Thema 10 – Sonderbestände in der Administrativen Bibliothek

Wie viele andere historisch gewachsene Bibliotheken verfügt die Administrative Bibliothek über Bestände, die einzigartig sind. An ihrem Beispiel lässt sich die Geschichte der Bibliothek nachvollziehen.

Die Kenntnis der historischen Bestände ist ein Schlüsselfaktor für die bibliothekarische Servicequalität. Darunter fallen das rasche Auffinden zeitgenössischer, aber auch in den Altbeständen verborgener, historischer Quellen oder auch die Rechercheunterstützung bei der Suche nach Dokumenten, die nur in der historischen Fassung von Rechtsnormen nachweisbar sind.

Der Großteil der Sonderbestände in der Administrativen Bibliothek besteht aus Publikationen, die in gedruckter Form vorliegen. Heute umfasst das Sammeln und Erschließen auch den digitalen Bereich. Ob ein Sonderbestand vorliegt oder nicht, kann nur anhand genau festgelegter Kriterien bestimmt werden. Die alleinige Orientierung an Alter beziehungsweise Medientyp reicht nicht aus. Prinzipiell kommen alle Medien in Frage, die im Hinblick auf ihren Inhalt oder Erwerbungsgeschichte für die Administrative Bibliothek außergewöhnlich sind.

Ein Beispiel für einen bemerkenswerten Sonderbestand sind mehrere 100 Bände der Zentralstelle der Fürsorge für Kriegsflüchtlinge.

Ausschnitt aus der Wiener Zeitung vom 06. Februar 1916
Wiener Zeitung vom 6. Februar 1916: Bericht über die Eröffnung der Bibliothek und Lesehalle in der Zentralstelle der Fürsorge für Kriegsflüchtlinge. Foto: die Administrative
Bücher aus dem Bestand der Zentralstelle der Fürsorge für Kriegsflüchtlinge
Bücher aus dem Bestand der Zentralstelle der Fürsorge für Kriegsflüchtlinge. Foto: die Administrative

Die Zentralstelle wird 1915 vom Ministerium des Inneren gegründet, um die zahlreichen Flüchtlinge, die im Zuge des Ersten Weltkrieges nach Wien kommen, zu versorgen. Damit die Zentralstelle ihren laufenden Betrieb aufrechterhalten kann, ist sie auf private Geld- und Sachspenden angewiesen. An ihrem Standort im 2. Bezirk in der Praterstraße 9 entsteht eine umfangreiche Bibliothek mit einer Lesehalle, die vom Wiener Gemeinderat Dr. Rudolf Schwarz-Hiller geleitet wird.

Sondersammlungen der Administrativen Bibliothek

Die elektronische Sondersammlung digitaler Publikationen der öffentlichen Verwaltung erschließt seit Mitte der 2000er-Jahre Publikationen, Forschungsprojekte sowie Studien von Bundesministerien, Ämtern und Behörden. Diese werden der Öffentlichkeit online über epub.bka.gv.at zur Verfügung gestellt.

Besonderes Augenmerk liegt auf allen Druckwerken, die durch das Bundeskanzleramt oder unter Mitarbeit des Bundeskanzleramtes erstellt werden.

Weitere Sondersammlungen werden laufend über die Rückerfassung älterer Bestände erschlossen und über den Bibliothekskatalog recherchierbar und zugänglich gemacht. Beispielhaft erwähnt sei die Sammlung an Schülerzeitungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren, aber auch eine Sammlung von Plakaten, Flugschriften und Broschüren aus den Revolutionsjahren 1848/49.

Rara und Unikate

Die Administrative Bibliothek verfügt über einige Rara beziehungsweise Unikate. Diese werden zunächst systematisch erschlossen, um sie im Rahmen von Sondersammlungen zu präsentieren. Eine Auswahl unserer Rara:

Bibliographie des Oestreichischen Kaiserstaates

Bibliographie des Oestreichischen Kaiserstaates
Bibliographie des Oestreichischen Kaiserstaates von Dr. Constantin Wurzbach. Foto: die Administrative

begonnen am 1. September 1852 und fortgesetzt bis zum 31. December 1853
von Constantin Wurzbach.

Topographia Austriacaru[m] Austriae Styriae, Carinthiae, Carniolae, Tyrolis etc

Topographia Austriacaru
Topographia Austriacaru[m] 1649. Foto: BKA/Andy Wenzel

Das ist: Beschreibung Vnd Abbildung der fürnembsten Stätt Vnd Plätz in den Osterreichischen Landen Vnder vnd ober Osterreich, Steyer, Kärndten, Crain Vnd Tyrol.
Antag gegeben vnd Verlegt durch Matthäus Merian, Franckfurt am Mayn 1649 – eine im Rahmen der Topographia Germaniae erschienene umfassende und mit Kupferstichen illustrierte topographische Darstellung heutiger österreichischer Bundesländer und Sehenswürdigkeiten.

Tagebuch geführt waehrend des Congresses in Laibach von Heinrich Costa

die einzig bekannte Abschrift des originalen Tagebuchs des Schriftstellers Heinrich Costa, das als verschollen gilt. Die Abschrift stammt von Chrisant Albert Ritter von Franken und wurde 1821 in Laibach angefertigt. 2022 wurde es als befristete Leihgabe für die Ausstellung "The Red and the Black – Europe at the 1821 Congress of Ljubljana" zur Verfügung gestellt. – Unikat

Costa Tagebuch 1821
Costas Tagebuch von 1821. Foto: die Administrative

Wiener Leut' – Wiener Leb'n – Vom Lieben Augustin bis zur Frau Sopherl vom Naschmarkt

Eine Zeitdokumentation von Otto Karl Feilenhauer über das Wiener Leben in Wort und Bild mit 65 Illustrationen nach Original-Zeichnungen von Robert Fuchs.

Der vermutlich in den späten 1970er-Jahren entstandene Text von Otto Karl Feilenhauer erzählt vom Leben der Wiener Bevölkerung. Die Illustrationen stammen von Robert Fuchs, der auch das Staatsvertragsgemälde 1955 angefertigt hat. Fuchs, seit 1933 ein illegaler Nationalsozialist und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Künstler, ist für seine Portraits von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kunst bekannt, welche in den großen Tageszeitungen "Neues Wiener Tagblatt", "Wiener Montag" oder "Neue Freie Presse" veröffentlicht werden.

Druckschrift "Wiener Leut' - Wiener Leb'n"
Druckschrift "Wiener Leut' - Wiener Leb'n" – Vom Lieben Augustin bis zur Frau Sopherl vom Naschmarkt. Foto: die Administrative

In einem kurzweiligen Streifzug durch das Wien um die Jahrhundertwende entsteht ein romantisches Bild der Großstadt, wo Dienstmädchen beim Greißler einkaufen, die Scherenschleifer mit ihren Handwagen ihre Dienste anbieten, die Korbflechter mit ihren Waren durch die Straßen ziehen und "der Himmel voller Geigen hängt". Der wehmütige Blick auf Wien ist in Mundart verfasst und schließt mit einem lexikalischen Anhang, welcher die Dialektworte erklärt. In Verbindung mit der humoristischen Szenenmalerei von Robert Fuchs liegt eine liebevolle Satire über das "Wiener Leb'n" vor.

Illustrationen aus der Druckschrift "Wiener Leut' - Wiener Leb'n"
Auszug aus den Illustrationen in der Druckschrift "Wiener Leut' – Wiener Leb'n"  nach Original-Zeichnungen von Robert Fuchs. Foto: die Administrative