Bundeskanzler Kurz: Regionale Cluster schnell unter Kontrolle bringen – Flächenbrand in Österreich verhindern

Ministerrat beschließt Reisewarnungen für Rumänien, Bulgarien und Moldau sowie Anschaffung des Grippeimpfstoffs

"Die Zahl der Neuinfizierten in Österreich ist in den letzten Tagen auf über 100 neue Fälle täglich gestiegen, mit Schwerpunkten in Oberösterreich und Wien. Auch wenn wir bisher besser durch die Krise gekommen sind als andere Länder, so sollten wir uns dennoch bewusst sein, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist. Derzeit haben wir es verstärkt mit regionalen Clustern zu tun und daher ist es richtig, regional schnell zu reagieren. Wir begrüßen die Maßnahmen, die in Oberösterreich gesetzt worden sind, um die Situation unter Kontrolle zu bringen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Pressefoyer nach dem Ministerrat im Bundeskanzleramt, das er gemeinsam mit Außenminister Alexander Schallenberg und Gesundheitsminister Rudolf Anschober absolvierte.

"Von Bundesseite beobachten wir die Situation natürlich genau und sind mit den Landeshauptleuten und den Landesgesundheitsreferenten in Kontakt, um alles zu tun, damit aus diesen regionalen Clustern kein Flächenbrand in ganz Österreich entsteht", betonte der Bundeskanzler. Morgen werde eine Videokonferenz mit allen Landeshauptleuten stattfinden, um ein Prozedere festzulegen, wie man einer potentiellen zweiten Welle begegnen könne. Zudem würden Leitlinien erarbeitet, wie auf regionale Ausbrüche bestmöglich zu reagieren sei.

Gute Stabilisierungseffekte der Wirtschaft und Rückgang der Arbeitslosigkeit

In Zusammenhang mit den Öffnungsschritten stehe Österreich im internationalen Vergleich weiterhin gut da. "Unsere Wirtschaft erholt sich wieder und wir verzeichnen gute Stabilisierungseffekte. Das führt glücklicherweise zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit." Es gelte, alles zu tun, um diese Entwicklung fortzusetzen, was wiederum stark mit der Entwicklung der Erkranktenzahlen in Verbindung stehe. "Meine große Bitte ist daher, dass wir weiterhin achtsam bleiben und Abstand halten", so Sebastian Kurz.

Reisewarnungen für Rumänien, Bulgarien und Moldau

Der Bundeskanzler informierte darüber hinaus über die Verschlechterung der Situation in den Westbalkan-Staaten. "Die Situation in der Region hat sich weiter zugespitzt. Daher wird neben der Reisewarnung für die Westbalkan-Länder auch eine Reisewarnung für Rumänien, Bulgarien und Moldau verhängt. Bitte reisen Sie nicht in diese Länder. Das ist unser dringender Appell." Man setze sich nicht nur selbst einer Gefahr aus, denn es komme dadurch zu immer mehr Einschleppungen von Corona-Fällen aus diesen Staaten nach Österreich. In den letzten Wochen habe man etwa 170 solcher Fälle verzeichnet. Der Bundesregierung sei vollkommen bewusst, dass diese Situation schwierig sei, denn Österreich habe eine enge geografische, menschliche und familiäre Verbundenheit mit den Staaten am Westbalkan.

Bruch der Quarantänevorschriften zieht harte Strafen nach sich – Grenzkontrollen werden ausgeweitet

"Wer aus diesen Ländern nach Österreich zurückkehrt, ist verpflichtet, 14 Tage in Quarantäne zu bleiben oder einen negativen Test vorzuweisen. Wer die Quarantänevorschriften nicht einhält, begeht kein Kavaliersdelikt, sondern einen ernsten Verstoß, der mit bis zu 1.450 Euro geahndet werden kann. Wer positiv getestet ist und die Quarantäne bricht, der begeht ein Strafrechtsdelikt und hat mit deutlich härteren Strafen zu rechnen", betonte Bundeskanzler Kurz. Um die Maßnahmen durchzusetzen, werde es auch zu verstärkten Kontrollen kommen. Daher habe die Bundesregierung entschieden, ab morgen die Grenzkontrollen zu verdoppeln. Das bedeute, dass die Kontrollen zu Slowenien und Ungarn verstärkt werden, insbesondere was Rückkehrer aus dem Westbalkan betreffe. Zudem würden ausnahmslos alle Reisebusse kontrolliert. Auch komme es zu einer Verdoppelung der Ausgleichsmaßnahmen. Insgesamt würden 1.800 Polizistinnen und Polizisten in diesem Bereich im Einsatz sein. Man müsse auf die Situation der eingeschleppten Fälle reagieren, so Sebastian Kurz.

Bestellung des Grippeimpfstoffs beschlossen

Schließlich berichtete der Kanzler vom im Ministerrat gefassten Beschluss zur Bestellung des Grippeimpfstoffs, um verstärkt impfen zu können. "Das ist eine sinnvolle Maßnahme, einerseits, weil die Grippe nach wie vor sehr vielen Menschen das Leben kostet und andererseits, weil wir im Herbst die Herausforderung haben werden, dass mehr und mehr Menschen erkranken und die Unterscheidung zwischen Grippe und dem Coronavirus immer schwieriger wird. Daher ist diese Sonderimpfaktion zu begrüßen."

Reisewarnungen zum Schutz und Selbstschutz

Außenminister Alexander Schallenberg berichtete, dass sich die Bundesregierung aufgrund der virologischen Situation veranlasst gesehen habe, die zuletzt gegenüber den Westbalkan-Staaten ausgesprochenen Reisewarnungen auch auf Rumänien, Bulgarien und die Republik Moldau auszudehnen. Für die Einreise aus der Republik Moldau ändere sich im Grunde nichts, da die Einreise von Drittstaatenangehörigen aus Nicht-EU- und Schengenstaaten derzeit grundsätzlich nicht vorgesehen sei.

Die Verhängung von Reisewarnungen sei in diesem Zusammenhang das letzte Mittel, auch wenn sie notwendig seien. "Sie sind ein notwendiger Appell zum Schutz und Selbstschutz", so der Außenminister. Daher werde die Situation auch weiterhin in allen Staaten, auch in jenen, die bereits offen seien, laufend überprüft. "Wir werden diese Maßnahmen so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich aufrechterhalten", so Schallenberg, der die Verhängung von Reisewarnungen als "schmerzlichen Schritt" bezeichnete. "Das ist nicht der Weg, den wir uns wünschen. Aber dieser Weg ist notwendig. Wir sind mit diesen Ländern ganz eng verbunden und es ist mir sehr bewusst, dass viele Menschen in Österreich die Aussicht hatten, jetzt über die Sommerwochen ihre Familienangehörigen und Freunde zu besuchen. Aber genau deswegen haben wir in Österreich diese ganz besondere Verantwortung, weil wir eine enge Verflechtung mit diesen Regionen haben. Ich appelliere daher ganz dringend, auf Reisen in diese Region zu verzichten", bekräftigte Schallenberg.

Österreich sei in der Bekämpfung und Eindämmung der Corona-Pandemie bisher sehr erfolgreich gewesen. In Bezug auf die Effektivität der Maßnahmen belege es Platz 2 hinter Neuseeland. Dennoch dürfe man sich nicht einem trügerischen Gefühl der subjektiven Sicherheit hingeben. "Wir sind global gesehen bei weitem noch nicht über den Berg. Das Virus ist nicht weg. Es ist daher in unser aller Interesse, die getroffenen Maßnahmen ernst zu nehmen und diese Information auch im Bekannten- und Freundeskreis weiterzugeben", sagte der Außenminister.

Gemeinsam müsse man jetzt darauf achten, dass die positive Entwicklung, die in den letzten Wochen so hart erarbeitet wurde, nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werde. "Ich bitte daher: Nehmen Sie die Warnungen, nehmen Sie die Regelungen ernst. Sie schützen damit sich selber vor allen rechtlichen Konsequenzen und Strafen, aber vor allem schützen Sie sich und Ihre Umgebung vor dem Virus", appellierte Außenminister Schallenberg.

Sinkendes Risikobewusstsein korrigieren – Pandemiehöhepunkt noch nicht erreicht

Gesundheitsminister Rudolf Anschober betonte: "Der Höhepunkt der Pandemie ist noch nicht erreicht: Wir mussten im April weltweit rund 100.000 Neuinfektionen pro Tag verzeichnen, heute sind es 200.000 Erkrankungen pro Tag. Das erfüllt uns mit Sorge. Das wichtigste ist daher, dass wir diese Pandemie nicht falsch einschätzen." Sein Eindruck sei, dass in den letzten Wochen ein sinkendes Risikobewusstsein zu verzeichnen gewesen sei, das müsse korrigiert werden. "Es ist wichtig, dass wir aufmerksam bleiben und Hygienemaßnahmen, Mindestabstand sowie Mund-Nasenschutz konsequent leben", bekräftigte Anschober.

Der Gesundheitsminister appellierte an die Bevölkerung, den Mund-Nasenschutz freiwillig überall dort zu verwenden, wo es eng werde und lobte Oberösterreich für die Wiedereinführung des verpflichtenden Mund-Nasenschutzes, um den derzeitigen "gravierenden Cluster" konsequent zu bekämpfen. Man befinde sich nun in der erwarteten Phase 3 der Pandemie, in der man an der Stabilisierung der Situation arbeite und starke Zuwächse nicht bundesweit, sondern lokal erfolgen würden.

Screening-Programm in Risikobereichen gestartet

Anschober hob hervor, dass seit vergangenen Donnerstag damit begonnen worden sei, zusätzliche Screenings in bestimmten Risikobereichen, wie etwa der fleischverarbeitenden Industrie, durchzuführen. "Jeder Fall, den wir jetzt bei diesen Screenings entdecken, ist gut. Denn es ist ja das Ziel, dass wir eine Vorarbeit gegen eine zweite Welle im Herbst realisieren." In einer Videokonferenz mit den 5 deutschsprachigen Nachbarländern sei festgestellt worden, dass es viele reiseassoziierte Clusterbildungen gebe. Daher solle der Kontakt mit den Gesundheitsbehörden, zum Beispiel auf dem Westbalkan, verstärkt werden. "Die Corona-Pandemie ist eine Pandemie, die man nur gemeinsam lösen kann und das wollen wir verstärkt tun", hielt der Gesundheitsminister fest.

Verbreiterung des Influenza-Impfprogramms

Eine weitere Vorbereitungsarbeit für den schwierigen Herbst sei auch die Verbreiterung eines Impfprogramms gegen die Influenza. Durchschnittlich würden in Österreich 300.000 Menschen pro Saison erkranken, 1.000 Todesfälle wären die Folge. "Die Corona-Pandemie und die zu erwartende Grippewelle werden parallel eintreten, die Symptome sind durchaus vergleichbar. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir das Impfprogramm gegen die Influenza verstärken", so Anschober. Es sei gelungen, die Bestellungen für den Winter nachzujustieren und zusätzlich 2 Programme zu fixieren. Zum einen wurde die Influenza-Impfung in das kostenlose Kinderimpfprogramm in Österreich aufgenommen, zum anderen eine Sonderbestellung für Menschen über 65 Jahren fixiert. "Wir werden damit in Summe eine Steigerung der Impfkapazitäten um rund 40 Prozent haben. Die Impfung wird zudem vorgezogen und schwerpunktmäßig Anfang November starten", sagte Anschober, der eine Steigerung der Grippe-Impfrate von derzeit niedrigen 8 bis 9 Prozent auf 15 bis 17 Prozent anstrebt.

Novelle zum Umweltförderungsgesetz

Umweltministerin Leonore Gewessler blickte bereits vor dem Ministerrat auf die im März getroffene Vereinbarung mit der E-Wirtschaft zurück, wonach man bei finanziellen Schwierigkeiten die Energieversorgung der Haushalte weiter garantieren werde: "Wir haben damit rund 11.000 Abschaltungen von Strom und Gas verhindert." Für eine stabile Versorgung sei es wichtig, unabhängiger zu werden und einen Aspekt der sozialen Gerechtigkeit einfließen zu lassen: "Die heute im Ministerrat zu beschließende Novelle zum Umweltförderungsgesetz für die nächsten Jahre deckt beides ab. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehören zusammen."

150 Millionen Euro für die Mikroelektronik

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck berichtet von einem Ministerratsbeschluss, mit dem man die Industrie und Produktion in Österreich voranbringen wolle: "Heute beschließen wir 150 Millionen Euro für den Bereich der Mikroelektronik, um Produktionen in Österreich zu unterstützen. Es wird aber auch notwendig sein, bei Wasserstoff, Batterieproduktion und Produktion von Wirkstoffen in der pharmazeutischen Industrie tätig zu werden." Diese Bereiche in Europa zu halten, sei auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen wichtig. International gebe es rund 15 relevante Unternehmen im Bereich der Mikroelektronik, von denen 3 in Europa angesiedelt seien. Durch die Digitalisierung könne man die Produktion neu gestalten, so Schramböck.

Bilder von diesem Termin sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.