EU-Erweiterungspaket 2025: Fortschritte und Herausforderungen auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft

Erweiterung der Union als eine zentrale Priorität der Europäischen Kommission – Ukraine, Moldau, Montenegro und Albanien machen Fortschritte, Serbien und Georgien stehen vor Herausforderungen – EU setzt auf Reformtempo und klare Leistungskriterien, unterstützt durch Wachstumsprogramme

Kaja Kallas, Marta Kos

Die Europäische Kommission hat am 4. November 2025 ihr jährliches Erweiterungspaket vorgestellt. Der Bericht enthält eine umfassende Bewertung der Fortschritte, welche die 10 EU-Beitrittskandidaten im vergangenen Jahr erzielt haben, und zeigt laut Kommission auf, dass die Dynamik der Erweiterung innerhalb der EU ungebrochen ist. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Erweiterung bei der Vorstellung des Erweiterungspakets als „ein Versprechen von Frieden, Wohlstand und Solidarität“ für ganz Europa.

Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Eine größere Union bedeutet ein stärkeres und einflussreicheres Europa"

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte weiter:

"Wir setzen uns mehr denn je dafür ein, die EU-Erweiterung Wirklichkeit werden zu lassen. Denn eine größere Union bedeutet ein stärkeres und einflussreicheres Europa auf der Weltbühne. Die Erweiterung ist jedoch ein leistungsbasierter Prozess. Unser Paket enthält konkrete Empfehlungen an alle unsere Partner. Und zu allen von ihnen sagen wir: Der EU-Beitritt ist ein einzigartiges Angebot. Ein Versprechen von Frieden, Wohlstand und Solidarität. Mit den richtigen Reformen und einem starken politischen Willen können unsere Partner diese Chance nutzen."

Erweiterung der Union bleibt eine zentrale Priorität für die Kommission

Laut Europäischer Kommission bleibt der EU-Beitritt ein leistungsorientierter Prozess: Nur Länder, die Reformen konsequent umsetzen, könnten demnach Fortschritte erzielen. Die 10 Länder – Montenegro, Albanien, Ukraine, Moldau, Serbien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Türkei und Georgien – gelten weiterhin als zentrale Erweiterungspartner. Dabei stehen Reformen in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und öffentliche Verwaltung im Fokus. Diese Schritte sollen nicht nur den Kandidatenländern selbst, sondern auch den bestehenden EU-Mitgliedstaaten zugutekommen, etwa durch vertiefte wirtschaftliche Integration, mehr Stabilität in der Nachbarschaft und neue Investitionsmöglichkeiten.

Leistungsorientierter Ansatz und schrittweise Integration

Die Europäische Kommission bekräftigt ihren "strengen, fairen und ergebnisorientierten" Ansatz. Das Erweiterungspaket umfasst demzufolge detaillierte Bewertungen, Empfehlungen und Leitlinien, die den Ländern als Reformfahrplan dienen sollen. Parallel dazu fördert die EU eine schrittweise Integration, etwa durch den Zugang zu Teilen des europäischen Binnenmarktes noch vor dem formellen Beitritt. Zudem sollen künftige Beitrittsverträge Schutzmechanismen enthalten, um Rückschritte bei demokratischen Standards oder der Rechtsstaatlichkeit zu verhindern. Auch die Bekämpfung von Desinformation und ausländischer Einflussnahme betrachtet die EU-Kommission als strategische Priorität.

Deutliche Fortschritte in Montenegro und Albanien

Montenegro hat laut Bericht im vergangenen Jahr 4 Verhandlungskapitel abgeschlossen und strebt an, die Beitrittsverhandlungen bis Ende 2026 abzuschließen. Die EU-Kommission lobt die anhaltenden Reformanstrengungen des Landes, insbesondere im Justizwesen und bei der Finanzkontrolle, mahnt jedoch ein, den politischen Konsens über Parteigrenzen hinweg aufrechtzuerhalten.

Auch Albanien hat nach Angaben der Europäischen Kommission große Fortschritte erzielt: 4 Cluster wurden eröffnet und die Vorbereitungen für das letzte seien weit fortgeschritten. Besonders in der Justizreform und bei der Korruptionsbekämpfung habe es positive Entwicklungen gegeben, so die EU-Kommission. Ziel der albanischen Regierung ist es, die Verhandlungen bis 2027 abzuschließen – ein Vorhaben, das laut Kommission realistisch ist, sofern das Reformtempo anhält.

Ukraine und Republik Moldau: Entschlossen trotz widriger Umstände

Trotz des andauernden Angriffskriegs Russlands hält die Ukraine an ihrem EU-Beitrittskurs fest. Laut Bericht der Kommission wurden der Screening-Prozess abgeschlossen und zentrale Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Verwaltung und Minderheitenrechte umgesetzt. Die EU-Kommission würdigt die Anstrengungen der Ukraine, mahnt jedoch eine Beschleunigung des Reformtempos an, um das von der Ukraine angestrebte Ziel eines vorläufigen Verhandlungsabschlusses bis Ende 2028 zu erreichen.

Auch die Republik Moldau zeigt laut Europäischer Kommission beachtliche Fortschritte. Nach erfolgreichem Abschluss des Screening-Prozesses und dem 1. EU-Moldau-Gipfel im Juli 2025 seien wichtige Fahrpläne für demokratische Reformen beschlossen worden. Die moldauische Regierung strebt an, die Verhandlungen bis Anfang 2028 zu beenden – ein Ziel, das nach Angaben der EU-Kommission angesichts der breiten politischen Unterstützung für einen EU-Beitritt im Land als erreichbar gilt.

Serbien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina: Reformtempo stagniert

In Serbien hätten nach Angaben der Europäischen Kommission gesellschaftliche Spannungen und Proteste das politische Klima verschärft und die Reformdynamik gebremst. Die EU-Kommission stellt in ihrem Bericht Fortschritte bei der digitalen Medienaufsicht und im Wahlrecht fest, fordert aber weitere konsequente Maßnahmen zur Stärkung der Justiz und zum Schutz der Meinungsfreiheit.

Nordmazedonien arbeite weiter an Fahrplänen für Rechtsstaatlichkeit und Verwaltungsreform, so die EU-Kommission. Allerdings hänge der Fortschritt stark von der Umsetzung notwendiger Verfassungsänderungen ab, welche die Anerkennung verschiedener ethnischer Gruppen – darunter der bulgarischen Minderheit – vorsehen.

Nach Angaben der EU-Kommission habe der Reformschwung in Bosnien und Herzegowina, unter anderem durch politische Spannungen, insbesondere in der Republika Srpska, an Geschwindigkeit verloren. Vor diesem Hintergrund sei es nur zu begrenzten Fortschritten, beispielsweise in den Bereichen Datenschutz und Grenzkontrollen, gekommen. Dennoch gebe es auch positive Signale, etwa durch die Vorlage einer neuen Reformagenda. Der Beginn von Beitrittsverhandlungen hänge insbesondere von konkreten Fortschritten bei der Justizreform ab.

Kosovo, Türkei und Georgien: Unterschiedliche Ausgangslagen

Kosovo bekennt sich weiterhin zum EU-Beitritt, werde aber – so konstatiert es die Europäische Kommission – durch politische Verzögerungen und regionale Spannungen gebremst. Eine Normalisierung der Beziehungen zu Serbien bleibe die Voraussetzung für Fortschritte im Beitrittsprozess, so die EU-Kommission. Die EU hat erste Maßnahmen zur Lockerung zuvor verhängter Sanktionen angekündigt, abhängig vom Verlauf der Deeskalation im Norden des Landes.

Die EU-Kommission betont, dass die Türkei ein wichtiger Partner bleibe, auch wenn die Beitrittsverhandlungen seit 2018 ruhen. Positiv bewertet die Europäische Kommission die Kooperation in vereinzelten migrations- und sicherheitspolitischen Fragen, wie die Wiederaufnahme der Zypern-Siedlungsgespräche. Gleichzeitig bestehen laut Bericht der Kommission erhebliche Bedenken bezüglich der Lage von Opposition und Justiz. Eine Rückkehr zu einem glaubwürdigen Reformkurs wäre demnach eine Voraussetzung für eine Wiederbelebung des Beitrittsprozesses.

In Georgien sieht die Europäische Kommission schwere Rückschritte in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Neue Gesetze würden die Arbeit der Zivilgesellschaft und die Pressefreiheit deutlich einschränken. Die EU-Kommission fordert die georgische Regierung auf, demokratische Standards wiederherzustellen, um die Perspektive eines EU-Beitritts zu wahren.

Die nächsten Schritte

Der Rat der EU wird die Empfehlungen der Europäischen Kommission prüfen und über die nächsten Schritte im EU-Erweiterungsprozess entscheiden.

Hintergrund: Wirtschaftliche und strategische Bedeutung der EU-Erweiterung

Die Europäische Kommission verweist auf mehrere Initiativen, welche die wirtschaftliche Annäherung von Kandidatenländern an die EU fördern. Dazu zählen der mit 6 Milliarden Euro ausgestattete Wachstumsplan für den Westbalkan, ein 1,9-Milliarden-Euro-Programm für die Republik Moldau und die mit 50 Milliarden Euro ausgestattete Ukraine-Fazilität. Diese Instrumente sollen Reformen beschleunigen, die Integration vertiefen und bereits vor dem Beitritt konkrete Vorteile schaffen – etwa durch die Teilnahme an SEPA (kurz für: "Single Euro Payments Area") und das "Roam Like at Home"-Programm. Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten profitieren durch Erleichterungen etwa bei Investitionen in den Kandidatenländern oder bessere Exportchancen.

Rückblickend erinnert die Europäische Kommission daran, dass frühere Erweiterungen die EU erheblich gestärkt hätten: Seit der EU-Erweiterung 2004 um 10 neue Mitgliedstaaten hätten sich in den damals beigetretenen Ländern die Lebensstandards verdoppelt; die Arbeitslosigkeit sei dort halbiert worden und Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. Auch die EU als Ganzes hat von den "Erweiterungsrunden" profitiert – vor allem durch ein stärkeres ein Wirtschaftswachstum und einen deutlich erweiterten europäischen Binnenmarkt.

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