Rede von Bundeskanzler Christian Stocker zum Nationalfeiertag
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Präsidenten des Nationalrats,
sehr geehrter Herr Generalstabschef,
sehr geehrte Angehörige des österreichischen Bundesheeres,
liebe Rekrutinnen und Rekruten,
liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Der 26. Oktober ist ein besonderer Tag für unser Land.
Ein Tag des Innehaltens und der Dankbarkeit, aber auch ein Tag des Nachdenkens und der Reflexion.
Denn wer zurückblickt auf die Geschichte unseres Landes erkennt: Österreich hat in Zeiten der Unsicherheit und des Zweifels immer schon den Weg des Mutes gewählt.
Aus Trümmern wurde Aufbruch. Aus Krisen wurde Kraft. Aus Verantwortung wurde Zukunft.
Heute ist aber nicht nur ein besonderer Tag, sondern das Jahr 2025 ist insgesamt ein besonderes Jahr. Es ist ein Jahr der Erinnerung.
80 Jahre sind vergangen, seit das dunkelste Kapitel Europas endete.
70 Jahre seit jenem Staatsvertrag, der Österreich seine Freiheit und Unabhängigkeit zurückgab und unsere immerwährende Neutralität in Kraft trat – ein Bekenntnis zu Frieden, Souveränität und Verantwortung.
Und 30 Jahre seit unserem Beitritt zur Europäischen Union – einer Gemeinschaft im Zeichen von Gemeinsamkeit, Stabilität und Wohlstand.
All das sind nicht bloß Zahlen, es sind Wegmarken einer Geschichte, die unser Österreich zu dem gemacht haben, was es heute ist – ein freies, lebenswertes, sicheres und erfolgreiches Land in der Mitte Europas.
Hinter unserem Land liegt eine bewegte Geschichte – voll Höhen und Tiefen, Erfolgen und Rückschlägen.
Dabei hat uns als Österreicherinnen und Österreicher immer eines besonders ausgezeichnet: Dass wir in der Lage sind, Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen - nicht gegeneinander, sondern miteinander.
So ist es uns auch gelungen, unser Land nach den dramatischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs wiederaufzubauen – unsere Häuser, unsere Gesellschaft, unser Miteinander und nicht zuletzt unseren Wohlstand.
Solche Kraftanstrengungen werden auch in Zukunft notwendig sein.
Und ich bin überzeugt: sie werden uns gelingen, wenn wir uns auf das Gemeinsame besinnen und uns nicht durch unsere Unterschiede spalten lassen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir keine Zeit erlebt, in der die Zahl der gewalttätigen Konflikte größer war als heute.
Autokratische Systeme erstarken, regionale Konflikte eskalieren, wirtschaftliche Spannungen bedrohen unseren Wohlstand.
Und auch wenn wir in Österreich Gott sei Dank in Frieden leben, spüren wir: Die Welt ist rauer geworden.
Die westliche Demokratie als solche steht massiv unter Druck: Cyberattacken, Spionage, Desinformation und Versuche der Destabilisierung.
Als überzeugte Demokraten, als Österreicherinnen und Österreicher, dürfen wir uns davon aber nicht entmutigen lassen.
Aus Liebe zu unserem Land. Und aus Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder.
Wir müssen das, was unser Land stark gemacht hat, bewahren und mit Mut und Entschlossenheit dort hinsehen, wo wir Veränderung brauchen.
Österreich war immer dann stark, wenn wir uns nicht von Angst, sondern von Zuversicht haben leiten lassen.
Weil Freiheit nicht selbstverständlich ist und Neutralität nicht Gleichgültigkeit bedeutet.
Ich habe einmal gesagt: Demokratien gehen unter, wenn sie von Demokraten nicht verteidigt werden.
Das dürfen wir nicht zulassen.
Wir müssen uns gegen jene wehren, die es mit unserer Demokratie, mit unserer Neutralität und mit unserer Art zu leben, nicht gut meinen.
Im Inneren und im Äußeren.
Wir müssen wehrfähig sein und wehrwillig, wenn es darauf ankommt.
Militärisch, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich.
Neutralität heißt für uns: Militärisch unabhängig, aber moralisch klar positioniert zu sein.
Wir bekennen uns zu einem Europa des Friedens, aber auch zur Wehrhaftigkeit, die diesen Frieden schützt.
Und wir wissen: Frieden braucht Menschen, die bereit sind, ihn zu verteidigen. Die militärische Verteidigung ist die zentrale Aufgabe unseres Bundesheeres.
Dafür und darüber hinaus sind unseren Soldatinnen und Soldaten Tag für Tag im Einsatz und bereit, unser Land im Ernstfall auch zu verteidigen.
Darum gilt mein besonderer Dank heute Ihnen, liebe Soldatinnen und Soldaten und Ihnen, liebe Rekrutinnen und Rekruten.
Ihr Dienst bedeutet weit mehr als Uniform und Pflicht.
Er steht für Loyalität, Zusammenhalt und die Bereitschaft, für unser Land einzustehen. Dafür danke ich Ihnen im Namen der Republik Österreich!
Denn Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit, sondern tägliche Arbeit – getragen von Menschen, die sich in den Dienst an der Allgemeinheit stellen.
Rund 1.200 junge Frauen und Männer legen hier und heute das Gelöbnis auf die Republik Österreich ab.
Vielen Dank für Ihre Bereitschaft, unser Land und die Menschen in unserem Land zu schützen.
Wehrhaftigkeit bedeutet heute aber mehr als militärische Stärke.
Die politische Wehrfähigkeit betrifft alle, die mit ihren Ämtern Verantwortung für unser Land übernommen haben.
Wer politische Verantwortung übertragen bekommt, muss sich dieser Verantwortung für Österreich auch bewusst sein.
Darum engagieren wir uns auch in Europa, um Frieden zu sichern oder wieder zu erlangen.
Und darum investieren wir in die Sicherheit unseres Landes – in ein starkes, modernes Bundesheer, in effektiven Katastrophenschutz, in Resilienz gegenüber neuen Bedrohungen wie Cyberangriffen oder Desinformation.
Sicherheit bedeutet aber auch wirtschaftliche Stärke.
Kriege werden heute nicht mehr nur mit Waffen geführt, sondern auch mit Energie, mit Handel und mit wirtschaftlicher Abhängigkeit.
Wehrhaft ist ein Land daher nicht nur durch seine Armee, sondern durch stabile Lieferketten, verlässliche Energieversorgung und eine starke heimische Produktion.
Wer seine Wirtschaft stärkt, schützt seine Freiheit, weil Unabhängigkeit nicht allein an Grenzen entschieden wird, sondern an Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und wirtschaftlicher Resilienz.
Sicherheit bedeutet auch, die eigenen Werte zu verteidigen. Die Verteidigung unserer Werte geht uns alle an, jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft.
Sie bedeutet, dass wir als Gesellschaft fest zusammenstehen – gerade und ganz besonders in schwierigen Zeiten.
Dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen, sondern einander zuhören.
Dass wir unsere Demokratie nicht als Selbstläufer verstehen, sondern als gemeinsame Errungenschaft, die es zu verteidigen gilt.
Das beginnt in der Familie, setzt sich am Arbeitsplatz fort, in den Vereinen, am Stammtisch, im Wirtshaus.
Wir haben so viel, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
Kämpfen wir für die Demokratie, für die immerwährende Neutralität, für die Art, wie wir zusammenleben, für unsere Rechtsordnung, die Presse- und Meinungsfreiheit und alles, was diese Gesellschaft bis hin zum Ehrenamt ausmacht.
Lassen wir uns dabei nicht von Angst, sondern von Mut leiten, stellen wir den Zusammenhalt über die Zwietracht und blicken wir mit Zuversicht statt mit Zweifel in die Zukunft.
Ich bin überzeugt, dass wir auch in Zukunft erfolgreich sein werden und uns der Aufschwung für Österreich gelingen wird!
Österreich ist ein Land der Fleißigen.
Ein Land voller Menschen, die anpacken und zusammenhelfen.
Von Müttern und Vätern, die Verantwortung für ihre Kinder tragen und ihnen die Werte einer freien Gesellschaft vermitteln.
Geschützt von Soldatinnen und Soldaten und unseren Einsatzkräften, die für die Sicherheit der Menschen einstehen.
Unternehmerinnen und Unternehmer, die Neues schaffen und Bewährtes erhalten.
Forscherinnen und Forscher, die Zukunft gestalten und Innovation vorantreiben.
In unserer Bundeshymne heißt es: "Mutig in die neuen Zeiten, frei und gläubig sieh uns schreiten, arbeitsfroh und hoffnungsreich."
Diese Worte sind keine historische Phrase – sie sind ein Versprechen.
Glauben wir an unser Land, glauben wir an die Menschen, die es stark machen und arbeiten wir gemeinsam – mit Mut und Zuversicht – für Österreich.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Nationalfeiertag. Es lebe die Republik Österreich!
Vielen Dank.