"Pakt für den Mittelmeerraum": Neue EU-Strategie soll Mittelmeerregion enger verbinden

Fokus auf gemeinsame Projekte für Wirtschaft, Bildung, Sicherheit und Migration – Start 2026 geplant – Umsetzung konkreter Initiativen zum 30. Jahrestag des "Barcelona-Prozesses" mit breiter Beteiligung aller Partner – Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Wir sollten die Geschäftsbeziehungen zwischen uns vereinfachen"

Satellitenbild von Europa
Foto: Sinergise/ESA

Die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, haben am 16. Oktober 2025 eine neue Strategie vorgestellt, welche die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Partnern im südlichen Mittelmeerraum deutlich vertiefen soll. Mit dem sogenannten "Pakt für den Mittelmeerraum" (Englisch: "Pact for the Mediterranean") will die EU auf historischen und kulturellen Verbindungen aufbauen und gemeinsame Herausforderungen in der Region gezielt angehen.

Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Zeit ist reif für eine tiefere Integration"

Die Präsidentin der Europäische Kommission, Ursula von der Leyen, sagte dazu: 

"Der Handel zwischen der Europäischen Union und dem übrigen Mittelmeerraum ist in nur 5 Jahren um über 60 Prozent gestiegen. Unsere Wertschöpfungsketten sind immer stärker miteinander verflochten. Die Zeit ist reif für eine tiefere Integration. Wir sollten die Geschäftsbeziehungen zwischen uns vereinfachen. Und wir sollten neue Bande zwischen unseren Industrien, unseren Universitäten und unseren Institutionen knüpfen. Deshalb machen wir unseren Nachbarn ein klares Angebot. Lassen Sie uns einen gemeinsamen Mittelmeerraum schaffen, mit dem Ziel einer fortschreitenden Integration zwischen uns. Das ist das Kernstück des 'Pakts für den Mittelmeerraum'."

Ziele und Leitgedanken des Pakts

Der "Pakt für den Mittelmeerraum" soll dazu beitragen, einen gemeinsamen mediterranen Raum zu schaffen, der wirtschaftlich stark, sicher, vernetzt und widerstandsfähig ist. Grundlage sind die Prinzipien der Mitverantwortung, Mitgestaltung und gemeinsamen Verantwortung. Der Fokus liegt nach Angaben der EU-Kommission auf praktischen Maßnahmen, die direkt den Menschen und der Wirtschaft zugutekommen sollen.

Dazu gehören insbesondere Projekte in den Bereichen saubere Energie, Investitionen, Beschäftigung und regionale Entwicklung, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Förderung von jungen Menschen, Frauen und kleinen Unternehmen gelegt wird.

Gemeinsame Sicherheit und Stabilität

Neben wirtschaftlichen und sozialen Zielen umfasst der Pakt auch Maßnahmen zur Stärkung von Sicherheit, Krisenvorsorge und Migrationsmanagement. Die Zusammenarbeit soll etwa in der maritimen Sicherheit, beim Schutz kritischer Infrastruktur und im Umgang mit äußeren Einflussnahmen ausgebaut werden. Ziel ist es, Frieden und Stabilität in der gesamten Region zu fördern und gemeinsame Sicherheitsinteressen besser zu koordinieren.

3 Säulen für eine starke Mittelmeerpartnerschaft

Der vorgestellte "Pakt für den Mittelmeerraum" basiert auf folgenden 3 Säulen:

  1. Menschen als Motor von Wandel und Innovation
    Die 1. Säule stellt die Menschen in den Mittelpunkt. Sie fördert Bildung, Mobilität, Kultur, Tourismus und Sport mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Anliegen und Bedürfnissen der Jugend. Ein zentrales Vorhaben ist die geplante Mittelmeeruniversität, die Studierende aus allen Ländern der Region vernetzen soll. Zudem sollen bestehende Ausbildungsstrukturen erweitert und neue Initiativen zur Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern, Kulturerbe sowie nachhaltigem Tourismus auf den Weg gebracht werden.
  2. Nachhaltige und vernetzte Volkswirtschaften
    Die 2. Säule widmet sich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Förderung moderner, nachhaltiger Wirtschaftsmodelle. Schwerpunkte sind Energie, Wasserresilienz, Landwirtschaft, "blaue Wirtschaft" (Englisch: "Blue Economy"; das sind wirtschaftliche Aktivitäten, die mit Ozeanen und Meeren verbunden sind und daraufabzielen, Ressourcen nachhaltig zu nutzen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen), Digitalisierung und Transport. Mit Initiativen wie der transmediterranen Plattform für erneuerbare Energien und saubere Technologien (kurz: T-MED) oder dem Programm "StartUp4Med" sollen Innovationen gefördert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch die Integration von Lieferketten – etwa im Gesundheits- und Agrarsektor – sowie der Ausbau digitaler Infrastrukturen stehen im Mittelpunkt dieser Säule.
  3. Sicherheit, Vorsorge und Migrationssteuerung
    Die 3. Säule konzentriert sich auf eine umfassende Sicherheits- und Migrationspolitik. Vorgesehen sind Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge, Resilienzsteigerung und zur Entwicklung eines gemeinsamen Migrationsmanagements. Hierzu zählen unter anderem operative Partnerschaften zur Bekämpfung der Schleusung von Migrantinnen und Migranten sowie ein gemeinsamer Ansatz für das integrierte Grenzmanagement. Ein neues regionales Forum für Frieden und Sicherheit in der EU soll künftig als Plattform für den politischen Dialog zwischen der EU und den Ländern des südlichen Mittelmeerraums dienen.

Erweiterte regionale Zusammenarbeit

Der Pakt soll offen sein für die Kooperation mit weiteren Partnern über die Mittelmeerregion hinaus, darunter Länder des Nahen Ostens, Afrikas südlich der Sahara, des westlichen Balkans und der Türkei. Die EU strebt damit eine stärkere Vernetzung zwischen Europa, Nordafrika und der Golfregion an, um gemeinsame Interessen noch besser zu bündeln.

Die nächsten Schritte

Die politische Zustimmung zum Pakt soll im November 2025 anlässlich des 30. Jahrestags des "Barcelona-Prozesses" erfolgen. Anschließend ist ein Aktionsplan vorgesehen, der im 1. Quartal 2026 starten soll. Dieser Plan wird nach Angaben der EU-Kommission konkrete Projekte und Verantwortlichkeiten festlegen und fortlaufend weiterentwickelt.

Neben den teilnehmenden Staaten sollen auch zivilgesellschaftliche Organisationen, Jugendverbände sowie regionale Akteurinnen und Akteure aktiv in die Umsetzung eingebunden werden. Die EU-Institutionen planen regelmäßig über Fortschritte zu berichten.

Hintergrund: Vom "Barcelona-Prozess" zum neuen "Pakt für den Mittelmeerraum"

Der neue "Pakt für den Mittelmeerraum" baut auf fast 3 Jahrzehnten europäischer Zusammenarbeit im Mittelmeerraum auf. Bereits 1995 wurde mit der Erklärung von Barcelona der Grundstein für die multilaterale Kooperation gelegt und im sogenannten "Barcelona-Prozess" fortgeführt. Mit der Agenda für den Mittelmeerraum von 2021 vertiefte die EU diese Partnerschaft in Bereichen wie menschliche Entwicklung, Klimaresilienz und inklusives Wachstum.

Der nun vorgestellte "Pakt für den Mittelmeerraum" ist das Ergebnis eines breiten Konsultationsprozesses, an den Vertreterinnen und Vertretern von Regierungen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft sowie Wirtschaft beteiligt waren. Ziel ist es nun, die bisherige Arbeit stärker zu koordinieren, klarere Strukturen zu schaffen und gemeinsame Projekte noch wirksamer umzusetzen.

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