"Gender Pay Gap": Rat der EU nimmt neue Vorschriften zur Lohntransparenz an

Neue Vorschriften zur Bekämpfung von Lohndiskriminierung vom Rat der EU angenommen: Besserer Zugang zu Informationen und mehr Transparenz über Entgelthöhen, umfassendere Berichtspflichten für Unternehmen über geschlechtsspezifisches Lohngefälle – Frauen verdienen in der EU durchschnittlich 13 Prozent weniger pro Stunde als Männer

Symbolbild: offener Laptop mit Statistiken

Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit ist einer der zentralen Grundsätze der EU. Um dem geschlechterspezifischem Lohngefälle in der EU entgegenzuwirken, hat der Rat der Europäischen Union am 24. April 2023 neue Vorschriften zur Bekämpfung von Lohndiskriminierung und zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles angenommen. So sollen sich Unternehmen in der EU gemäß der Richtlinie zur Lohntransparenz künftig darüber austauschen, wie viel sie Frauen und Männern für gleichwertige Arbeit zahlen, und Maßnahmen ergreifen, wenn ihr geschlechtsspezifisches Lohngefälle 5 Prozent übersteigt. Des Weiteren enthält die neue Richtlinie Bestimmungen über die Entschädigung von Opfern von Lohndiskriminierung und Sanktionen, einschließlich Geldbußen, für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die gegen die Vorschriften verstoßen.

Umfassendere Information über Einstiegsentgelt und Entgelthöhen

Arbeitgeberinnen beziehungsweise Arbeitgeber müssen Arbeitssuchende beziehungsweise Bewerberinnen und Bewerber künftig über das Einstiegsentgelt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Stelle direkt in der Stellenausschreibung oder während des Vorstellungsgesprächs informieren. Des Weiteren dürfen Arbeitgeberinnen beziehungsweise Arbeitgeber Bewerberinnen und Bewerber künftig nicht mehr nach ihrer Lohnentwicklung fragen. Der Zugang zu Informationen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird durch die neuen Vorschriften ausgeweitet: Sobald Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Arbeitnehmer eine Stelle angenommen haben, haben sie künftig das Recht, von ihren Arbeitgeberinnen beziehungsweise Arbeitgebern Auskunft über die durchschnittlichen Entgelthöhen – aufgeschlüsselt nach Geschlecht – für die Gruppe von Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie sie selbst verrichten, zu erhalten. So soll ihnen auch der Zugang zu den objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien gewährt werden, die zur Bestimmung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung herangezogen werden.

Verstärkte Berichtspflichten für Unternehmen 

Nach den neuen Vorschriften müssen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten künftig der zuständigen nationalen Behörde jährlich über das geschlechtsspezifische Lohngefälle in ihrer Organisation Bericht erstatten. Für kleinere Organisationen (zunächst solche mit mehr als 150 Beschäftigten) soll die Berichtspflicht nur alle 3 Jahre gelten. Wird im Bericht ein Lohngefälle von mehr als 5 Prozent festgestellt, das nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt werden kann, müssen die Unternehmen Maßnahmen in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung ergreifen, die in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmerinnen- beziehungsweise Arbeitnehmervertretern durchgeführt wird.

Besserer Zugang zu rechtlichen Maßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Im Rahmen der neuen Richtlinie können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung erfahren haben, Schadenersatz erhalten. Dazu gehört auch die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni oder Sachleistungen. Während die Beweislast in Fällen von Lohndiskriminierung traditionell bei den Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Arbeitnehmern liegt, soll nun die Arbeitgeberin beziehungsweise der Arbeitsgeber in der Pflicht sein nachzuweisen, dass sie oder er nicht gegen die EU-Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstoßen hat. Die Sanktionen für Verstöße – einschließlich Geldbußen – sollen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend gestaltet sein.

Auch intersektionelle Diskriminierung (die Kombination verschiedener Formen von Ungleichheit oder Benachteiligung wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit oder Sexualität) fällt künftig unter den Geltungsbereich der neuen Vorschriften. Durch entsprechende Bestimmungen soll zudem sichergestellt werden, dass die Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Behinderungen berücksichtigt werden.

Die nächsten Schritte

Die Richtlinie zur Lohntransparenz tritt mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die EU-Mitgliedstaaten haben dann bis zu 3 Jahre Zeit, die Richtlinie umzusetzen, indem sie ihr nationales Recht an die neuen Vorschriften anpassen. Zunächst gilt die Meldepflicht nur für Unternehmen mit 150 oder mehr Beschäftigten; 2 Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist wird die Verpflichtung, alle 3 Jahre geschlechtsspezifische Lohninformationen zu melden, auf kleinere Unternehmen – mit mehr als 100 Beschäftigten – ausgeweitet.

Hintergrund: Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit

Nach Angaben des Rates verdienen Frauen in der EU durchschnittlich 13 Prozent pro Stunde weniger als Männer. Dieses geschlechtsspezifische Lohngefälle ist in den letzten 10 Jahren weitgehend unverändert geblieben. Lohndiskriminierung stellt eines der Haupthindernisse für die Verwirklichung von Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen dar, auch wenn eine Reihe von Faktoren zu diesem Gefälle beiträgt. Ungleiche Entlohnung führt dazu, dass Frauen stärker von Armut bedroht sind, und zu einer Verstärkung des geschlechtsbedingten Pensionsgefälles. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Lohndiskriminierung häufig aufgrund mangelnder Lohntransparenz unentdeckt bleibt, was bedeutet, dass Opfer daran gehindert werden, Ansprüche geltend zu machen.

Das Recht auf gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist in Artikel 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) und in der Richtlinie 2006/54/EG über gleiches Entgelt verankert. Lohntransparenz wurde als zentrale Priorität in die EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 aufgenommen. 

Am 4. März 2021 hatte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie präsentiert. Am 15. Dezember 2022 hatten das Parlament und der Rat unter tschechischem EU-Ratsvorsitz eine politische Einigung erzielt und auf seiner Plenartagung am 30. März 2023 das Europäische Parlament die Richtlinie angenommen.

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