Europaministerin Edtstadler: "Klares Signal der Stärke der EU senden"

Rat "Allgemeine Angelegenheiten" am 21. Juni 2022 in Luxemburg – Status der EU-Beitrittskandidaten im Fokus – Weitere Themen: Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 23. und 24. Juni, Follow-Up der "Konferenz zur Zukunft Europas" und die Beziehungen zum Vereinigten Königreich

Anna Lührmann, Bundesministerin Karoline Edtstadler

Es gehe darum, "eine historische Chance" zu nützen und ein klares Signal der Stärke der EU durch Erweiterungsüberlegungen in Richtung Osten und in Richtung Westbalkan zu senden", betonte Europaministerin Karoline Edtstadler beim Rat "Allgemeine Angelegenheiten" in Luxemburg. Neben der Frage des möglichen Status als EU-Beitrittskandidatenländer für die Ukraine und Moldawien – die am 23. und 24. Juni bei der Tagung des Europäischen Rates auf der Agenda steht – beriet Edtstadler mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen auch über das mögliche Follow-Up der EU-Zukunftskonferenz sowie die Beziehungen der EU zum Vereinigten Königreich Großbritannien.

Die Tagung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" fand zum letzten Mal unter französischem EU-Ratsvorsitz statt: Ab 1. Juli 2022 übernimmt die Tschechische Republik die EU-Ratspräsidentschaft und damit den Vorsitz bei den Ratstagungen.

Edtstadler zur Frage der EU-Erweiterung: "Westbalkan benötigt gerade jetzt ein starkes Signal"

Bei der Tagung des Europäischen Rates am 23. und 24. Juni 2022 beraten die 27 EU-Staats- und Regierungsspitzen über den Krieg in der Ukraine und prüfen auch die Anträge der Ukraine, Georgiens und Moldawiens auf Beitritt zur Europäischen Union. Die Europäische Kommission hatte am 17. Juni 2022 empfohlen, der Ukraine und Moldawien offiziell den Status als EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. Der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" erörterte diese Empfehlung der Kommission und auch die Frage, welche Bedingungen für einen möglichen Beitrittskandidatenstatus zu erfüllen sind.

Österreich und Slowenien unterstützen diesen Status auch für Bosnien und Herzegowina, welches aktuell potenzieller Beitrittskandidat ist. "Es geht ganz stark um die Frage der Erweiterung in Richtung Osten, aber wir dürfen auch den Westbalkan im Südosten nicht vergessen", so Europaministerin Edtstadler. Es sei gut und richtig, den Staaten des Westbalkans zu einem nächsten Schritt zu verhelfen, die seit Jahren in einer "Warteschleife" hängen würden. "Es darf keine Kandidaten erster und zweiter Klasse geben. Die EU muss ihre Versprechen gegenüber dem Westbalkan halten, der gerade jetzt ein starkes Signal braucht", betonte Edtstadler.

Follow-Up-Prozess für die "Konferenz zur Zukunft Europas"

Die Ministerinnen und Minister beziehungsweise Staatssekretärinnen und Staatssekretäre führten eine erste Aussprache über den Inhalt der Vorschläge im Abschlussbericht der "Konferenz zur Zukunft Europas". Dabei stützten sie sich insbesondere auf die Analyse des Generalsekretariats des Rates, auch die Kommission hatte in diesem Zusammenhang eine Mitteilung vorgelegt. Im Abschlussbericht sind 49 Vorschläge und über 300 konkrete Maßnahmen in unterschiedlichen Themenbereichen enthalten. Die Vorschläge waren von Mai 2021 bis Mai 2022 unter anderem durch nationale und europäische Bürgerforen sowie Inputs der Bürgerinnen und Bürger auf der digitalen Plattform "Konferenz zur Zukunft Europas" erarbeitet worden. "Im Laufe eines Jahres wurden im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas die europäischen Bürgerinnen und Bürger auf beispiellose Art und Weise für die Teilnahme an Konsultationen und Reflexionen mobilisiert. Die Vorschläge, die sich aus der Konferenz ergeben haben, verdienen eine Reaktion. Heute haben wir einen ersten Schritt in diese Richtung unternommen", strich dazu auch Clément Beaune, beigeordneter Minister für europäische Angelegenheiten und Vertreter des aktuellen französischen EU-Ratsvorsitzes, hervor.

Staatssekretär für europäische Angelegenheiten von Frankreich Clément Beaune

Zur EU-Zukunftskonferenz erklärte Europaministerin Edtstadler, dass man sich völlig einig über die Notwendigkeit eines Follow-Up-Prozesses sei: "Die Bürgerinnen und Bürger, die sich zahlreich beteiligt haben, haben es verdient, informiert zu werden und dass ihren Wünschen nachgekommen wird." Dabei gehe es auch um eine stärkere Einbindung. Darüber hinaus würde zudem über das Einstimmigkeitsprinzip und über die Tatsache, dass darauf basierende Prozesse oft sehr lange dauern würden, diskutiert. "Allerdings zeigt sich die wirkliche Stärke der Europäischen Union genau in dieser Einigkeit und Einstimmigkeit", so Edtstadler. Das sehe man etwa bei den Sanktionspaketen gegenüber Russland, wo diese Einstimmigkeit zu tragen gekommen sei: "Die Stärke der Europäischen Union ist, wenn sie mit einer Stimme spricht."

Möglichst enge Bindung der EU zum Vereinigten Königreich Großbritannien

Hinsichtlich der Beziehungen der EU zum Vereinigten Königreich nach dem Brexit sprach sich die Europaministerin für eine "möglichst enge Bindung" zu Großbritannien aus. Dies liege vor dem Hintergrund der aktuellen Situation und den Bedrohungen von außen auf der Hand. Auf der anderen Seite habe man jedoch laut Edtstadler "klare Vereinbarungen, auch was das Nordirland-Protokoll betrifft. Das ist ein unterschriebener Vertrag. Pacta sunt servanda." Daher unterstütze Österreich die Europäische Kommission in den Schritten, die bereits eingeleitet worden seien, etwa beim Vertragsverletzungsverfahren.

Weitere Themen: Länderspezifische Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters und Transparenz von politischer Werbung

Die für europäische Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen und Minister sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre genehmigten zudem die länderspezifischen Empfehlungen 2022, welche länderspezifische politische Leitlinien für makroökonomische und haushaltspolitische Reformen enthalten, und übermittelten sie dem Europäischen Rat zur Billigung. Das "Europäische Semester" ist ein Zyklus zur Abstimmung der Wirtschafts-, Fiskal-, Arbeits- und Sozialpolitik innerhalb der EU. Es gehört zum Rahmenwerk der Europäischen Union für die wirtschaftspolitische Steuerung. Die Mitgliedstaaten stimmen im Rahmen des Europäischen Semesters ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik mit den auf europäischer Ebene vereinbarten Regeln ab.

Der französische EU-Ratsvorsitz informierte bei der Tagung am 21. Juni 2022 zudem über die seit Beginn des Halbjahres durchgeführten Arbeiten am Vorschlag für eine Verordnung über die Transparenz und das "Targeting" politischer Werbung und legte seine Überlegungen für die weitere Arbeit vor. Der Verordnungsvorschlag war von der Europäischen Kommission am 25. November 2021 vorgelegt worden. Neben der Überarbeitung der Verordnung über das Statut und die Finanzierung politischer Parteien, für die der Rat im März 2022 im Hinblick auf die anstehenden Gespräche mit dem Parlament sein Mandat angenommen hatte, stellt der Vorschlag eines der beiden Hauptelemente des Pakets "Demokratie und Integrität der Europawahlen" dar.

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