Europäischer Rat: Migration, Ukraine und Wirtschaft im Fokus

Schlussfolgerungen des Ratspräsidenten: Migration als "europäische Herausforderung, die eine europäische Antwort erfordert" – Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine: Kontinuierliche Unterstützung der EU für Infrastruktur, Vertriebene sowie den künftigen Wiederaufbau der Ukraine – Beziehungen zu China und anderen Weltregionen in Mittelpunkt

Runder Tisch beim Europäischen Rat

Migration, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, Wirtschaft und Außenbeziehungen: Insbesondere über diese Themen verhandelten die EU-Staats- und -Regierungschefinnen und -chefs beim Europäischen Rat am 29. und 30. Juni 2023 in Brüssel. Österreich wurde durch Bundeskanzler Karl Nehammer vertreten.

Am 29. Juni 2023 nahm Bundeskanzler Karl Nehammer (im Bild) am EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs teil.

Externe Dimension von Migration im Fokus

Die Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, von 30. Juni 2023 gehen auf die externe Dimension von Migration – das heißt, die Kooperation mit wesentlichen Herkunfts- und Transitstaaten – ein. An erster Stelle drückt der Europäische Rat sein tiefes Bedauern über die jüngsten tragischen Ereignisse im Mittelmeer aus. Der Präsident des Europäischen Rates stellt die Entschlossenheit der EU fest, "das Geschäftsmodell der Menschenhändler und Schleusernetze – einschließlich der Instrumentalisierung von Migranten – zu zerschlagen und gegen die Ursachen irregulärer Migration vorzugehen. Die Migration ist eine europäische Herausforderung, die eine europäische Antwort erfordert", so der Präsident des Europäischen Rates, der weiter ausführt, dass die Arbeit in allen Aktionsbereichen und entlang aller Migrationsrouten im Einklang mit dem Völkerrecht intensiviert worden sei. Auch der schwedische EU-Ratsvorsitz sowie die Europäische Kommission haben den Europäischen Rat über die seit 9. Februar 2023 erzielten Fortschritte unterrichtet, mit Fokus auf die externen Aspekte der Migration und ihre Finanzierungsmechanismen.

Anfang Juni 2023 hatten sich die 27 Innenministerinnen und -minister der EU auf eine gemeinsame Position zur Reform des EU-Asyl- und Migrationssystems geeinigt; dazu zählen ein wirksamer Grenzschutz an den EU-Außengrenzen mit einheitlichen Standards für Registrierungen und Zuständigkeiten, verpflichtende Asylverfahren an der EU-Außengrenze, die faire und effiziente Antragsbearbeitung sowie ein praktikabler, vorhersehbarer und einfacher Solidaritätsmechanismus. In den Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates von 30. Juni 2023 wird von der Erklärung Polens und Ungarns "Kenntnis genommen, laut derer im Zusammenhang mit den laufenden Arbeiten am Migrations- und Asylpaket ein Konsens über eine wirksame Migrations- und Asylpolitik gefunden werden muss, im Rahmen von Solidaritätsmaßnahmen die Umsiedlung und die Neuansiedlung auf freiwilliger Basis erfolgen sollten und jede Form der Solidarität gleichermaßen Gültigkeit haben sowie eine potenzielle Sogwirkung für irreguläre Migration vermieden werden sollte".

Nachhaltige Unterstützung der EU für die Ukraine

Der Europäische Rat nahm Schlussfolgerungen zur Ukraine und zu Sicherheit und Verteidigung an. Im Rahmen der Tagung fand auch ein Austausch mit dem Generalsekretär der "North Atlantic Treaty Organization" (NATO), Jens Stoltenberg, zu Aspekten der Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO sowie zur euro-atlantischen Sicherheit statt; beide Aspekte gelten als Schlüsselfaktoren für die allgemeine Sicherheit der EU. Im Rahmen der Tagung bekräftigte der Europäische Rat die Entschlossenheit der EU, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen, und ihre Fähigkeit, eigenständig handeln zu können, zu stärken. Die technologische und industrielle Basis des europäischen Verteidigungssektors müsse gestärkt werden. In diesem Zusammenhang zogen die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs eine Bilanz der Fortschritte bei der Umsetzung früherer Schlussfolgerungen und begrüßten die Fortschritte bei der Umsetzung des "Strategischen Kompasses".

Die EU-Staats- und -Regierungschefinnen und -chefs verurteilten erneut entschieden den Krieg Russlands und bekräftigten, die Unterstützung der EU für die Ukraine fortsetzen zu wollen. Der Präsident der Ukraine, Wolodomyr Selenskyj, wandte sich im Rahmen einer Videokonferenz an die EU-Führungsspitzen. Bis dato haben die EU und die Mitgliedstaaten der Ukraine über 77 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, unter anderem zur Stärkung von Wirtschaft, Gesellschaft, staatlichen Strukturen, Streitkräften, und zum künftigen Wiederaufbau des Landes sowie zur humanitären Hilfe für die Vertriebenen in der Ukraine und der EU. Die Arbeiten in Bezug auf eingefrorene russische Vermögenswerte sollen vorangebracht werden. Zudem zeigten sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs entschlossen sicherzustellen, dass Russland für den Krieg in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen wird, und begrüßten unter anderem die Fortschritte bei der Einrichtung des Internationalen Zentrums für die Strafverfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine.

Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit

Im Mittelpunkt der Diskussionen um Wirtschaftsthemen standen die Industriepolitik der EU, der europäische Binnenmarkt sowie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität Europas. Auch die von der Kommission am 20. Juni 2023 präsentierte Strategie für wirtschaftliche Sicherheit wurde debattiert. Ihr Ziel ist es, Risiken für die europäische Wirtschaft in kritischen Bereichen abzubauen, die Widerstandsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken und sowohl im Bereich der Lieferantinnen und Lieferanten als auch der Absatzmärkte weiter zu diversifizieren. In den Schlussfolgerungen wird zudem auf die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI)  eingegangen und betont, dass Chancen und Risiken berücksichtigt werden müssten, um Vertrauen zu stärken, Innovation sowie Investitionen zu fördern und globale Standards festzulegen.

Beziehungen der EU zu China sowie anderen Regionen

Die 27 EU-Staats- und -Regierungschefinnen und -chefs führten eine strategische Aussprache über China und unterstrichen dabei den "vielschichtigen strategischen Ansatz" der EU für China, welches gleichzeitig Partner, Konkurrent und systemischer Rivale sei. Die EU strebe im Bereich Wirtschaft und Handel nach gleichen Wettbewerbsbedingungen; kritische Abhängigkeiten und Schwachstellen, auch in den Lieferketten, plant die EU zu verringern – nach dem Ansatz der Risikominderung und Diversifizierung. In diesem Zusammenhang wird in den Schlussfolgerungen festgehalten: "Die Europäische Union beabsichtigt nicht, sich abzukoppeln oder nach innen zu kehren." Die EU und China würden bei wichtigen Herausforderungen globalen Ausmaßes zusammenarbeiten, etwa im Bereich Klimawandel, bei Gesundheit oder der weltweiten Ernährungssicherheit. In den Schlussfolgerungen werden zudem die Bedeutung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Besorgnis der Mitglieder des Europäischen Rates über Spannungen in der Taiwanstraße hervorgehoben. Als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNO) trage China eine "besondere Verantwortung, die regelbasierte internationale Ordnung, die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht hochzuhalten", so die Schlussfolgerungen. Und weiter: "Daher ruft der Europäische Rat China auf, Druck auf Russland auszuüben, damit Russland seinen Angriffskrieg beendet und seine Truppen unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus der Ukraine abzieht."

Der Europäische Rat widmete sich zudem der Vorbereitung des Gipfeltreffens der EU mit der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (EU-CELAC) am 17./18. Juli 2023 in Brüssel, für das sich im Vorfeld insbesondere der spanische EU-Ratsvorsitz (2. Halbjahr 2023) eingesetzt hatte. Zudem standen die Beziehungen der EU mit der Südlichen Nachbarschaft und dem östlichen Mittelmeer sowie das Thema EU-Erweiterung/Westbalkan auf der Agenda.

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