Kommission schlägt Einrichtung eines interinstitutionellen Ethikgremiums vor

Neues EU-Ethikgremium soll zu gemeinsamen, transparenten und verständlichen Standards für ethisches Verhalten der Mitglieder der EU-Organe beitragen – Kommissions-Vizepräsidentin Jourová: "Demokratie kann nur gedeihen, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihren Institutionen vertrauen"

Sujetbild: Händeschütteln

Die Europäische Kommission hat am 8. Juni 2023 einen Vorschlag für die Einrichtung eines interinstitutionellen Ethikgremiums angenommen, das Mitglieder aller Organe und beratenden Gremien der EU umfassen soll. Die Einrichtung des Ethikgremiums soll zu gemeinsamen, klaren, transparenten und verständlichen Standards für ethisches Verhalten der Mitglieder der EU-Organe sowie zu einem formellen Mechanismus für die Koordinierung und den Meinungsaustausch führen.

Kommissions-Vizepräsidentin Jourová: "Gemeinsame klare, verständliche und transparente Standards für alle europäischen Organe"

Die für "Werte und Transparenz" zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová, sagte dazu: "Die Demokratie kann nur gedeihen, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihren Institutionen vertrauen. Die Menschen in Europa unterscheiden nicht, ob ein Skandal in der einen oder anderen Institution ihren Ursprung hatte. Wenn wir für die Menschen in Europa glaubwürdig bleiben wollen, müssen wir daher alle gemeinsamen ethischen Standards unterliegen." Angesichts der sehr ernsten Anschuldigungen, die in den letzten Monaten aufgekommen seien, müsse man die Gelegenheit ergreifen, "die Probleme anzugehen und die Dinge in die richtige Richtung zu lenken", so die Kommissions-Vizepräsidentin. "Wir müssen gemeinsame klare, verständliche und transparente Standards für alle europäischen Organe entwickeln und anwenden."

Hohe ethische Standards und Transparenz

Die Standards des EU-Ethikgremiums sollen sich, geht es nach dem Vorschlag der Kommission, unter anderem auf folgende Bereiche beziehen:

  • Annahme von Geschenken, Bewirtung und Reisen, die von Dritten angeboten werden: Auch für die Annahme von Auszeichnungen, Abzeichen, Preisen oder Ehrengaben sollen diese Standards gelten;
  • Konditionalität und Transparenzmaßnahmen, insbesondere für Treffen mit Interessenvertreterinnen beziehungsweise -vertretern: Die Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der EU verfügen dank des Transparenz-Registers bereits über gemeinsame Standards für Treffen mit Interessenvertreterinnen beziehungsweise -vertretern und deren Bekanntmachung. Die Standards sollen beispielsweise um den Zugang zu den Räumlichkeiten der Institutionen erweitert werden;
  • Anzugebende Interessen und Vermögenswerte, Festlegung der Kategorien sowie der für die Prüfung dieser Angaben angewandten Verfahren;
  • Nebenbeschäftigung oder externe Tätigkeiten, damit die Verfügbarkeit und Unabhängigkeit der Mitglieder der Institutionen nicht beeinträchtigt wird;
  • Tätigkeiten ehemaliger Mitglieder der Institutionen nach Ablauf des Mandats sowie Festlegung der Bedingungen und Transparenzanforderungen;
  • Umsetzung des gemeinsamen Rahmens, einschließlich der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften sowie der Weiterverfolgung, auch mit Blick auf mögliche Fälle von Belästigung und Sanktionen, bei Verstößen innerhalb der einzelnen Institutionen;
  • Zur Öffentlichkeit der Informationen soll jede Institution, so der Vorschlag der Kommission, bekannt geben, wie sie die Standards anwendet.

Die Hauptaufgaben des EU-Ethikgremiums

Das neue EU-Ethikgremium soll sich, so die Kommission, den folgenden 3 Hauptaufgaben widmen:

  1. Entwicklung der zuvor erläuterten gemeinsamen Mindeststandards, die für die Mitglieder der teilnehmenden EU-Organe und Einrichtungen gelten, sowie gegebenenfalls Aktualisierung dieser Standards; sie sollen als Mindestgrundlage dienen – jeder Institution soll es freistehen, noch strengere interne Vorschriften zu erlassen; die Standards dürfen nicht so angewendet werden, dass bestehende Vorschriften geschwächt werden;
  2. Meinungsaustausch über die internen Vorschriften der einzelnen Institutionen unter Berücksichtigung der Standards, um von den Erfahrungen der anderen zu lernen und zu profitieren;
  3. Förderung einer gemeinsamen Ethikkultur aller Mitglieder der EU-Institutionen sowie Erleichterung des öffentlichen Verständnisses dieses Rahmens (innerhalb und außerhalb der Institutionen); das Prinzip der Transparenz soll auch für die Anwendung dieser Vorschriften in den Institutionen gelten.

Die Kommission betonte bei der Präsentation am 8. Juni 2023, dass alle Maßnahmen für die Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar sein sollen. Andere Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der EU sollen die Möglichkeit erhalten, die gemeinsamen Standards freiwillig zu übernehmen und sich an einem Meinungsaustausch zu beteiligen. Das neue EU-Ethikgremium soll sich nicht mit Einzelermittlungen befassen, nicht in die Untersuchungen etablierter Gremien eingreifen oder diese in irgendeiner Weise einschränken. In Strafsachen, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten, fällt dies gemäß den Verträgen in die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) sowie der nationalen Polizei- und Justizbehörden. Bei Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen berufliche Pflichten liegt die Zuständigkeit beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (Französisch: Office Européen de Lutte Anti-Fraude, kurz: OLAF), im Fall von Missständen in der Verwaltungstätigkeit liegt sie beim Bürgerinnen- beziehungsweise Bürgerbeauftragten und bei Verstößen gegen Vorschriften bei jeder Institution selbst.

Die nächsten Schritte

Die Kommission wird alle Institutionen und Beratungsgremien am 3. Juli 2023 zu einer Sitzung einladen, um den interinstitutionellen Dialog und die Verhandlungen aufzunehmen.

Der Vorschlag der Kommission nach Artikel 13 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) wird den EU-Organen – dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat, dem Rat, dem Gerichtshof der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank, dem Europäischen Rechnungshof, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen – übermittelt. Die Europäische Investitionsbank oder andere Einrichtungen können auf Antrag ebenfalls Vertragspartei dieses Abkommens werden, wenn es in Kraft getreten ist.

Hintergrund: Ethikgremium der EU

Der Vorschlag der Kommission über ein EU-Ethikgremium ist Teil des umfassenderen Maßnahmenpakets der Kommission zur Förderung von Integrität sowie zur Verteidigung des demokratischen Systems der EU und der Rechtsstaatlichkeit. Das EU-Ethikgremium ist kohärent mit den Maßnahmen der Kommission in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Transparenz – zusammen mit anderen Initiativen wie dem am 3. Mai 2023 vorgelegten Paket zur Korruptionsbekämpfung, dem Paket zur Verteidigung der Demokratie und der im Mai 2021 zwischen Parlament, Rat und Kommission geschlossenen interinstitutionellen Vereinbarung über ein verbindliches Transparenz-Register. Die Grundsätze und Regeln, die das ordnungsgemäße Verhalten der Mitglieder der Organe in Bezug auf Unabhängigkeit und Integrität gewährleisten sollen, sind in den europäischen Verträgen festgelegt worden.

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