschaft und der Reform des BVT, sowie der dortigen Mittelaufstockung weitere Maßnahmen, so der Regierungschef.
"Im Kampf gegen den politischen Islam und die ideologische Grundlage dahinter, werden wir einen Straftatbestand 'Politscher Islam' schaffen, um gegen jene vorgehen zu können, die keine Terroristen sind, die aber den Nährboden dafür schaffen", betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Es werde auch weitere Möglichkeiten zur Schließung von Kultusstätten geben. So werde ein Imame-Register eingeführt, das Symbole- und Vereinsgesetz werde verschärft und man setze Maßnahmen, um Finanzströme zur Terrorismusfinanzierung trockenzulegen.
Der Kanzler bedankte sich abschließend beim Koalitionspartner, den zuständigen Ministerinnen und dem zuständigen Minister für "dieses sehr wesentliche Paket".
Kogler: "Wir sind entschlossen, unsere Lebensweise zu schützen"
Vizekanzler Werner Kogler machte darauf aufmerksam, dass das Anti-Terror-Paket der Bundesregierung gegen alle Arten von Terror wirken solle. Auch wenn gegenwärtig der islamistische Terror im Vordergrund stehe, sollte man nicht übersehen, dass dieses Paket auch gegen Neonazis wirke. Denn auch deren Ziel sei es, die Gesellschaft mit Hass und Terror zu spalten, um damit das friedliche Zusammenleben, die Vielfalt, Toleranz und Solidarität ins Wanken zu bringen. "Einem solchen Versuch werden wir mit diesem Paket entschieden entgegentreten. Damit verteidigen wir entschlossen unsere Freiheiten und unsere Demokratie. Denn ein solcher Zusammenhalt ist die stärkste Absage an Extremismus und die damit zusammenhängenden terroristischen Aktivitäten", sagte Kogler. Die Umsetzung des Pakets soll in den nächsten Wochen, "so schnell es geht", auf Basis eines möglichst breiten politischen Konsenses erfolgen.
In diesem Paket gehe es um mehr Effektivität der Ermittlungsmethoden, die Herstellung der zeitgemäßen Sicherheitsstandards sowie um eine Entpolitisierung der Sicherheitsverwaltung. Dazu zähle etwa auch eine Reform des BVT an "Haupt und Gliedern", um dessen Effektivität zu erhöhen. "Denn letztlich geht es um das Vertrauen der Bevölkerung und der befreundeten Dienste in die zuständigen Behörden unseres Landes. Dieses Vertrauen wollen wir wiederherstellen", so der Vizekanzler.
Darüber hinaus sollen mit der Verschärfung von Bestimmungen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung Maßnahmen gesetzt werden, um dem Terror den finanziellen Nährboden zu entziehen. "Das umfasst die konsequente Trockenlegung der Finanzierung fundamentalistischer und extremistischer Gruppen aus dem Ausland. Das werden wir sicherstellen", betonte der Vizekanzler. Eine weitere Maßnahme sieht die Überwachungsverpflichtung bei Terrordelikten vor. Mit Maßnahmen zur Deradikalisierung im Strafvollzug sollen etwa Deradikalisierungspläne erstellt werden, die auf die jeweilige Gefährdungslage und die jeweiligen Gefährder zugeschnitten sind.
"Im Rahmen unserer Verfassung und unter Schutz unserer Grundrechte werden wir gezielte Maßnahmen setzen, um die Ausforschung und Überwachung von Terroristen sicherzustellen, und die Staatsanwaltschaften sowie die unabhängigen Gerichte in ihrer Arbeit unterstützen. Zugleich sollen Prävention und Deradikalisierung effektiver gestaltet werden. Wir sind als Bundesregierung gefordert und entschlossen, konsequent das Leben der in Österreich lebenden Menschen, unser friedliches Miteinander und unsere liberalen rechtsstaatlichen Prinzipien – unsere Lebensweise – zu schützen. Diese 3 Ziele gleichzeitig zu erreichen ist der politische Kern dieses Anti-Terror-Pakets der Bundesregierung", so Vizekanzler Kogler.
Nehammer: Maßnahmenpaket ist die richtige Antwort auf Terrorismus
"Ziel von Terrorismus ist immer auch, die Gesellschaft zu verunsichern und die Handlungsfähigkeit des Staates zu beeinträchtigen", erinnerte Innenminister Karl Nehammer in seinem Statement. Daher sei das vorliegende Maßnahmenpaket der Regierung "genau die richtige Antwort darauf" und zeige "die Entschlossenheit einer freien Demokratie im Kampf gegen den Terrorismus".
Ein wesentlicher Teil des Pakets sei die Reform des Verfassungsschutzes. Die Trennung des nachrichtendienstlichen vom staatspolizeilichen Bereich bringe mehr Effizienz in der Gefahrenaufklärung und -abwehr. "Dafür braucht es die nötigen Ressourcen und mehr Personal", so Nehammer. Es gehe jetzt darum "rasch einen handlungsfähigen, starken Verfassungsschutz aufzubauen, der für mehr Sicherheit in dieser Republik sorgen kann". Notwendig seien zudem mehr Befugnisse, wie die elektronische Aufenthaltsüberwachung. Der Innenminister begrüßte auch die Möglichkeit, künftig terroristische Straftäter in den Maßnahmenvollzug zu bringen: "Das ist eine wichtige Maßnahme, um präventiv zu wirken." Schließlich seien Nachschärfungen im Waffengesetz sowie die mögliche Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatsbürgerschafen ein "Gebot der Stunde".
Zadić: Ergebnisse der Untersuchungskommission in Paket einfließen lassen
Justizministerin Alma Zadić nahm ebenso zum Wien-Attentat und zum Anti-Terror-Paket Stellung: "Der Innenminister und ich sind gerade in Abstimmung zur Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission. Sie wird den Weg bis zur Tat nachvollziehen und daraus die richtigen Lehren ziehen. Die Ergebnisse werden in die Neuaufstellung des BVT und in unser Maßnahmenpaket einfließen." Seitens der Justiz sei man es den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, alles Mögliche für eine Aufklärung zu unternehmen. Es brauche zahlreiche Verbesserungen, die man rasch umsetzen wolle.
Im Bereich der Justiz seien Maßnahmen zum besseren Schutz vor terroristischen Anschlägen zusammengestellt worden: "Es braucht mehr Effektivität der Ermittlungsbehörden und eine enge Zusammenarbeit der zuständigen Behörden. Der Verfassungsschutz wird künftig über strafrelevante Prozesse an die Staatsanwaltschaft berichten müssen." Zum reibungslosen Funktionieren des Kommunikationsflusses werde man Verbindungsstellen schaffen. Mit allen zuständigen Behörden werde es Fallkonferenzen geben. In der Haft werde es notwendig sein, Handlungen zur Verhinderung weiterer Radikalisierungen zu setzen.
Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen ebenfalls effektiver für eine effiziente Terrorismusbekämpfung vorbereitet werden. Nach der Haft müsse es eine weitgehende Überwachung für terroristische Täter geben. Die Zeit gerichtlicher Auflagen nach der Haft solle verlängert werden. "Nicht vergessen dürfen wir die Opfer und ihre Angehörigen. Deswegen soll ein Fonds zur Entschädigung und psychosozialen Betreuung eingerichtet werden", so die Justizministerin.
Raab: Klare Unterscheidung zwischen extremistischem Islamismus und Religion
Kultusministerin Susanne Raab sprach von einer antiwestlichen Ideologie, die sich gegen "unsere Werte" richte und die "unsere Gesellschaft spalten" wolle. "Die hasserfüllte Ideologie der Täter wird über unterschiedliche Kanäle verbreitet. Diesen Nährboden des politischen Islam müssen wir aufs Schärfste bekämpfen", so die Bundesministerin. Man setze daher Maßnahmen rechtlicher und faktischer Natur. Es gehe nicht um den Angriff gegen eine Religion, sondern um den gemeinsamen Kampf gegen den Extremismus: "Diese klare Trennung zwischen dem extremistischen Islamismus und der Religion ist mir ein wichtiges Anliegen."
Im Kampf gegen den politischen Islam habe man sich auf ein Gesetzes- und Maßnahmenpaket verständigt. "Es werden neue Straftatbestände gegen den politischen Islam eingeführt. Für solche Taten werden wir einen Erschwerungsgrund einführen. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Täter mit der vollen Härte des Gesetzes getroffen werden und dass dabei das höchstmögliche Strafausmaß verhängt wird", betonte Susanne Raab.
Auch bei islamistischen Vereinen und Hasspredigern wolle man ansetzen. Das Symbole-Gesetz werde entsprechend nachgeschärft, indem solche Vereine darin aufzunehmen seien. Rechtliche Grundlagen zur rascheren Auflösung extremistischer Vereine sollen geschaffen werden. "Islamistische Vereine sollen sich beim Verbreiten extremistischen Gedankengutes nicht auf den Schutz durch unsere Grundrechte berufen können. Es kommt also zum konsequenten Schließen von Vereinen und Moscheen, wie wir das zuletzt in Wien getan haben. Denn hier wird das Grundrecht auf Religionsfreiheit für extremistische Zwecke ausgenützt." Auch gegen Hassprediger aus dem Ausland möchte man durch zu schaffende rechtliche Möglichkeiten vermehrt vorgehen. Die Registrierung ausländischer Imame werde eingeführt. "Es soll auch eine Meldestelle für gewaltverherrlichende Online-Inhalte, den Cyber-Jihadismus, geschaffen werden", erklärte die Integrationsministerin am Ende ihrer Ausführungen.
Bilder von der Ministerratssitzung und dem Pressefoyer sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.